Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ein, zwei Wochen unter Wettkampfbedingungen“
Ein Bundesligastart ohne normales Training ist für Alfred Finnbogason nicht denkbar. Aber schon jetzt will er bei Trainer Heiko Herrlich Ansprüche auf einen Stammplatz anmelden. Wie das in Zeiten von Corona gehen soll
Herr Finnbogason, Sie trainieren jetzt mit dem FCA seit rund drei Wochen in Kleingruppen ohne Zweikämpfe und Spielformen. Reicht das, um fit für die Wiederaufnahme der Punktspiele zu werden?
Finnbogason: Nein, das würde nicht reichen. Wir müssen sicher ein, zwei Wochen unter Wettkampfbedingungen mit allen Trainingsinhalten üben. Das ist für alle Mannschaften wichtig, um möglichst gut vorbereitet zu sein.
Die Bundesliga-saison kann nur mit Geisterspielen unter hohen Vorsichtsmaßnahmen fortgesetzt werden. Es ist sogar angedacht, dass die Spieler in Quarantäne gehen müssen. Haben Sie für sich so ein Szenario schon einmal durchgespielt?
Finnbogason: Nein, das habe ich nicht. Wie das letztlich umgesetzt werden kann, müssen Experten entscheiden. Im Moment gibt es noch viele Fragen, aber wenige Antworten. Auch bei uns in der Kabine gibt es unterschiedliche Sichtweisen, weil verschiedene Länder mit dem Thema auch unterschiedlich umgehen. So ist die Welt, in der wir gerade leben. Selbst Wissenschaftler sind zum Teil unterschiedlicher Meinung. Wir müssen einfach abwarten. In einem menschenleeren Stadion ein Pflichtspiel zu absolvieren, ist sicher eine große Herausforderung.
Haben Sie da schon Erfahrung? Finnbogason: Ja, wir mussten bei Qualifikation für die WM 2018 mit Island in der Ukraine und in Kroatien unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen. (Die Zuschauerverbote waren Strafen der Fifa aufgrund rassistischer Vorfälle bei früheren Spiele der Heimteams, Anm., d. Red.) In der Ukraine haben wir 1:1 gespielt.
Sind das faire Bedingungen? Finnbogason: Es trifft jeden gleich. Daran hat vor ein paar Monaten kaum jemand gedacht, aber jetzt ist es die Realität. Es ist leider so. Es wird komisch sein, aber wenn du im Spiel bist, denkst du nicht so viel darüber nach. Dann geht es um das Gewinnen und letztlich wird sich die Qualität durchsetzen. Ich bin mir sicher, dass wir einen guten Kader haben und auch ohne Fans die nötigen Punkte holen werden, auch wenn wir mit unseren Fans im Rücken natürlich einen Vorteil hätten. Wir müssen es jetzt alleine schaffen, die Klasse zu halten.
Ihr Ziel vor der Saison war es 30 Spiele zu absolvieren. Sie haben bisher 16 gespielt, neun stehen noch aus. Da kommen Sie maximal auf 25…. Finnbogason: Das wären die meisten Spiele in einer Saison für den FC Augsburg. Ich war richtig fit, bevor ich mich im Länderspiel im November verletzt habe. Ich hatte keine muskulären Probleme, nichts und dann passiert so ein Unfall, als ich wie ein Eishockeyspieler gecheckt wurde und mir die Schulter ausgekugelt habe. Es war einfach bitter, dass diese Verletzung zehn Wochen gedauert hat. Andere Spieler haben während meiner Abwesenheit gut gespielt, ich musste mich zurückkämpfen. Seither habe ich auch keinerlei Probleme oder Verletzungen, sodass ich mich richtig gut fühle. Jetzt brauche ich Spielrhythmus.
Den Ihnen Trainer Martin Schmidt nicht so finden ließ, wie Sie gehofft hatten ...
Finnbogason: Ich kam aus der Verletzung zurück und wurde ein paar Mal eingewechselt. Und wenn ich von Anfang an gespielt habe, war es nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber das ist normal, da braucht man ein paar Spiele, um in Form zu kommen.
Als Stürmer Nummer eins war bei Schmidt Florian Niederlechner gesetzt Finnbogason: Wir haben oft mit zwei gespielt. Das hat mit Florian und mir ganz gut geklappt. Auch bei den Spielen gegen Gladbach und Bayern, als ich eingewechselt wurde, habe ich mich wieder gut gefühlt. Am Ende war es die Entscheidung des Trainers. Flo spielt eine super Saison, aber wir haben beide immer gesagt, dass wir gut zusammenspielen können.
Haben Sie mit Heiko Herrlich schon über Ihre Situation gesprochen? Finnbogason: Noch nicht so viel. Ich versuche, mich in den Trainingseinheiten anzubieten. Dazu haben wir jetzt ja auch Zeit. Man muss nicht immer viele Worte verlieren.
Wie wollen Sie sich im Training ohne Spielsituationen und Zweikämpfe anbieten?
Finnbogason: Wir trainieren viele Flanken, Torschüsse, Pässe. Es ist auch eine Kunst, diese Übungen immer mit der richtigen mentalen Einstellung anzugehen. Es ist jetzt eine gute Zeit, um Feintuning zu betreiben. Und gerade für mich als Stürmer sind Torabschlüsse wichtig. Da kann und will ich auf mich aufmerksam machen.
Nach einem Trainerwechsel will der neue Mann seine Ideen sofort auf dem Platz umsetzen und am besten mit eispiele nem Sieg vor vollem Haus starten. Das kann Heiko Herrlich alles nicht. Verpufft der Effekt des Trainerwechsels jetzt nicht?
Finnbogason: Das sehe ich nicht so. Es fühlt sich jetzt an wie eine Vorbereitung auf eine neue Saison. Er hat mehr Zeit, um seine Vorstellungen umzusetzen. Die müssen wir jetzt möglichst schnell verinnerlichen. Aber Heiko Herrlich wurde ja geholt, um längerfristig hier zu arbeiten und nicht nur um kurzfristig Erfolg zu haben.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb im Oktober über Sie als „Der Systemverlierer“. Könnten Sie jetzt vielleicht der „Systemgewinner“werden? Finnbogason: Hm, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich gebe Gas, ich will jedes Spiel spielen, aber am Ende entscheidet der Trainer. Das muss man dann akzeptieren.
Sie haben im Sommer Ihren Vertrag bis Juni 2022 verlängert. Wenn man die Corona-krise betrachtet, könnte man sagen: alles richtig gemacht? Finnbogason: Damals war es für meine Situation die richtige Entscheidung. Das gilt auch jetzt genauso. Ich schätze einfach das, was ich hier habe. Wenn man älter ist, ist es wichtig, dass man in einem Verein geschätzt wird und dass man regelstürmern mäßig spielt. Das sind nur zwei Gründe. Das Gesamtpaket stimmt hier in Augsburg und die Bundesliga ist einfach eine attraktive Liga.
„Es fühlt sich jetzt an wie eine Vorbereitung auf eine neue Saison“
Alfred Finnbogason über das Training mit Heiko Herrlich in der Corona-zwangspause
Sie sind ja beim FCA einer der Stellvertreter von Kapitän Daniel Baier. Wie sehen Sie das Thema Gehaltsverzicht?
Finnbogason: Wir Spieler haben signalisiert, dass wir dazu bereit sind, und wir haben eine gute Lösung gefunden. Aber wie alles hier beim FCA werden diese Themen intern besprochen.
Spanien ist neben Italien am härtesten von der Epidemie betroffen. Sie haben schon bei Real Sociedad San Sebastian gespielt. Wie ist die Lage dort? Finnbogason: In Spanien trainiert noch kein Verein. San Sebastian wollte in dieser Woche mit dem Training auf dem Platz beginnen, hat aber entschieden, es doch nicht zu tun, weil es viele Proteste gab. Dort sind die Ausgangssperren fast genauso drastisch wie in Italien. Ich telefoniere da ab und zu mit Bekannten. Da darf man nur zum Einkaufen rausgehen. Wir können hier in Deutschland froh sein, dass es nicht so streng ist und frühzeitig reagiert wurde.
Wie ist die Lage bei Ihnen zu Hause auf Island?
Finnbogason: Die Ausgangsbeschränkungen, die ähnlich wie hier in Deutschland sind, wurden dort jetzt erst einmal bis zum 3. Mai verlängert. Sie haben es dort gut im Griff, weil sehr viele Leute getestet wurden und werden. Aber Tourismus gibt es praktisch keinen mehr. Das trifft natürlich das ganze Land hart, weil es mit der größte Wirtschaftsfaktor ist.
Sie haben zwei kleine Kinder: Emil ist jetzt ein Jahr alt, Ihre Tochter Viktoria ist 3. Da sind Ausgangsbeschränkungen für Ihre Freundin Frida und Sie sicher eine große Herausforderung. Finnbogason: Die beiden veranstalten jeden Tag zu Hause Kindergarten. Es ist gar nicht so einfach, immer wieder etwas Neues zu finden, um sie zu beschäftigen. Aber es macht auch Spaß, wenn man mehr Zeit mit den Kindern hat als sonst. Natürlich gibt es auch Momente, in denen man denkt, es wäre wieder schön, wenn sie mehr Kontakt zu anderen Kindern hätten. Und es ist für beide nicht immer einfach, zu verstehen, wie die Situation gerade ist. Wir machen das Beste daraus.
Interview: Robert Götz
● Alfred Finnbogason (1. Februar 1989. Seine Heimatstadt ist Grindavik) spielt seit 2016 beim FC Augsburg. Er absolvierte bisher 83 Punktspiele und ist mit nun 48 Punkten (35 Tore, 13 Vorlagen) Fcatopscorer in der Bundesliga.