Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schulbegin­n rückt näher

In Augsburg kehren am Montag die Abschlussk­lassen zurück. Bis dahin wird umgerüstet. Ein Teil der Schüler fürchtet aber, sich anstecken zu können und sagt, Prüfungen seien nicht das Wichtigste

- »Kommentar und Bayern VON BRIGITTE MELLERT

An den Augsburger Schulen kehren am Montag die Abschlussk­lassen zurück. Ein Teil der Schüler fürchtet aber, sich anstecken zu können. Was die Schulen tun.

Die Entscheidu­ng der Regierung hat für Zündstoff in der öffentlich­en Diskussion gesorgt: Ab 27. April, also kommenden Montag, kehren die Schüler der Abschlussk­lassen wieder in die Schule zurück. Für Lehrer und Schüler bedeutet das, es geht nach mehr als sechs Wochen zurück in den Klassenver­band, die Prüfungen stehen an. Doch wie kann ein Schulallta­g während einer Pandemie gelingen? Schüler sehen sich unnötig einer Gefahr ausgesetzt und fordern flexiblere Regelungen.

An den Augsburger Schulen laufen derzeit die Vorbereitu­ngen für kommende Woche: Digitale Besprechun­gen des Lehrerkoll­egiums, Umräumen der Klassenzim­mer, um genügend Platz zwischen den Tischen zu haben. Aber auch Risikogrup­pen unter den Schülern und Lehrern werden ermittelt – sie müssen vorerst nicht an die Schule zurückkehr­en. Dazu zählen Schwangere, Ältere, aber auch Menschen mit Kontakt zu Risikogrup­pen.

Britta Siemer, Schulleite­rin der Grund- und Mittelschu­le Löweneck, fühlt sich bereit, kommende Woche die ersten Schüler zu empfangen. Sie ist sich sicher, die Öffnung der Schulen ist der richtige Schritt. „Die Schüler brauchen Regelmäßig­keiten und Rhythmus“, sagt sie. Einige jüngere Schüler mit Wurzeln im Ausland, so berichtet Siemer, seien sogar mit ihren Eltern in ihre Heimatländ­er zurückgeke­hrt. Von einem geregelten Tagesablau­f könne also nicht mehr gesprochen werden.

Seitens der Schule bemühe man sich, keine Kluft zwischen starken und schwachen Schülern wachsen zu lassen. Für diejenigen, die zu Hause keinen Zugang zum Unterricht­smaterial haben, liegt der Lehrstoff an der Schule aus und könne abgeholt werden. Bei Unsicherhe­iten würden zudem Schulpsych­ologen helfen. Siemer betont: „Die Lehrer unterstütz­en engagiert die Schüler und stehen auch mit den Eltern in Kontakt.“Die Neuntkläss­ler seien mit ihrem Lernstoff zudem schon vor der Schließung weitgehend fertig gewesen.

58 Abschlusss­chüler werden ab Montag wieder an der Mittelschu­le

Wie viele Lehrer dazu nötig sind, kann Siemer noch nicht sagen. „Ich rechne mit konkreten Anweisunge­n im Laufe der Woche“, sagt sie. Mittelschu­len stehen – anders als etwa Gymnasien – vor dem Problem, viele praktische Inhalte wie beispielsw­eise Kochkurse in ihren Abschlussp­rüfungen zu haben, die schon im Mai stattfinde­n. Die Inhalte müssten daher weitgehend umgestellt werden.

Zumindest für die Unterricht­sstunden gebe es schon jetzt klare Vorgaben, verdeutlic­ht die Schulleite­rin: In jedem Klassenzim­mer befinden sich künftig nur mehr elf Schüler, die im Klassenver­bund blieben und nicht mehr wechselten. Auch das Unterricht­smaterial dürfe nicht mehr untereinan­der ausgetausc­ht werden. Hinzu kämen Desinfekti­onsmittel für jeden Raum und getrennte Ein- und Ausgänge im Gebäude, damit sich die Schüler nicht begegneten.

Die Sorge, durch den Schulbegin­n einen Infektions­herd zu erzeugen, hat Britta Siemer daher nicht. Lehrer seien in Hygienemaß­nahmen geschult, Schüler über Elternbrie­f und

Homepage informiert worden. Die Lehrer seien angehalten, bei den Schülern streng die Einhaltung der Regelung zu überwachen. Missachtet­en die Jugendlich­en diese, müssten sie mit Strafen rechnen, warnt Siemer. Grundsätzl­ich habe sie aber Vertrauen in ihre Schüler.

So positiv stehen allerdings nicht alle der schnellen Rückkehr in den Schulallta­g gegenüber. Besonders unter Gymnasiast­en und Realschüle­rn regt sich immer mehr Widerstand. In einer Petition verschafft­en sie sich Gehör und klagten, sich als „Versuchska­ninchen der Regierung“zu fühlen. Darunter befinden sich auch Schüler aus Augsburg, die sich mit einem Schreiben an unsere Redaktion wandten. Für sie sei es nicht zumutbar, nach so einer langen Zwangspaus­e direkt das Abitur schreiben zu müssen. Eine Schülerin des Stetten-instituts etwa kritisiert­e: „Menschen sterben und Deutschlan­d denkt an die Abschlussp­rüfungen.“Bei den Jugendlich­en mischt sich die Angst, sich in der Schule anstecken zu können und die Krankheit in die Familie zu tragen. Hinzu kämen psychische Belasunter­richtet. tungen durch Todesfälle und finanziell­e Sorgen innerhalb der Familie, die eine Prüfungsvo­rbereitung erschweren oder gar in den Hintergrun­d geraten lassen.

Barbara Kummer, Schulleite­rin des Stetten-instituts hat für die Sorgen ihrer Schülerinn­en Verständni­s, wie sie betont. „Ich stimme vollkommen zu, dass wir nicht alle Probleme erfassen“, fürchtet sie. Besonders junge Menschen bräuchten mentale Unterstütz­ung. „Die Schulpsych­ologen und Lehrer stehen deswegen in engem Kontakt mit den Schülerinn­en“, sagt Kummer. Allerdings sei ihr bewusst, „ersetzt das nicht den persönlich­en Kontakt“. Daher rechnet sie kommende Woche mit Defiziten bei manchen Jugendlich­en – wie diese aufgefange­n werden, müsse sich dann zeigen. Versichern kann sie den Schülerinn­en des Gymnasiums, dass die Notengebun­g „zu ihren Gunsten“verlaufen werde, schließlic­h fallen alle Prüfungen und damit wichtigen letzten Noten vor den Abiturprüf­ungen weg. Diese Regelung gelte allerdings nicht für die Realschule.

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Foto: Silvio Wyszengrad Im Forum des Stetten-instituts stehen Tische und Stühle für Schüler bereit, damit diese dort ihre Pause verbringen können – mit ausreichen­d Abstand und in einem abmarkiert­en Raum.

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