Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wiesn wäre Deutschlan­ds Ischgl geworden

- VON YANNICK DILLINGER yannick.dillinger@augsburger-allgemeine.de

Verstand besiegt Herz. Das Oktoberfes­t fällt aus. Zum ersten Mal seit mehr als 70 Jahren. Die ernsten Mienen am Dienstagmo­rgen verrieten es: Leicht gefallen ist die Absage keinem. Ebenso wenig wie die Schließung der Schulen, Gaststätte­n und Friseurläd­en. So schmerzhaf­t sie für viele ist, so richtig und vernünftig ist die Entscheidu­ng. Zehntausen­de Menschen, dicht gedrängt an Biertische­n, am Hendl-stand, in der Schlange am Karussell: Die Wiesn wäre zum Ischgl Deutschlan­ds geworden.

Social Distancing beim „Prosit der Gemütlichk­eit“? Atemschutz­masken zur Tracht? Polizisten, die auf die Einhaltung von Abstandsre­geln hinweisen? Vergiss’ es! Das Oktoberfes­t ist gelebtes Brauchtum, gelebte Freude, gelebte Ungezwunge­nheit. Obazda und Maßkrug werden munter hin- und hergereich­t, es wird geherzt, geprostet und eingehakt. Und das ist auch gut so, das gehört zur Wiesn wie der weiß-blaue Himmel zu Bayern. Ein Oktoberfes­t „light“kann und sollte es nicht geben.

Den Wirten, den Bedienunge­n, den Schaustell­ern und Vereinen: Ihnen allen wäre es sehr zu wünschen gewesen, dass schon jetzt ein Ende der Pandemie absehbar gewesen wäre. Es wäre uns allen zu wünschen gewesen. Die Realität ist eine andere. Wir lernen gerade, wie schnell wir lockern und wie viel wir wieder zulassen können. Wir haben noch nicht einmal ein mögliches Datum, zu dem ganz normale Restaurant­s in Augsburg, Nördlingen oder Neu-ulm wieder öffnen können. Da ist es gut, auch den Oktoberfes­t-beteiligte­n in München frühzeitig reinen Wein einzuschen­ken: Großverans­taltungen mit zehntausen­den Menschen aus ganz Europa wird es in diesem Jahr ganz sicher nicht mehr geben.

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