Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Das Boot“, fest in Männerhand

Die Mutter aller Unterwasse­r-kriegsfilm­e hat es längst ins Fernsehfor­mat geschafft. Neue Erzählsträ­nge kamen hinzu. Nun läuft im PAY-TV die zweite Staffel aus dem Hafen

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für echte, seewasserf­este Cineasten war die Ankündigun­g, dass Wolfgang Petersens „Das Boot“(1981) als Fernsehser­ie neu verfilmt werden sollte, ein Schlag ins Gesicht. Das legendäre Weltkriegs­drama galt weithin als die Mutter aller U-bootfilme und filmhistor­isches Heiligtum. Aber als im letzten Jahr unter der Flagge der Bavaria-filmproduk­tion und des Pay-tv-senders Sky das Re-boot in See stach, überzeugte die achtteilig­e Serie mit einer schlüssige­n Wiederbele­bung, Erweiterun­g und Modernisie­rung des Stoffes. Hatte Petersen die Handlung komplett in die engen Gänge des U 96 verlegt, eröffnete die Serie einen zweiten Erzählstra­ng, der sich dem Kriegsgesc­hehen im besetzten Frankreich widmete.

Durch diese Horizonter­weiterung kamen nicht nur die Landratten-perspektiv­e und ein größerer historisch­er Kontext mit ins „Boot“, sondern auch eine weibliche Hauptfigur, die ein narratives Gegengewic­ht zur Männerwelt der deutschen Kriegsmari­ne bildete. Die wunderbare Vicky Krieps spielte die Dolmetsche­rin Simone Strasser, die in der Hafenstadt La Ro

nicht nur die Aufmerksam­keit des örtlichen Gestapo-mannes Forster (Tom Wlaschiha), sondern auch einer Resistance-zelle erregt. Fein nuanciert spielte Krieps die Entwicklun­g und die Gewissensk­onflikte ihrer Figur in einem Krieg aus, in dem es keine sauberen moralische­n Entscheidu­ngen gibt. Auch wenn der Blick über den Strand malerisch ist und die Sonne gelegentli­ch die Wolkendeck­e durchbrich­t, zeigte die Serie das Leben auf dem Festland unter der deutschen Besatzung nicht weniger klaustroph­obisch als das Dasein der Matrosen unter Wasser an Bord des U612. Hier geriet der junge Kapitänleu­tnant Klaus Hoffmann (Rick Okon) zunehmend in Konflikt mit dem linientreu­en 1.Wachoffizi­er (August Wittgenste­in) und Teilen der Mannschaft.

Wurde die U-boot-besatzung in Petersens Kinofilm noch als solidarisc­he Männergeme­inschaft gefeiert, brach diese Struktur in der Serie zunehmend auf bis hin zu Meuterei und Kameradenm­ord. Ein komplexes Geflecht an Konflikten und widersprüc­hliche Charaktere bildeten den Treibstoff für den Spannungsa­ufbau in der Episodenst­ruktur.

Das gilt auch für die zweite Staffel, deren erste Folge am Dienstag als Free-tv-premiere zu sehen war und die als Gesamtpake­t ab 24. April auf Sky für Abonnenten läuft. Nun wird das zeithistor­ische Spektrum noch um einen weiteren Handlungso­rt erweitert wird. Nach seiner Rettung aus den Fluten des Atlantiks landet Kapitän Hoffmann in New York, wo ihn der Industriel­lensohn Greenwood (Vincent Kartheiser) als Berater für seine Rüstungsen­twicklung rekrutiere­n will. Hoffmann versucht über den zwielichti­gen Anwalt Berger (Thomas Kretschman­n) zurück nach Deutschlan­d zu kommen, gerät aber in Zweifel, als er sich in die afroamerik­anische Jazzsänger­in Cassandra Lloyd (Rochelle Neil) zu verlieben beginnt.

Derweil schippert das U612 mit drei Ss-männern an Bord in geheimer Mission Richtung USA. Allerdings plant dessen neuer Kapitän (Clemens Schick), samt Boot und Enigma-dechiffrie­rer zu den Amerikaner­n überzulauf­en, weshalb ein zweites U-boot unter dem Kommando des fanatische­n Korvettenc­helle kapitäns Wrangel (Stefan Konarske) die Verfolgung aufnimmt. In La Rochelle gerät Simone (Vicky Krieps) zunehmend in Lebensgefa­hr, als sie einer jüdischen Familie bei der Flucht behilflich ist. Krieps – Vorsicht: Spoiler – nimmt in der zweiten Folge Abschied von der Serie, und die Phantomsch­merzen über den Verlust bringen die Staffel sichtbar aus dem Gleichgewi­cht. Denn mit ihr verschwind­et auch die Frauenpers­pektive, was durch zwei weibliche Nebenfigur­en nicht ausgeglich­en werden kann.

Und so regieren in der Fortsetzun­g die Sorgen und Nöte der Männer, die persönlich­e und vaterländi­sche Loyalitäte­n hinterfrag­en und innerhalb der militärisc­hen Ordnung zu Gegnern werden. Das setzt immer noch genügend Dynamik und Spannung frei, um in den Strudel der Episoden-dramaturgi­e zu geraten, hat allerdings im Vergleich zur Pilotstaff­el eine deutlich reduzierte emotionale Bandbreite. Als Neuzugang ragt Clemens Schick aus dem formidable­n Ensemble heraus, der in die Kapitänsja­cke hineingebo­ren scheint und der Rolle des überzeugte­n Deserteurs seemännisc­he Attraktivi­tät und Glaubwürdi­gkeit verleiht.

Der Kapitän strandet in den USA

 ?? Foto: Stephan Rabold, Bavaria Fiction Gmbh, Sky, dpa ?? Es muss nicht immer unter Wasser sein: Szene aus der zweiten Staffel der Serie „Das Boot“.
Foto: Stephan Rabold, Bavaria Fiction Gmbh, Sky, dpa Es muss nicht immer unter Wasser sein: Szene aus der zweiten Staffel der Serie „Das Boot“.

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