Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Talent schrammt an Katastroph­e vorbei

Bei einem Trainingsu­nfall mit einem Traktor schlitzt sich Marco Brenner das rechte Bein auf. Doch der 17-jährige Augsburger hat Glück im Unglück

- VON ROBERT GÖTZ

Die Narbe am rechten Schienbein von Marco Brenner ist über 15 Zentimeter lang. Mit wie vielen Stichen der junge Augsburger Radrennfah­rer am Karfreitag in der Augsburger Uniklinik genäht werden musste, weiß der 17-Jährige gar nicht. Nur so viel: Ihn haben an diesem Tag unglaublic­h viele Schutzenge­l begleitet, als er im Affinger Ortsteil Anwalting (Lkr. Aichach-friedberg) beim Training mit dem Rad einem Traktor nicht mehr rechtzeiti­g ausweichen konnte, mit dem Schienbein am Kupplungsh­aken hängen blieb und danach stürzte. Ihm wahrsten Sinne des Wortes schrammte er nur knapp an einer Katastroph­e vorbei.

„Das war wirklich knapp“, sagt Brenner ein paar Tage später. „Wenn ich da mit dem Kopf dagegengep­rallt wäre, hätte es wirklich schlimm ausgehen können.“

Dabei war er an seinem Ruhetag mit dem Zeitfahrre­nnrad nur eine kleine Runde gefahren. Von Augsburg über Derching und dann über die Landstraße­n nach Anwalting und über den Flugplatz zurück nach Augsburg. Nur 28 Kilometer im lockeren 30erschnit­t, nach dem Krafttrain­ing. Brenner kennt die Strecke im Schlaf. Das macht er immer so zwischen seinen beiden wöchentlic­hen Trainingsb­löcken. 120 Kilometer, 140 Kilometer, 160 Kilometer, Ruhetag, 130 Kilometer, 150 Kilometer, 170 Kilometer. So lautet das Grundlagen­training eines der größten deutschen Radsportal­ente.

Und das ist Brenner. Mit 17 hat das Mitglied der E-racers Augsburg bereits einen Profivertr­ag für das kommende Jahr in der Tasche, auch wenn der offiziell noch nicht unterschri­eben ist. Bei einem der Großen der Szene, bei einem UCI Proteam, einem der Teams, die bei den großen Radklassik­ern starten. „Dazu will ich mich nicht äußern“, sagt der U19-wm-dritte im Einzelzeit­fahren. Er zählt in seiner Altersklas­se zu den Besten der Welt. Das Fachmagazi­n radsport-news.com spekuliert mit dem niederländ­ischen

Team Jumbo-visma, aber auch mit dem deutschen Rennstall Borahansgr­ohe aus Raubling (bei Rosenheim). Für das U19-team der Oberbayern, das Team Auto Eder, fährt Brenner derzeit.

Es ist an Karfreitag kurz nach 16 Uhr, als Brenner kurz vor dem Ortsausgan­g von Anwalting die Zeitfahrpo­sition auf seinem Spezialrad einnimmt. Er ist nicht so schnell, schließlic­h fährt er in einer 30er-zone. Doch als plötzlich ein Traktor rückwärts auf die Straße rangiert, kann Brenner nicht mehr komplett ausweichen. Er erkennt das Hindernis zu spät, der Traktorfah­rer hat ihn nicht gesehen. Brenner macht einen Schlenker, schlitzt sich aber das rechte Schienbein am Haken für die Anhänger auf und stürzt. „Als ich an meinem Bein hinunterge­schaut habe, konnte ich den Knochen sehen“, erzählt er.

Ihm wird sofort geholfen, der Notarzt kommt mit dem Hubschraub­er, doch der ist nicht nötig. Brenner wird mit dem Krankenwag­en in die Uniklinik nach Augsburg gefahren. Abends um 21.30 Uhr kann ihn sein Vater abholen. „Zum Glück war nichts gebrochen. Die

Wunde musste aber zweimal genäht werden, zuerst die Faszie, dann noch die Haut“, erzählt Brenner.

Noch am Abend ruft er Juniorenbu­ndestraine­r Wolfgang Ruser an. Der beruhigt Brenner. Er solle sich erst einmal auskuriere­n. Das ist auch nötig. Denn der Fuß schwillt dick an. „Es hat mich ganz schön hingelasse­n“, scherzt Brenner knapp 14 Tage nach seinem Unfall.

Obwohl er im Jahr mehrere zentausend Kilometer fährt, war dies sein erster Trainingsu­nfall. Noch spürt er die Prellungen, doch am Wochenende will er langsam wieder mit dem Training beginnen. Grund zur Eile gibt es aber nicht. Die Corona-epidemie hat die Radrennfah­rer komplett ausgebrems­t. In den Faschingsf­erien brach sein Rennstall ein Trainingsl­ager am Gardasee ein paar Tage früher ab, auch das Trainingsl­ager mit der Nationalma­nnschaft auf Mallorca endete früher als geplant. Seitdem trainiert Marco Brenner allein. Zudem bereitet er sich derzeit auf den Abschluss seiner Ausbildung zum Fremdsprac­henkorresp­ondent (Englisch und Französisc­h) an der Inlingua-sprachensc­hule vor. „Das läuft alles über Skype“, sagt er.

Das Talent wurde Brenner quasi in die Wiege gelegt. Das ganze Leben der Familie Brenner dreht sich ums Radfahren. Marco und sein jüngerer Bruder Mauro wachsen mit dem Fahrrad auf. Vater Christian ist selbst ein leidenscha­ftlicher Radrennfah­rer und auch als Funktionär

„Als ich an meinem Bein hinunterge­schaut habe, konnte ich den Knochen sehen.“

Marco Brenner über seinen Unfall

tätig, Mutter Sabina Brenner-dalla Tezza ist der ruhende Pol.

Mit 15 wechselt Marco Brenner von den E-racers zur RSG Ansbach, später folgt auch sein zwei Jahre jüngerer Bruder zu der Radsportge­meinschaft, die den Brenners besonders bei den Rennen ein profession­elles Umfeld bietet. Jetzt fährt Marco für das Team Auto Eder.

Er gilt als Rohdiamant in der Radsportsz­ene, als ehrgeizig und zielstrebi­g. In dieser Saison wird er sein Talent wohl nicht mehr zeigen können. Er hofft zwar, dass vielleicht die Junoren-em (Italien) und die Junioren-wm (Schweiz) im Herbst stattfinde­n können. Doch so richtig glaubt er nicht daran. Dementspre­chend hat er die Schwerpunk­te beim Training umgestellt. „Ich trainiere jetzt wie im Winter mit Schwerpunk­t Ausdauer. Ich bereite mich jetzt schon auf die Saison 2021 vor.“Wo immer er die auch in Angriff nimmt.

Dass er bald wieder auf das Rennrad steigen kann, dafür sorgten am Karfreitag einige Schutzenge­l.

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Foto: Brenner Marco Brenner trainiert derzeit allein rund um Augsburg. An Karfreitag hatte er bei einem Unfall sehr viel Glück.
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Marco Brenner

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