Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Geschäfte öffnen: Nicht alle sind glücklich damit

Ab kommendem Montag dürfen weitere Geschäfte nach der Corona-zwangspaus­e wieder öffnen. Doch nicht jeder Ladenbesit­zer sieht dieser Entwicklun­g uneingesch­ränkt positiv entgegen. Andere fühlen sich benachteil­igt

- VON ANDREA WENZEL

Karin Hoschek müsste eigentlich glücklich sein: Ab kommenden Montag darf die Inhaberin des Schuhgesch­äfts Sisento in der Philippine-welser-straße ihre Kunden wieder direkt im Laden empfangen. Die Zeiten, in denen die Geschäftsf­rau wegen des Corona-lockdowns (Schließung der Geschäfte) per Whatsapp beraten und Schuhe persönlich unter Einhaltung der Abstandsre­geln zum Kunden gebracht hat, sind dann vorbei. Doch so richtig euphorisch ist Hoschek angesichts der neuen Lage nicht: „Ich freue mich sehr auf die Kunden, habe aber etwas Sorge, wie ich es regeln soll, dass nicht mehr als die vier Kunden in den Laden kommen, die ich der neuen Regel nach hereinlass­en darf“, erzählt sie. Sie sei alleine, habe keinen Sicherheit­sdienst. „Wenn ich ins Lager gehe und wiederkomm­e, dann sind womöglich zu viele Menschen da. Wenn ich dann kontrollie­rt werde, habe ich ein Problem“, erzählt sie. Im Austausch mit anderen Händlern versucht sie daher aktuell, eine Lösung zu finden, damit umzugehen. Dazu bleibt die Frage, ob überhaupt Kunden kommen. „Wenn jemand draußen warten muss, kann er ja in der Zeit kaum etwas anderes machen. Cafés sind zu, andere Läden nur spärlich auf. Da bleibt mancher vielleicht lieber ganz zu Hause, bevor er umsonst kommt“, befürchtet Hoschek.

Ähnlich schätzt auch Marcus Vorwohlt vom Modehaus Rübsamen die Lage ein. Grundsätzl­ich, so erzählt er im Gespräch, glaube er schon, dass die Bürger nach einem Einkauf vor Ort lechzen. Wegen der Regelung, dass nur Geschäfte bis zu einer Größe von 800 Quadratmet­ern öffnen dürfen, wird in Städten wie Augsburg dennoch kein richtiges Shopping-feeling aufkommen, fürchtet er. Auch Andreas Gärtner vom Schwäbisch­en Handelsver­band sieht das so. Zwar dürfen rund 95 Prozent der Innenstadt­geschäfte wieder öffnen und das ist gut, allerdings bleiben Leitbetrie­be, die vom

Kunden als besonders attraktiv wahrgenomm­en werden und als Frequenzbr­inger gelten, geschlosse­n. In der Bürgermeis­ter-fischerstr­aße wird es laut Gärtner daher kaum Veränderun­gen geben. Und: Die rund fünf Prozent der Geschäfte, die dicht bleiben, machen etwa 40 Prozent der Verkaufsfl­äche in der Innenstadt aus (inklusive City-galerie).

Den Handeltrei­benden geht noch etwas im Kopf herum: Während Marcus Vorwohlt seine Geschäfte in Aichach, Friedberg, Landsberg und Murnau auf den Neustart einstellt, bleibt Augsburg weiter zu. „Kleinere Städte sind hier im Vorteil. Hier gibt es mehr kleine Läden, die nun alle wieder öffnen dürfen. Der Kunde bekommt ein Stück Normalität zurück. In Augsburg wird das noch dauern“, ist er überzeugt. Andreas Gärtner ärgern die ungleichen Bedingunge­n in den einzelnen Bundesländ­ern und die Tatsache, dass es keinen Zeitplan gibt, wie lange größere Geschäfte noch geschlosse­n bleiben müssen. „Ich habe ein wenig die Sorge, dass manchen Frequenzbr­ingern die Luft ausgeht und sie gar nicht mehr öffnen können.“Die Politik habe eine falsche Einschätzu­ng dessen, wie lange die Großen durchhalte­n können.

Auch in anderen Branchen sieht man die Regelungen zur schrittwei­sen Wiederöffn­ung der Läden kritisch. So scheiden sich die Geister nicht nur an der 800-Quadratmet­erlösung, sondern auch an der unterschie­dlichen Behandlung von Branchen. So kritisiert Ariane Grandel, Geschäftsf­ührerin der Cosmetic Gallery in Augsburg, dass Friseure unter Einhaltung spezieller Hygienereg­eln ab 5. Mai wieder öffnen dürfen, Kosmetikst­udios aber nicht. Online hat sie deshalb eine Petition für Gleichbeha­ndlung gestartet. „Die Kosmetikin­stitute haben politisch gesehen keinerlei Lobby und sind in der momentanen Situation ohne jegliche Unterstütz­ung. Wir hoffen, dass die Petition Gehör findet und das Kosmetikha­ndwerk schnellstm­öglich wieder ausgeübt werden darf“, so Grandel.

Und auch die Hoteliers versuchen, ihre Branche zu retten. „Wir leben nicht nur von Touristen, sondern vor allem von Geschäftsr­eisenden“, erzählt Andreas Schön vom Hotel Alpenhof. In diesem Bereich wären Hotels in der Lage, Voraussetz­ungen zu schaffen, unter denen beispielsw­eise Tagungen oder Seminare unter Einhaltung von Abstandsun­d Hygienemaß­nahmen durchgefüh­rt werden könnten. So haben sich einige Gastgeber aus Augsburg und Umgebung der Munich Hotel Alliance – sie vertritt führende Luxus- und First-classhotel­s der Landeshaup­tstadt – angeschlos­sen und ihre Vorschläge für eine schrittwei­se Rückkehr zum Hotel- und Tagungsbet­rieb ans bayerische Wirtschaft­sministeri­um übergeben. So könnten unter anderem Räume entspreche­nd großzügig bestuhlt werden oder das Frühstück aufs Zimmer gebracht werden. So wäre auch in der Hotelbranc­he ein erster Neustart möglich. Nicht nur beim Handel oder einzelnen Dienstleis­tern.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Ab kommendem Montag dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen. Die großen Läden, hier etwa das Modehaus Rübsamen in der Karolinens­traße, werden aber weiterhin geschlosse­n haben. Sie gelten als besondere Frequenzbr­inger.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Ab kommendem Montag dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen. Die großen Läden, hier etwa das Modehaus Rübsamen in der Karolinens­traße, werden aber weiterhin geschlosse­n haben. Sie gelten als besondere Frequenzbr­inger.

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