Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Geschäfte öffnen: Nicht alle sind glücklich damit
Ab kommendem Montag dürfen weitere Geschäfte nach der Corona-zwangspause wieder öffnen. Doch nicht jeder Ladenbesitzer sieht dieser Entwicklung uneingeschränkt positiv entgegen. Andere fühlen sich benachteiligt
Karin Hoschek müsste eigentlich glücklich sein: Ab kommenden Montag darf die Inhaberin des Schuhgeschäfts Sisento in der Philippine-welser-straße ihre Kunden wieder direkt im Laden empfangen. Die Zeiten, in denen die Geschäftsfrau wegen des Corona-lockdowns (Schließung der Geschäfte) per Whatsapp beraten und Schuhe persönlich unter Einhaltung der Abstandsregeln zum Kunden gebracht hat, sind dann vorbei. Doch so richtig euphorisch ist Hoschek angesichts der neuen Lage nicht: „Ich freue mich sehr auf die Kunden, habe aber etwas Sorge, wie ich es regeln soll, dass nicht mehr als die vier Kunden in den Laden kommen, die ich der neuen Regel nach hereinlassen darf“, erzählt sie. Sie sei alleine, habe keinen Sicherheitsdienst. „Wenn ich ins Lager gehe und wiederkomme, dann sind womöglich zu viele Menschen da. Wenn ich dann kontrolliert werde, habe ich ein Problem“, erzählt sie. Im Austausch mit anderen Händlern versucht sie daher aktuell, eine Lösung zu finden, damit umzugehen. Dazu bleibt die Frage, ob überhaupt Kunden kommen. „Wenn jemand draußen warten muss, kann er ja in der Zeit kaum etwas anderes machen. Cafés sind zu, andere Läden nur spärlich auf. Da bleibt mancher vielleicht lieber ganz zu Hause, bevor er umsonst kommt“, befürchtet Hoschek.
Ähnlich schätzt auch Marcus Vorwohlt vom Modehaus Rübsamen die Lage ein. Grundsätzlich, so erzählt er im Gespräch, glaube er schon, dass die Bürger nach einem Einkauf vor Ort lechzen. Wegen der Regelung, dass nur Geschäfte bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern öffnen dürfen, wird in Städten wie Augsburg dennoch kein richtiges Shopping-feeling aufkommen, fürchtet er. Auch Andreas Gärtner vom Schwäbischen Handelsverband sieht das so. Zwar dürfen rund 95 Prozent der Innenstadtgeschäfte wieder öffnen und das ist gut, allerdings bleiben Leitbetriebe, die vom
Kunden als besonders attraktiv wahrgenommen werden und als Frequenzbringer gelten, geschlossen. In der Bürgermeister-fischerstraße wird es laut Gärtner daher kaum Veränderungen geben. Und: Die rund fünf Prozent der Geschäfte, die dicht bleiben, machen etwa 40 Prozent der Verkaufsfläche in der Innenstadt aus (inklusive City-galerie).
Den Handeltreibenden geht noch etwas im Kopf herum: Während Marcus Vorwohlt seine Geschäfte in Aichach, Friedberg, Landsberg und Murnau auf den Neustart einstellt, bleibt Augsburg weiter zu. „Kleinere Städte sind hier im Vorteil. Hier gibt es mehr kleine Läden, die nun alle wieder öffnen dürfen. Der Kunde bekommt ein Stück Normalität zurück. In Augsburg wird das noch dauern“, ist er überzeugt. Andreas Gärtner ärgern die ungleichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern und die Tatsache, dass es keinen Zeitplan gibt, wie lange größere Geschäfte noch geschlossen bleiben müssen. „Ich habe ein wenig die Sorge, dass manchen Frequenzbringern die Luft ausgeht und sie gar nicht mehr öffnen können.“Die Politik habe eine falsche Einschätzung dessen, wie lange die Großen durchhalten können.
Auch in anderen Branchen sieht man die Regelungen zur schrittweisen Wiederöffnung der Läden kritisch. So scheiden sich die Geister nicht nur an der 800-Quadratmeterlösung, sondern auch an der unterschiedlichen Behandlung von Branchen. So kritisiert Ariane Grandel, Geschäftsführerin der Cosmetic Gallery in Augsburg, dass Friseure unter Einhaltung spezieller Hygieneregeln ab 5. Mai wieder öffnen dürfen, Kosmetikstudios aber nicht. Online hat sie deshalb eine Petition für Gleichbehandlung gestartet. „Die Kosmetikinstitute haben politisch gesehen keinerlei Lobby und sind in der momentanen Situation ohne jegliche Unterstützung. Wir hoffen, dass die Petition Gehör findet und das Kosmetikhandwerk schnellstmöglich wieder ausgeübt werden darf“, so Grandel.
Und auch die Hoteliers versuchen, ihre Branche zu retten. „Wir leben nicht nur von Touristen, sondern vor allem von Geschäftsreisenden“, erzählt Andreas Schön vom Hotel Alpenhof. In diesem Bereich wären Hotels in der Lage, Voraussetzungen zu schaffen, unter denen beispielsweise Tagungen oder Seminare unter Einhaltung von Abstandsund Hygienemaßnahmen durchgeführt werden könnten. So haben sich einige Gastgeber aus Augsburg und Umgebung der Munich Hotel Alliance – sie vertritt führende Luxus- und First-classhotels der Landeshauptstadt – angeschlossen und ihre Vorschläge für eine schrittweise Rückkehr zum Hotel- und Tagungsbetrieb ans bayerische Wirtschaftsministerium übergeben. So könnten unter anderem Räume entsprechend großzügig bestuhlt werden oder das Frühstück aufs Zimmer gebracht werden. So wäre auch in der Hotelbranche ein erster Neustart möglich. Nicht nur beim Handel oder einzelnen Dienstleistern.