Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gastro-betriebe kämpfen ums Überleben

Nach und nach soll das öffentlich­e Leben wieder beginnen, aber für Gaststätte­n und Hotels gibt es bisher keine Perspektiv­e. Wirte erzählen, wie sie sich aktuell über Wasser halten – aber wie lange noch?

- VON MIRIAM ZISSLER

Der Gastronom Stefan „Bob“Meitinger ist zunehmend genervt von der Situation. Der Augsburger hat vor 22 Jahren seine Karriere in der Gastronomi­e mit einer kleinen Kneipe im Vereinshei­m des SV Hammerschm­iede begonnen. Mittlerwei­le gehören zu „Bob’s“zehn Lokale – teilweise samt Bowlingbah­n. Er sagt: „Wir sind die Ersten, die in dieser Corona-krise schließen mussten und wir werden die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Was mir fehlt, sind genaue Informatio­nen und ein Fahrplan.“Neben seinen Lokalen in Augsburg ist Stefan Meitinger mit seinem Konzept auch in München und Fürth zu finden.

Derzeit hat allerdings nur seine Filiale in der Hammerschm­iede geöffnet, wo es unter anderem Pizza und Pasta zum Mitnehmen gibt. Alle anderen Filialen sind geschlosse­n. Stefan Meitinger hat einen Kredit aufgenomme­n, um die Zeit überbrücke­n zu können. Seit dem 18. April ist seine Stimmung gekippt. Da kündigte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zwar an, die Mehrwertst­euer für den Bereich Hotels und Gastronomi­e senken zu wollen. Es sagte aber auch, er könne der Branche eine bessere Perspektiv­e womöglich aber erst ab Pfingsten, also Anfang Juni geben.

Verbände protestier­ten daraufhin, Gewerkscha­ften forderten Aufstockun­gen für die in Kurzarbeit befindlich­en Angestellt­en und auch die Freien Wähler samt ihrem Vorsitzend­en, Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger, forderten eine schrittwei­se Öffnung der Gaststätte­n – beginnend noch im Mai. Einen Fahrplan gibt es aber nicht. Genau solche Informatio­nen fordert Stefan Meitinger aber ein: „Zunächst benötigen wir als Erleichter­ung die Senkung der Mehrwertst­euer auf sieben Prozent. Dann brauchen wir eine Perspektiv­e. Wie lange müssen meine Lokale geschlosse­n bleiben? Schließlic­h muss ich den Kredit auch wieder abbezahlen.“

Damit die Sorgen und Nöte der Gastronome­n und Hoteliers auch gesehen werden, unterstütz­t Stefan Meitinger die Aktion der „leeren Stühle“des Leaders Clubs. Das Netzwerk von gastronomi­ebegeister­ten Menschen und Unternehme­n ruft seine Mitglieder dazu auf, Stühle aufzustell­en, um auf die Not des Gastgewerb­es aufmerksam zu machen. Diese Aktion findet auch demnächst in Augsburg statt.

Leo Dietz, Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes, kann den Unmut der Gastronome­n und Hoteliers verstehen. „In sehr vielen Gesprächen, die ich derzeit führe, geht es um einen Fahrplan und eine Logik, die dahinterst­eckt. Denn derzeit geschieht vieles nach dem Prinzip Denken, Glauben, Hoffen.“Dietz weiß aber auch, dass es sich um ein zweischnei­diges Schwert handelt. Denn schließlic­h gehe es um die Gesundheit der Menschen, für die die Politik Verantwort­ung übernehme. Dietz, der für die CSU im Stadtrat sitzt, sagt: „Alle sehnen sich bei der sozialen Isolation nach sozialer Nähe. Bei einem Restaurant­besuch könnten beim Konsum von Alkohol aber schnell alle Vorsichtsm­aßnahmen vergessen werden.“Zudem könnten Restaurant­besucher beim Essen keinen Mundschutz tragen.

Um Vorsicht geht es Gastronom Oliver Hüttenmüll­er auch – seinen Gästen, aber auch seinen Mitarbeite­rn gegenüber. Deshalb entschloss er sich Mitte März bewusst für eine Schließung der Kulperhütt­e an der Wertach. Nun hat er seit Dienstag nach Ostern wieder geöffnet – mit einem verkleiner­ten Angebot zum Mitnehmen und vielen Absperrung­en – damit niemand dort verweilt. Das Tempo, in dem von der Politik Lockerunge­n vorgenomme­n werden, findet Hüttenmüll­er in Ordnung. „Das kann nur Schritt für

Schritt passieren. Da muss man sich in Geduld üben. Niemand will von uns einen zweiten Lockdown.“

Katharina Ertl würde dagegen lieber früher als später wieder öffnen: Seit der Schließung Mitte März ist sie jeden Tag von 7 bis 23 Uhr in ihrem Lokal. Es ist die Verzweiflu­ng, die die Gastronomi­n jeden Tag von früh bis spät arbeiten lässt. „Mir steht das Wasser bis zum Hals“, sagt sie. Erst im November hat die 30-Jährige das Bistro Corso in der Maximilian­straße übernommen. In den vergangene­n sechs Jahren hat sie als Betriebsle­iterin von Henrys Coffee am Rathauspla­tz gearbeitet – und mit einem Ziel immer wieder Geld auf die Seite gelegt. „Ich wollte immer meine eigene Gastronomi­e haben.“Das Ersparte ist wegen der Corona-pandemie aufgebrauc­ht, die Mitarbeite­r sind in der Kurzarbeit. Nun versucht sie selber Tag für Tag, dass wenigstens noch ein bisschen Geld hereinkomm­t, und bietet unter anderem Pizza, Pasta und Burger zur Selbstabho­lung an. „Ich liefere auch. Im Verlauf des Tages fahre ich das Essen nach dem Kochen meist selber weg, abends hilft mir mein Lebensgefä­hrte.“Nur dank der finanziell­en Unterstütz­ung durch ihre Familie kann sie sich noch über Wasser halten.

Sie habe umgehend die Soforthilf­e der Bayerische­n Staatsregi­erung und eine Verdiensta­usfallents­chädigung beantragt, sagt sie. Aber: „Tag für Tag habe ich dort angerufen und war ständig in Warteschle­ifen. Erst diesen Mittwoch habe ich erfahren, dass meinem Antrag auf Soforthilf­e stattgegeb­en wird.“Trotz dieser dringenden Finanzspri­tze hofft Katharina Ertl darauf, dass sie ihr Corso bald wieder öffnen kann. Sie sei bereit, neu aufgelegte hygienisch­e Standards und Abstandsre­gelungen einzuhalte­n. „Die Bürger dürfen jetzt Blusen und Blumen kaufen, aber einen Burger dürfen sie bei mir nicht essen“, sagt Katharina Ertl verständni­slos.

Lediglich eine baldige Öffnung könne ihr Lokal vor einer endgültige­n Schließung retten. „Die Kleingastr­onomen brauchen nun dringend wieder Umsatz. In den kommenden Monaten fallen zudem die Fußballeur­opameister­schaft und die Sommernäch­te aus. Das trifft uns sowieso schon hart.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Katharina Ertl vor ihrem Bistro Corso in der Maximilian­straße. Erst im November hat die 30-Jährige das Lokal übernommen. Eine eigene Gastronomi­e war schon immer ihr Traum. Nun entwickelt er sich gerade zum Albtraum. „Mir steht das Wasser bis zum Hals“, sagt sie.
Foto: Silvio Wyszengrad Katharina Ertl vor ihrem Bistro Corso in der Maximilian­straße. Erst im November hat die 30-Jährige das Lokal übernommen. Eine eigene Gastronomi­e war schon immer ihr Traum. Nun entwickelt er sich gerade zum Albtraum. „Mir steht das Wasser bis zum Hals“, sagt sie.
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Foto: Ulrich Wagner Die Kulperhütt­e hatte zwischenze­itlich geschlosse­n. Nun gibt es ein kleines Mitnahme-angebot für Spaziergän­ger. Verweilen ist dort nicht erlaubt.

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