Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was dahintersteckt
Die Nazis erklärten den Tag zwar zum offiziellen Feiertag und missbrauchten ihn zu Propagandazwecken. Erfunden haben sie ihn aber keineswegs.
Die Verehrung mütterlicher Tugenden geht bis in die Antike zurück. Bei ihren Frühlingsfesten huldigten die Griechen Rhea, der Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit. Britische Historiker berichten vom „Mothering Day“, dessen Tradition, zunächst „Mutter Kirche“gewidmet, im Mittelalter begann. Später durften an diesem Tag im Frühling Kinder im Dienste wohlhabender Familien zu ihren Müttern zurückkehren. Als Geschenk brachten sie ihnenunterwegs gepflückte Blumen mit. Der Muttertag in seiner modernen Form entstand in den USA, wo die Dichterin und Frauenrechtlerin Julia Ward Howe 1870 angesichts von Krieg und Sklaverei einen „Muttertag des Friedens“forderte – eine Idee, die Jahrzehnte später die Feministin Anna Jarvis aufnahm. Um ihre gestorbene Mutter zu ehren und auf Probleme von Frauen aufmerksam zu machen, forderte sie 1907 einen Festtag für alle Mütter. Auf Wunsch des Kongresses führte 1914 Us-präsident Woodrow Wilson den zweiten Sonntag im Mai als Ehrentag ein. Bald darauf gelangte die Idee nach Europa – zunächst nach England, Skandinavien und in die Schweiz. In Deutschland gab es den ersten Muttertag am 13. Mai 1923 – initiiert jedoch aus kommerziellen Interessen vom „Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber“. Die Nationalsozialisten erklärten den Tag 1934 zum nationalen Fest, stellten ihn in den Dienst ihrer Propaganda und reduzierten die Rolle der Frau auf ihre Gebärfähigkeit. „Mit jedem Kind, das die Frau der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation“, betonte Adolf Hitler.