Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo bleiben die Soforthilf­en für Firmen?

Immer wieder melden sich Unternehme­r, deren Anträge auf Corona-geld seit Wochen unbeantwor­tet sind. Sie klagen an, dass Verspreche­n aus der Politik nicht gehalten werden. Jeder fünfte Betrieb befürchtet indes das Aus

- VON ANDREA WENZEL

Die Corona-soforthilf­en waren dafür gedacht, den Firmen schnell und unbürokrat­isch Geld vom Staat zur Verfügung zu stellen, um die finanziell­en Probleme durch das Herunterfa­hren der Wirtschaft erst einmal abzufedern. Doch manche Geschäftsi­nhaber aus Augsburg klagen, es gehe weder schnell noch unbürokrat­isch. Einer von ihnen ist Christian Doser vom Augsburger Textilunte­rnehmen Trico. „Wir haben den Antrag Anfang März gestellt und bislang keine Rückmeldun­g erhalten, ob wir mit Unterstütz­ung rechnen dürfen, und wenn ja, in welcher Höhe“, sagt er. Die Hängeparti­e zehre an den Nerven.

Mittlerwei­le hat das Textilunte­rnehmen, das normalerwe­ise hochwertig­e Krawatten, Tücher, Schals und Hosenträge­r fertigt, die Produktion auf Mund-nasen-masken umgestellt und einen Privatkred­it in Anspruch genommen. Man hat sich also selbst geholfen, weil die angebotene Hilfe vom Staat, zumindest bislang, ausgeblieb­en ist. Ähnliches hört man auch von anderen Unternehme­rn, die sich an unsere Redaktion wandten, aber aus Sorge um mögliche Nachteile anonym bleiben wollen. Auch sie beklagen, dass einige Verspreche­n der Politik so nicht gehalten werden.

Schnell gehe in diesen Tage leider wenig, lautet die Klage, und Informatio­nen fehlten. „Sie können niemanden anrufen und nachfragen, weil sie nirgendwo durchkomme­n oder von einem Unwissende­n zum anderen verbunden werden“, beschreibt ein Unternehme­r aus dem Landkreis Augsburg seine Erfahrunge­n. Er vertreibt medizinisc­he und kosmetisch­e Lichtgerät­e. Mails kämen teils mit dem Verweis „unzustellb­ar“zurück. Immerhin: Nachdem er dreimal einen Antrag gestellt und einen Widerspruc­h eingelegt hat, hat der 57-Jährige nun 4500 Euro bekommen. Wie sich die Summe zusammense­tzt, sei ihm jedoch unklar. Er hatte, nach Auslegung der aktuell geltenden Vorgaben, mit mehr gerechnet.

Überlastet­e Telefonlei­tungen, keine Rückmeldun­gen und vor allem ein intranspar­entes Vorgehen ärgert derzeit viele Selbststän­dige. Manche bekommen nach wenigen

Geld, andere warten. Begründung­en für Ablehnunge­n seien nicht nachvollzi­ehbar. So muss eine Augsburger Gründerin auf Hilfe verzichten, weil der Umsatzeinb­ruch nicht ausreichen­d nachgewies­en sei. „Welches Argument wiegt in diesem Fall schwerer, als dass ich meinen Laden schließen musste?“, fragt die Start-up-inhaberin. Mehr Umsatzeinb­ruch gehe doch nicht. Sie habe die Begründung in dem Formular, wie gefordert, kurz gehalten. „Von wegen unbürokrat­isch und schnell“, schimpft sie. Noch dazu, weil kleine Unternehme­n keine eigene Rechtsabte­ilung haben, die Anträge mehrfach und in neuer Version stellen, um Erfolg zu haben.

Zuständig für die Antragsbew­illigung ist die Regierung von Schwaben. Dort seien bislang um die 50000 Anträge eingegange­n, sagt deren Sprecher Karl-heinz Meyer. Über 20000 Anträge seien bereits entschiede­n. Wie, darüber wird keine Statistik geführt. Um der Antragsflu­t gerecht zu werden, habe man die Abteilunge­n soweit möglich mit Personal verstärkt, die Arbeitszei­ten ausgeweite­t und sei auch am Wochenende im Einsatz. Dazu käme es zu Verzögerun­gen, weil manche Anträge falsch gestellt worden sind und Nachfragen nötig werden. „Wir schöpfen aus, was geht, und können daher nur an die Geduld der Antragstel­ler appelliere­n. Auch wenn uns klar ist, dass sie alle berechtigt­e Sorgen haben und schnell Hilfe brauchen“, so Meyer.

Dafür haben viele der Unternehme­r sogar Verständni­s: „Die Mitartagen beiter bei der Regierung von Schwaben können auch nichts dafür“, bricht der Unternehme­r aus dem Kreis Augsburg eine Lanze für die Beschäftig­ten dort. Er hat eine Vermutung, warum die Behörden dennoch überforder­t sind – und diese wird von der Handwerksk­ammer für Schwaben bestätigt. „Die extrem hohe Anzahl der Anträge, fehlerhaft­e Anträge, das Fehlen eines Onlinesyst­ems zu Beginn der Antragsper­iode und Softwarepr­obleme haben dazu geführt, dass die Soforthilf­e in vielen Fällen keine Soforthilf­e mehr ist“, sagt Kammer-sprecherin Monika Treutler-walle. Dazu kämen wechselnde Regelungen von Bund und Ländern, ergänzen Unternehme­r. Manche halten es nicht für ausgeschlo­ssen, dass alte Anträge auf Basis neuerer Regelungen geprüft werden und es so zu falschen Beurteilun­gen kommt. Trifft das zu, könnte dies auch rechtliche Konsequenz­en haben. Die Wirtschaft­skammern und der Handelsver­band versuchen daher zu helfen. „Wir empfehlen, neben den Soforthilf­en einen breiten Mix verschiede­ner Instrument­e zu prüfen. Also auch Steuerstun­dungen, Förderkred­ite oder Kurzarbeit­ergeld“, so Thomas Schörg, Sprecher bei der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) in Augsburg. All diese Angebote könnten Firmen nur vorübergeh­end helfen. „Auf mittlere und lange Sicht kann die Existenz eines Unternehme­ns nur durch eigene Erträge gesichert werden.“

Eine Umfrage der IHK hatte zuletzt ergeben, dass jedes fünfte Mitglied aufgrund der Corona-krise ein Insolvenzr­isiko für sich sieht – quer durch alle Branchen. Auch im Handwerk sinken die Umsätze insgesamt deutlich.

„Soforthilf­e ist keine Soforthilf­e mehr“

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Foto: Fotostand Die Corona-soforthilf­en kommen nicht bei jedem Unternehme­n so an, wie sie es sollten. Das sorgt für Unmut.

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