Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tui streicht 8000 Stellen

In einigen Regionen Europas könnte es bald wieder losgehen, hofft der weltgrößte Reiseanbie­ter. Doch für die Mitarbeite­r gibt es schlechte Nachrichte­n. Denn der Konzern verliert jeden Monat einen dreistelli­gen Millionenb­etrag

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Hannover Der Reisekonze­rn Tui will Urlauber nach einem verlustrei­chen Winter so bald wie möglich wieder ans Mittelmeer bringen. Die Corona-krise hat das Unternehme­n vor der wichtigen Sommersais­on schwer getroffen: Derzeit verliert Tui jeden Monat eine dreistelli­ge Millionens­umme. Tausende Jobs sollen wegen des steigenden Spardrucks gestrichen werden. Die Lage bleibe unsicher, sagte Vorstandsc­hef Friedrich Joussen am Mittwoch in Hannover: „Es gibt keine Zusagen, keine Planbarkei­t, wann Flugreisen und Schiffsrei­sen aus Deutschlan­d wieder möglich sind.“Dennoch hofft Tui, möglichst große Teile der im März fast komplett eingestell­ten Aktivitäte­n bald wieder aufnehmen zu können. Bisher hat Tui Deutschlan­d alle Reisen bis 14. Juni komplett abgesagt.

Das Sommerprog­ramm des Konzerns ist derzeit nur zu 35 Prozent ausgebucht. „Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern“, sagte Joussen. Optimistis­ch gab sich der Tui-chef mit Blick auf Spanien und Griechenla­nd: Sofern die Infektions­zahlen regional relativ gering blieben, gebe es „keinen Grund, dass man dort nicht hinreisen könnte“. Dabei müsse der Gesundheit­sschutz Priorität haben.

„Der Urlaub in Europa, wenn er denn sicher ist, sollte möglich sein.“Ein gutes Signal sei, dass sich bei den Buchungen für 2021 eine Verdoppelu­ng der Nachfrage abzeichne. Eine „volle Erholung“komme aber wohl erst 2022. In Spanien hatte die Regierung jedoch erst am Dienstag überrasche­nd eine zweiwöchig­e Quarantäne für alle Einreisend­en aus dem Ausland verhängt.

Bei Tui Deutschlan­d sind bereits viele Beschäftig­te in Kurzarbeit. Der Konzern will die Verwaltung­skosten nun um 30 Prozent drücken. Joussen sagte bei der Vorlage der jüngsten Geschäftsz­ahlen: „Weltweit wird das Auswirkung­en auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen.“Die Pläne für einen schärferen Sparkurs werden damit konkreter. „Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehe­n“, erklärte Joussen. „Aber sie wird eine andere Tui sein und ein anderes Marktumfel­d vorfinden als vor der Pandemie.“Im ersten Geschäftsh­albjahr (Oktober bis März) verbuchte der Konzern unterm Strich 892,2 Millionen Euro Verlust und war damit mehr als zweieinhal­b Mal so tief in den roten Zahlen wie im Vorjahresz­eitraum. Das um Sondereffe­kte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern stürzte um knapp 175 Prozent auf minus 828,7 Millionen Euro ab. Der Umsatz sank leicht um 0,6 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Verluste im Winter sind in der Branche an sich typisch, die Unternehme­n verdienen das meiste Geld im Sommer. Dieser bringt wegen der Viruskrise jetzt aber große Probleme. Flüge und Kreuzfahrt­en fallen aus, viele Länder haben das öffentlich­e Leben eingeschrä­nkt. Den Hotelbetri­eb will Tui schrittwei­se wieder aufnehmen. Zum Schutz vor Infektione­n ist etwa vorgesehen, dass Kunden online einchecken,

Abstandsre­geln greifen oder die Kapazitäte­n von Restaurant­s und Teilnehmer­zahlen von Sport- und Unterhaltu­ngs-events geringer sind.

Die Urlaubsopt­ionen in Deutschlan­d werden mittlerwei­le schrittwei­se wieder geöffnet. Allerdings gelten weiter Einschränk­ungen wie geringere Gästezahle­n. Joussen geht insgesamt von einer Erholung aus: „Sommerurla­ub in Europa kann jetzt schrittwei­se wieder möglich gemacht werden – verantwort­ungsvoll und mit klaren Regeln.“

Um seine Zahlungsfä­higkeit zu sichern, bekommt der Konzern über die staatliche Förderbank KFW einen Kredit von 1,8 Milliarden Euro. Joussen betonte, dies sei wichtig – man müsse aber auch mit neuen Ideen eine rasche Rückkehr zu einem stabilen Geschäft gewährleis­ten. Derzeit flössen monatlich 250 Millionen Euro an Barmitteln ab. Je länger der Reisestopp gelte, desto eher würden auch Kunden ihre Anzahlunge­n zurückford­ern. Der Mittelabfl­uss könne dadurch noch um 100 bis 200 Millionen Euro steigen. „Insofern müssen wir möglichst schnell versuchen, unser Geschäft wieder aufzunehme­n.“

Die Eu-kommission kündigte indes an, gegen Mitgliedst­aaten vorzugehen, die sich über das Recht der Verbrauche­r auf Erstattung für abgesagte Reisen hinwegsetz­en. Auch Deutschlan­d wollte Verbrauche­r ursprüngli­ch verpflicht­en, Gutscheine statt Erstattung zu akzeptiere­n, nahm nach Widerstand aus Brüssel aber Abstand davon.

Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte, dass eine schrittwei­se Aufhebung der weltweiten Reisewarnu­ng für Touristen mit den europäisch­en Ländern beginnen könnte. Einen Zeitpunkt dafür nannte er allerdings nicht. Wo und ab wann wieder Urlaub gemacht werden kann, ist weiter unklar.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Düstere Aussichten für die Reisebranc­he: Tui rüstet sich für einen harten Coronasomm­er und will tausende Stellen abbauen.

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