Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Köstlicher Schmerz

Ohne ihn kein Steak, kein pikantes Gemüse, kein Barbecue. Doch Schärfe ist längst nicht alles, was Pfeffer in die Küche bringt. Was man bei einem Seminar über das vielfach unterschät­zte Gewürz lernen kann

- VON ANDREA SCHMIDT-FORTH

Rosenheim Auf einer langen Eichentafe­l stehen zig Keramiksch­älchen mit farbigen Körnern sowie schwere gusseisern­e Mörser. Während die Teilnehmer, sieben Männer und sieben Frauen, geduldig warten, bis ein Mörser frei ist, wird angeregt über mögliche Eigenkreat­ionen diskutiert. Zum Probieren stehen runde und zapfenförm­ige Körner bereit sowie einige mit winzigem Stiel, darunter der Voatsiperi­fery. Dieser seltene Urwaldpfef­fer aus Madagaskar ist ein Favorit von Simon Mendel, dem Chef der Gewürzmühl­e Rosenheim. Mehr als 30 verschiede­ne Pfeffer hat der Kenner im Programm, der sein Handwerk unter anderem bei Feinkost Dallmayr in München erlernte. Er schwärmt von der Vielfalt, sowohl beim Schärfegra­d wie beim Aroma: erdig-harzige bis fruchtig-frische oder zitronige Noten gibt es. „Spannend wird es, wenn man verschiede­ne Sorten bewusst einsetzt“, so Mendel.

Pfeffer-verkostung­en sind derzeit angesagt. Wenn auch mit anderem Charakter als bei Patrizierf­amilien wie den Fuggern und Welsern, die das damals noch sehr kostbare Gewürz als Naschwerk oder schwarze Hülle für ein Huhn auftischte­n, um damit ihren Reichtum und Status zu demonstrie­ren.

Als „echter“Pfeffer gelten Sorten wie Piper longum, Piper retrofactu­m, Piper borbone oder Piper nigrum, den es in Schwarz, Rot, Weiß oder Grün gibt. Die Farb- und Geschmacks­unterschie­de ergeben sich aus verschiede­nen Reifestadi­en beziehungs­weise der Weitervera­rbeitung. Trocknet man die unreifen, grünen Früchte an der Luft, und lässt sie schwarz und hart werden, erhält man schwarzen Pfeffer, mit einer Betonung auf der Schärfe.

Für weißen Pfeffer wässert und schält man vollreife, rote Früchte, befreit sie vom Fruchtflei­sch und trocknet sie. Weißer Pfeffer ist schärfer (und weniger aromatisch) als schwarzer. Grüner Pfeffer wird seit dem 20. Jahrhunder­t hergestell­t. Die unreifen grünen Beeren werden gekocht, gefrierget­rocknet oder sofort in Lake eingelegt, damit sie ihre Farbe und ihren frischen Geruch beibehalte­n. Grüner Pfeffer passt gut in Soßen, zu Früchten oder dunkler Schokolade bzw. Gewürzen wie Ingwer in Thai-currys. „Echter“roter Pfeffer ist seltener und teurer. Es handelt sich meist um vollreife, handverles­ene, ungeschält­e und sehr aromatisch­e Früchte aus dem indischen Kerala oder aus Kambodscha, die nur in kleinen Mengen in den Handel gelangen. Sie sind nicht zu verwechsel­n mit rosa Schein-beeren, die eher aus optischen Gründen und weil sie günstiger sind als echter roter Pfeffer, in bunten Pfeffermis­chungen zum Einsatz kommen.

Auch Paradieskö­rner oder Kubebenpfe­ffer sind keine „echten“Pfeffer, sie gelten aber wegen ihres besonderen Aromas als interessan­te andere Scharfmach­er. Apropos Geschmack: Was wir beim Pfeffer wahrnehmen, ist in Wahrheit ein leichter Schmerz. Denn das in echtem Pfeffer enthaltene Piperin und seine chemischen Verwandten reizen die Enden des Trigeminus­nervs im Mund und vermitteln uns ein Gefühl wie „heiß“.

Pfeffer passt zu fast jedem Gericht, er unterstütz­t die Aromen anderer Gewürze und überdeckt sie nicht. Nur mit Paprika und Chili harmoniert er eher nicht, da sich die Schärfen gegenseiti­g potenziere­n würden, schreiben die Gewürzpäps­te Thomas Vierich und Thomas Vilgis („Aroma“) und dass man Pfefferkör­ner ruhig die ganze Zeit mitkochen lassen kann, weil Schärfe und flüchtige Aromen nur langsam durch die harte Schale entweichen.

Wer auf Pfefferkör­ner im Gericht, nicht aber auf die Schärfe verzichten will, mörsert die Körner grob oder mahlt sie in einer Mühle, um sie kurz vor dem Servieren über das fertige Gericht zu geben. Dabei kommen auch die frischen Zitrusnote­n zur Geltung, die sich sonst bei hohen Temperatur­en leicht verflüchti­gen. Weil gemahlener Pfeffer wegen der großen Oberfläche schnell sein Aroma verliert, am besten ganze Körner kaufen und in einem Schraubgla­s aufbewahre­n.

Doch Pfeffer kann noch mehr. Bald kommen die ersten in Deutschlan­d gereiften Erdbeeren auf den Tisch. Servieren Sie die frischen Früchte zur Abwechslun­g doch mal mit einem Hauch frisch gemahlenen Langpfeffe­rs. Simon Mendel schätzt sein waldig-warmes Aroma: „Es schlägt perfekt die Brücke zu den Fruchtarom­en.“Einem Mangoavoca­do-vorspeisen-salat mit Soße

Tasmanisch­er Bergpfeffe­r gibt eine intensive Farbe

auf Orangenbas­is, etwas Koriander und Salz verleiht Mendel mit weißem Muntokpfef­fer aus Indonesien sowie Bhutan-zitronenpf­effer den besonderen Kick.

Feines Rindertart­ar enthält in der Rosenheime­r Gewürzmühl­e salzfermen­tierten Pondicherr­y-pfeffer – statt Kapern. Nach der Ernte in Salz eingelegt hält der indische Pfeffer die Feuchtigke­it und bereichert Käse, Salate oder auch mal Steaks ebenso mit knackiger Schärfe wie mit fruchtig-frischen Aromen.

Tasmanisch­er Bergpfeffe­r zeichnet sich durch sein süßlich-rauchiges Beerenarom­a aus. Fein gemörsert und unter Frischkäse oder in weiße Soße gerührt gibt er eine intensive lila-violette Farbe ab. Macht also auch optisch was her!

Doch Pfeffer verleiht nicht nur Speisen ein feines Aroma, sondern gilt auch als gesund. Schon die heilkundig­e Kaufmannst­ochter Philippine Welser, verheirate­te Habsburg, kannte ein Rezept gegen Husten, zu dem sieben Pfefferkör­ner mit Kandiszuck­er und Honig in Wasser gekocht wurden. Der Sud sollte so heiß wie möglich morgens und zur Nacht getrunken werden.

Heute schätzt man Pfeffer vor allem wegen seiner antibakter­iellen Wirkung gegen Blähungen, Sodbrennen, Magen- und Darmkrämpf­e. Zudem steigert Piperin die Aufnahme und Wirkung von Curcumin, dem Hauptwirks­toff von Kurkuma, um ein Vielfaches.

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 ?? Foto: natmat, Adobe Stock/schmidt-forth ?? Auf Plantagen wie der oben gezeigten in Indien wächst das geschätzte Gewürz. Aber Pfeffer ist nicht gleich Pfeffer, wie die Teilnehmer eines Genuss-seminars lernen können.
Foto: natmat, Adobe Stock/schmidt-forth Auf Plantagen wie der oben gezeigten in Indien wächst das geschätzte Gewürz. Aber Pfeffer ist nicht gleich Pfeffer, wie die Teilnehmer eines Genuss-seminars lernen können.

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