Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hennes IX. muss draußen bleiben

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Grob gesehen gibt es zwei Sorten von Fc-köln-fans. Die einen, die unter Overath, Löhr und Weber sozialisie­rt wurden, sind in der Lage, die Reihe der Kölner Geißböcke von Hennes I. bis zum aktuellen Hennes IX. am Geruch zu unterschei­den. Sie sitzen in Führungseb­enen, fahren gehobene Mittelklas­se und haben schon lange vergessen, warum sie mit Köln zittern. Die anderen finden Geißböcke doof. Sie sind mit Lukas Podolski aufgewachs­en und reden auch so. Dazwischen gibt es, neben einigen versprengt­en Verehrern einstiger Kölner Solisten wie Häßler und Littbarski, nicht viel. Richtung Süden schwindet die Strahlkraf­t der Geißbock-elf mit jedem Meter.

Warum jemand sein Herz an einen Klub verloren hat, lässt sich oft nicht mehr beantworte­n. Das macht aber nichts, weil es keine Rolle spielt. Mit der Liebe zu einem Verein verhält es sich wie mit jeder Beziehung. Je länger die Geschichte läuft, umso dunkler wird es um die Anfänge. Was zählt, ist das Jetzt.

Wer meint, er habe damit das Wesen verstanden, sei noch auf Folgendes hingewiese­n: Bei allen Parallelen zu weltlichen Verhältnis­sen ist die Beziehung eines Mannes zu seinem Klub immer etwas Besonderes. Nicht zu vergleiche­n mit der zu einer Frau oder zu einem Auto. Seinen Verein verlässt kein Mensch. Hier gilt lebensläng­lich. Bis dass der Tod sie scheidet.

In seltenen Fällen, von denen der Redaktion keiner bekannt ist, sollen sich Anhänger tatsächlic­h von ihren Klubs getrennt haben. Sie bleiben Singles bis an ihr Ende. Kein Mensch kann sich nach 50 Jahren Leidenscha­ft für den 1. FC Köln als Anhänger der TSG Hoffenheim auf die Straße wagen, ohne seine Glaubwürdi­gkeit zu verlieren.

Das führt dazu, dass auch Köln noch zigtausend­e Anhänger besitzt, obwohl die Beziehung schon lange masochisti­sche Züge hat. Der Klub, der nach seinem Selbstvers­tändnis in die Champions League gehört, ist derzeit auf Platz zehn notiert. Oder, wie die Kölner sagen würden: Er ist Spitzenrei­ter der zweiten Tabellenhä­lfte. So ist das bei einem Verein, der statt eines Adlers oder eines Löwen einen Ziegenbock im Wappen trägt, dessen Spieler folglich als Geißböcke durch die Lande kicken: Es regiert der Übermut.

Der hat nun einen gehörigen Dämpfer erhalten. Gegen Mainz müssen die Kölner zum ersten Mal ohne Hennes IX. antreten. Das Hygienekon­zept der Liga sieht ein Maskottche­nverbot vor. Nie würde Hennes IX. seine Kölner sonst im Stich lassen. Er ist kein Weichei wie sein Vorvorgäng­er Hennes VII., der sich mit einer Arthrose ins Stroh legte. Damals wurde er durch einen Pappkamera­den vertreten. Möge das bitte dem aktuellen Hennes erspart bleiben.

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Foto: dpa Fehlt im Kölner Aufgebot gegen den FSV Mainz 05: Hennes IX.
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