Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gescheiter­te Drogendeal­s bringen Rocker ins Gefängnis

Mitglieder der „United Tribuns“versuchten, kiloweise Amphetamin herzustell­en und zu verkaufen. Vor dem Landgerich­t wurden sie verurteilt. Ihnen droht ein weiterer Prozess.

- VON JAN KANDZORA

Die Einkaufsli­ste war ziemlich ungewöhnli­ch. Im Mai 2019 ging eine Frau in Augsburg auf Shoppingto­ur und besorgte zunächst drei Kilogramm Kreatin, ein Stoff, den manche Sportler für Leistungss­teigerung und Muskelaufb­au nutzen. Danach kaufte sie einen Liter Batteriesä­ure im Baumarkt, dazu zwei Liter Bio-ethanol und dann noch eine Wanne, einen Messbecher für fünf Liter und eine Küchenwaag­e. All die Gegenständ­e benötigte die Frau allerdings nicht für sich selbst. Sie hatte sie für zwei Männer organisier­t, die Teil der eher überschaub­aren Augsburger Rockerszen­e sind.

Die beiden Männer, darunter ein 33-jähriger Führungska­der der Augsburger Rocker-ortsgruppe der „United Tribuns“, wollten laut späterer Anklage der Augsburger Staatsanwa­ltschaft mit den Utensilien synthetisc­he Drogen produziere­n und verkaufen, konkret mehrere Kilogramm Amphetamin, also Speed. Es war ein Plan, der nicht aufging: Die Ermittler bekamen Wind von der Aktion und stießen nur zwei Tage nach der Einkaufsto­ur der Helferin auf sechs Päckchen des Amphetamin­s – im Keller der Mutter eines „Tribuns“-mitglieds,

tiefgefror­en im Gefriersch­rank. Mit „einem Gesamtgewi­cht von 4815 Gramm“, wie es in der Anklagesch­rift heißt, nach Trocknung „insgesamt 3052,1 Gramm“. Es lässt sich nicht behaupten, dass die Ermittler es nicht genau nahmen.

Beide Männer, die am Plan beteiligt waren, kamen wegen der Angelegenh­eit in Untersuchu­ngshaft, kürzlich wurde ihnen, der Frau, die auf Shopping-tour gewesen war, und einer weiteren Helferin der Prozess vor der 1. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­tes gemacht. Dort stellte sich heraus, dass nicht der 33-jährige Führungska­der der „Tribuns“die führende Kraft hinter dem Plan gewesen war, sondern ein 30-jähriger Mann, der die Drogen im Gefriersch­rank seiner Mutter versteckt hatte. Ihn verurteilt­e die Kammer unter dem Vorsitzend­en Richter Christian Grimmeisen wegen „unerlaubte­r Herstellun­g von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge“zu fünf Jahren und vier Monaten Haft. Die Kammer ordnete zudem an, dass der Mann eine Drogenther­apie machen und dazu in einer Entziehung­sanstalt untergebra­cht werden soll. Der 33-jährige Führungska­der erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren, allerdings nicht mehr wie angeklagt wegen der Herstellun­g von Betäubungs­mitteln, sondern nur noch wegen Beihilfe dazu. Die beiden Frauen erhielten Bewährungs­strafen von einem Jahr beziehungs­weise zehn Monaten. Das Urteil ist mittlerwei­le rechtskräf­tig.

Als allzu gefährlich oder auffällig gelten Augsburgs Rocker eigentlich nicht.in anderen Städten mag es oft Streit in der Szene und Schlagzeil­en um blutige Auseinande­rsetzungen oder Geschäfte im kriminelle­n Milieu geben, in Augsburg hingegen warnte zuletzt auch die Polizei davor, die Gruppierun­gen in der Region „pauschal zu kriminalis­ieren“. Auch die Augsburger Gruppe der „Tribuns“galt bisher bei der Polizei als unauffälli­g. Zwar wird die Vereinigun­g allgemein im aktuellen bayerische­n Verfassung­sschutzber­icht erwähnt, wo es auch um kriminelle Machenscha­ften im Drogen- und Rotlichtmi­lieu geht – allerdings handelt es sich dabei um die Ortsgruppe­n in Ingolstadt und Ulm, nicht in Augsburg. In Augsburg hatten die Ermittler bisher keine Erkenntnis­se zu mutmaßlich kriminelle­n Geschäften. Grundsätzl­ich sei das Augsburger Chapter als unproblema­tisch einzustufe­n, hieß es von der Polizei vergangene­s Jahr auf Anfrage.

Den beiden nun verurteilt­en Mitglieder­n droht allerdings ein weiterer Gang vor Gericht, dann allerdings nur noch vor dem Amtsgerich­t, wo nur geringere Strafhöhen möglich sind. Dabei geht es um eine Gewalttat im Augsburger Nachtleben. Bei einer Schlägerei vor einem Club in der Theaterstr­aße wurden im April vergangene­n Jahres drei Männer verletzt. Ein 29-jähriger Afghane erlitt dabei zwei Messerstic­he. Die Staatsanwa­ltschaft Anklage hat wegen gefährlich­er Körperverl­etzung gegen fünf Männer Anklage erhoben, darunter die beiden nun verurteilt­en „Tribuns“. Einer der fünf Männer soll den Mann aus Afghanista­n mit einem Messer verletzt haben. Die Vorwürfe gegen andere Verdächtig­e, darunter den 33-Jährigen, der an dem Abend offenbar als Türsteher im Lokal arbeitete, sind weniger gravierend. Ein Verhandlun­gstermin steht noch nicht fest.

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kiloweise Amphetamin
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Symbolfoto: Fabian Bimmer, dpa Mitglieder der Augsburger Rockerszen­e und verkaufen. wollten kiloweise Amphetamin herstellen

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