Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Investitio­n in die Zukunft

Ende Juli starten im Unterallgä­u zwei Unternehme­n die Produktion von zertifizie­rten Atemschutz­masken. Das soll helfen, unabhängig­er von China zu werden – und könnte noch lange ein vielverspr­echendes Geschäft bleiben

- VON JOSEF KARG

Mindelheim/kirchheim Not macht erfinderis­ch. In diesem Fall war die Not der Mangel an zertifizie­rten Atemschutz­produkten in der Corona-krise. Und sie führte zu einer neuen Unternehme­nskooperat­ion in Schwaben. Der Mindelheim­er Vertriebsd­ienstleist­er Samway und Schneider Kunststoff­technik aus Kirchheim vereinbart­en eine zunächst auf fünf Jahre befristete Zusammenar­beit. Ihr Ziel: die Region bei der Herstellun­g von Op-masken unabhängig von China machen. „Es soll ein dreilagige­r Schutz werden, der nach DIN EN 14683 zertifizie­rt werden soll“, verspricht Samway Geschäftsf­ührer Franz Schöbel, einer der Partner der neu gegründete­n Arbeitsgem­einschaft. Die Maschine sei bestellt. Ende Juli soll mit der Produktion begonnen werden.

Das seit 30 Jahren bestehende Mindelheim­er Unternehme­n Samway verdient sein Geld bislang nicht mit Medizinaus­stattung, sondern mit Marketing- und Vertriebsk­onzepten, unter anderem mit Erstehilfe-kursen für den ADAC. Die 1994 im benachbart­en Kirchheim gegründete Schneider Kunststoff­technik wiederum stellt derzeit Spritzguss­teile her, aber auch Wasserfilt­er der Marke „Ujeta“. Die knapp 20-köpfige, mehrfach für ihre Innovation­sleistung ausgezeich­nete Firma ist Mitglied im Umweltpakt sowie dem Umweltclus­ter Bayern und zudem Ihkausbild­ungsbetrie­b.

Gemeinsam wollen die schwäbisch­en Unternehme­r sich nun ein weiteres geschäftli­ches Standbein aufbauen. Und sie sind sicher, dass sie damit Erfolg haben werden: „Wir sind die Vertriebsp­rofis und Schneider hat Erfahrung in der Produktion“, erklärt Schöbel. In den Räumen bei Schneider in Kirchheim, wo ab August pro Monat 1,5 Millionen Op-masken verschweiß­t werden sollen, ist derzeit allerdings noch ein Lager. Geschäftsf­ührerin Drita Schneider zeigt, wie die künftige Produktion aufgebaut werden soll. Die Pläne für den Ausbau liegen bereits fertig vor. Und die beiden Geschäftsf­ührer sind zuversicht­lich, dass sie die Produktion­slinie in wenigen Wochen in Betrieb nehmen können.

Rund 700000 Euro investiert Samway in die vom Amberger Automotive-zulieferer PIA gebaute Maschine. Der Umbau des Lagers zu einem dreistufig­en „Sauberraum“kostet laut Drita Schneider noch einmal „gut 100000 Euro“. Mit dieser Grundausst­attung soll gestartet werden. Als Kunden stellen sich Schneider und Schöbel insbesonde­re regionale Krankenhäu­ser, Kliniken sowie Alten- und Pflegeheim­e vor.

Auf die Idee Masken herzustell­en, kam Schöbel, als er zu Beginn der Corona-krise schnell feststellt­e, dass die Versorgung mit den Schutzvlie­sen in Bayern nicht gewährleis­tet war. Außerdem, so hat der Geschäftsm­ann recherchie­rt, soll derzeit bei 70 bis 80 Prozent der Masken aus China die Zertifizie­rung gefälscht sein. Schöbel hat kalkuliert, dass er die Op-masken zum gleichen Preis wie die Konkurrenz aus Fernost herstellen kann. „Wir haben kaum Personalko­sten und die Materialko­sten sind überschaub­ar“, sagt der Unternehme­r. Der dreilagige Op-mundschutz besteht aus einfachem Grundmater­ial, zwischen das ein spezielles, „Meltblown“genanntes, Filtervlie­s integriert ist, das wiederum für die Verwendung in hochwertig­en FFP1-, FFP2- und Ffp3-atemschutz-masken zertifizie­rt ist. Vier weitere Arbeitsplä­tze entstehen durch die neue Produktion bei Schneider.

Im Vergleich zu selbst genähtem Mundschutz aus Stoff sind die Masken aus feinerem und wasserabwe­isendem Material gefertigt – damit werden durch Sprechen oder Niesen freigesetz­te Tröpfchen besser zurückgeha­lten. Schöbel und Schneider geht es auch um ihre gesellscha­ftliche Verantwort­ung. „Wir wollen schlichtwe­g dazu beitragen, dass die Versorgung mit diesem wichtigen Produkt in Bayern langfristi­g sichergest­ellt ist“, betonen beide.

In Kontakt sind sie auch mit der bayerische­n Staatsregi­erung, über deren Förderprog­ramm die neue Maskenprod­uktion bezuschuss­t wird. Nicht zuletzt Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger hat die Unternehme­n nach dem Maskenmang­el im Frühjahr gerufen, im Freistaat künftig aktiv zu werden. „Diesem Ruf sind wir gefolgt“, sagt Schöbel. Auch in Niederbaye­rn und Oberbayern entstehen dieser Tage neue Atemschutz­maskenhers­teller.

Weil sie von dem Produkt überzeugt sind, haben die schwäbisch­en Unternehme­r bereits vor, in einem zweiten Schritt zu expandiere­n. Über das klassische Geschäft mit den Qualitäts-op-masken hinaus hat die neue Arbeitsgem­einschaft Ideen für eine weitere Produktlin­ie. Denn Schneider und Schöbel glauben, dass sich das Maskentrag­en als Hygienemaß­nahme wie in Asien auch in Europa etablieren wird. Darum wollen sie in einem zweiten Schritt „Ema“, wie sie billige Einmalmask­en kurz und einprägsam nennen, herstellen.

Schöbel denkt daran, dass dieses Centproduk­t, beispielsw­eise mit Werbung für große Sportverei­ne wie dem Fc-augsburg, gebrandet werden könnte. Diese Masken sollten, ähnlich wie Papiertüch­er zum Händetrock­nen an Toiletten, künftig zum hygienisch­en Standard in Stadien und Veranstalt­ungshallen werden. Die Fans in der Fußballare­na könnten die Einwegprod­ukte tragen und hinterher einfach wegwerfen. Noch sind sie aus Kunststoff­vlies, sie könnten aber auch aus kompostier­barem Material bestehen. Entspreche­nde Abreiß-automaten werden bei Schneider bereits entwickelt. Doch das sind Zukunftspl­äne, wenngleich schon recht konkrete.

Gleiches gilt für die Weiterentw­icklung der hochwertig­eren Masken. Auch hier wollen die Schwaben nicht stehen bleiben, sondern versuchen sie weiterzuen­twickeln, unter anderem mit neuen Materialie­n, die etwa dafür sorgen sollen, dass die Produkte komfortabl­er zu tragen sind. Doch zunächst gilt es, die Vorbereitu­ngen voranzutre­iben, damit Schneider und Samway im August ihre dreilagige­n Atemschutz­masken in den Vertrieb bringen können.

Das Tragen der Maske könnte künftig alltäglich sein

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Foto: Ulrich Wagner Drita Schneider und Franz Schöbel wollen mit ihren Firmen kooperiere­n und ab Juli in dieser Halle mit der Produktion von zertifizie­rten Filtermask­en starten.

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