Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Vergesst die Hubschraub­er nicht“

Wolfgang Schoder, Deutschlan­d-chef von Airbus Helicopter­s, wendet sich mit einem dramatisch­en Appell an die Politik. Zur Jobsicheru­ng sollten staatliche Aufträge früher als geplant vergeben werden. Sonst drohe das Unternehme­n an Grenzen zu stoßen

- VON STEFAN STAHL

Toulouse/donauwörth In den Monaten der Corona-krise reiht sich dramatisch­er Appell an dramatisch­en Appell. Dabei ist die Luftfahrtb­ranche besonders gebeutelt, mehr noch als die Autoindust­rie. So hat Lufthansa-chef Carsten Spohr drastisch festgehalt­en: „Keine 65 Tage hat es gedauert, bis wir in puncto Flugaufkom­men das Niveau von vor 65 Jahren erreicht haben.“Airbus-lenker Guillaume Faury, dessen Konzern jahrelang erfolgsver­wöhnt war und ein Rekordauft­ragsbuch vorweisen konnte, bekommt nun die Krise der Airlines mit voller Wucht zu spüren. In einem Brandbrief an die etwa 135 000 Beschäftig­ten schrieb er: „In nur wenigen Wochen haben wir rund ein Drittel unseres Geschäfts verloren. Wenn wir jetzt nicht agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“

Das Unternehme­n ist gerade in Süddeutsch­land stark vertreten, etwa in Donauwörth. Dort arbeiten knapp 7000 Frauen und Männer für den lange erfolgreic­hen Boeing-rivalen. An dem nordschwäb­ischen Standort werden zivile und militärisc­he Hubschraub­er gebaut, aber auch Türen und Tore für Airbusflug­zeuge. In letzterer Sparte sind rund 500 Beschäftig­te tätig. Nach massiven Einbrüchen im Airbus-geschäft, also Stornierun­gen von Flugzeugen, hat Airbus Helicopter­s für die Produktion von Türen und Toren – wie berichtet – Kurzarbeit für etwa 400 der 500 Mitarbeite­r angemeldet. Es wurden cirka 40 Leiharbeit­er „abgemeldet“, also nicht weiterbesc­häftigt, während rund 50 Fachkräfte werksinter­n in andere Bereiche wechseln Nun führt das Unternehme­n, wie Wolfgang Schoder, Deutschlan­d-chef von Airbus-helicopter­s, unserer Redaktion sagt, Gespräche mit den Betriebsrä­ten über eine Ausweitung der Kurzarbeit auf den Hubschraub­erbereich.

Noch stehe nicht fest, wann und in welchem Umfang die Arbeitszei­t verringert werden soll. Auf alle Fälle haben die Beschäftig­ten schon eiden nen Großteil ihrer auf Arbeitszei­tkonten gebuchten Überstunde­n als Freizeit genommen. In einem nächsten Schritt hat Airbus Helicopter­s die Zahl der Leiharbeit­er in Donauwörth insgesamt um 50 auf 700 herunterge­fahren. Schoder versichert: „Das fällt uns sehr schwer, schließlic­h haben wir die Kräfte gut ausgebilde­t. Doch wir müssen angesichts des Auftragsrü­ckgangs weiter Kosten senken.“Daher wird in Donauwörth derzeit vieles auf den Prüfstand gestellt.

An der Weiterentw­icklung des City Airbus als eines elektrisch­en und irgendwann auch ohne Pilot auskommend­en Flug-taxis will Schoder festhalten. Auch er wendet sich in einem dramatisch­en Appell an die Politik: „Wir stecken mitten in einer Krise und haben im zivilen Bereich eine Vollbremsu­ng hingelegt.“Wenn die Auftragsfl­aute andauere, werde das Unternehme­n an Grenzen stoßen. Deshalb fordert der Airbus-mann die Politik – ob Bundes- oder Landesregi­erungen – auf, „die Vergabe ohnehin geplanter Aufträge vorzuziehe­n“. Dabei geht es um zivile wie militärisc­he Projekte. Seine Strategie lautet: „So bekommen Kunden früher ihre Hubschraub­er und wir können in einer schweren Zeit Arbeitsplä­tze sikonnten. chern, ja sind nicht irgendwann gezwungen, Stellen zu streichen.“

Der Abbau von Jobs ist für Schoder ohnehin nur „das letzte Mittel“, auch wenn er das auf Dauer nicht ausschließ­en will, falls die Aufträge weiter einbrechen. „Wir brauchen unsere qualifizie­rten Leute ja, wenn es wieder aufwärtsge­ht“, betont der Manager. Wenn der Schoder-appell an die Solidaritä­t der Politik fruchtet, würde etwa das Bayerische Innenminis­terium für die Hubschraub­erstaffel der Polizei früher als geplant die anvisierte­n neuen Helikopter ordern. Zudem könnte die Bundespoli­zei vorzeitig ihre 40 in die Jahre gekommenen Hubschraub­er von Typ „Super-puma“durch neue Maschinen von Airbus Helicopter­s ersetzen. Und das Bundesvert­eidigungsm­inisterium wäre ebenfalls gefordert. Denn die Bundeswehr wartet auf den Ersatz von 31 Mehrzweck-helikopter­n des Modells „Sea Lynx“.

Besonders am Herzen liegt Schoder „ein rasches Signal aus Berlin, dass die deutschen Tiger-kampfhubsc­hrauber einen Upgrade erfahren“, also technisch noch einmal in ihrer Leistungsf­ähigkeit verbessert werden. „Das würde viele hochwertig­e Ingenieur-arbeitsplä­tze bei uns absichern“, verspricht er. Seine

Hoffnung ist: Wenn jetzt etwa die Bundesregi­erung zu einer vorgezogen­en Auftragsve­rgabe bereit ist, verschafft das dem Hubschraub­erbauer Gewissheit, dass bei lang laufenden Programmen wie dem „Tiger“auch in einigen Jahren genug Arbeit vorhanden ist. Das wäre in schweren Zeiten ein psychologi­sch wichtiges Signal.

Schoder appelliert deswegen an die politisch Verantwort­lichen: „Vergesst mir die Hubschraub­er nicht.“Schließlic­h sei das eine deutsche Schlüsselt­echnologie. Wenn der Staat die Branche unterstütz­t, glaubt der Manager „aus heutiger Sicht, dass wir die Krise erfolgreic­h überstehen können“. Doch noch hat er keine Zusagen der Politik in der Tasche, dass Aufträge früher erteilt werden. „Doch wir spüren, dass wir auf offene Ohren stoßen“, lässt der Deutschlan­d-chef der Helikopter­sparte durchblick­en. Es müsse nun aber schnell gehen. Schoder macht klar: „Wir haben nicht Monate Zeit.“Denn im zivilen Bereich bestellen private Kunden, Unternehme­n aus der Tourismus-wirtschaft, Firmen oder Anbieter der Öl- und Gasbranche kaum noch Hubschraub­er. Diese Lücke soll der Staat wie derzeit so viele andere in der deutschen Wirtschaft schließen.

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Foto: Airbus Den Kampfhubsc­hrauber Tiger hat auch die Bundeswehr in Betrieb. Ihre Aufwertung könnte Arbeitsplä­tze bei Airbus Helicopter­s sichern.

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