Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Vergesst die Hubschrauber nicht“
Wolfgang Schoder, Deutschland-chef von Airbus Helicopters, wendet sich mit einem dramatischen Appell an die Politik. Zur Jobsicherung sollten staatliche Aufträge früher als geplant vergeben werden. Sonst drohe das Unternehmen an Grenzen zu stoßen
Toulouse/donauwörth In den Monaten der Corona-krise reiht sich dramatischer Appell an dramatischen Appell. Dabei ist die Luftfahrtbranche besonders gebeutelt, mehr noch als die Autoindustrie. So hat Lufthansa-chef Carsten Spohr drastisch festgehalten: „Keine 65 Tage hat es gedauert, bis wir in puncto Flugaufkommen das Niveau von vor 65 Jahren erreicht haben.“Airbus-lenker Guillaume Faury, dessen Konzern jahrelang erfolgsverwöhnt war und ein Rekordauftragsbuch vorweisen konnte, bekommt nun die Krise der Airlines mit voller Wucht zu spüren. In einem Brandbrief an die etwa 135 000 Beschäftigten schrieb er: „In nur wenigen Wochen haben wir rund ein Drittel unseres Geschäfts verloren. Wenn wir jetzt nicht agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“
Das Unternehmen ist gerade in Süddeutschland stark vertreten, etwa in Donauwörth. Dort arbeiten knapp 7000 Frauen und Männer für den lange erfolgreichen Boeing-rivalen. An dem nordschwäbischen Standort werden zivile und militärische Hubschrauber gebaut, aber auch Türen und Tore für Airbusflugzeuge. In letzterer Sparte sind rund 500 Beschäftigte tätig. Nach massiven Einbrüchen im Airbus-geschäft, also Stornierungen von Flugzeugen, hat Airbus Helicopters für die Produktion von Türen und Toren – wie berichtet – Kurzarbeit für etwa 400 der 500 Mitarbeiter angemeldet. Es wurden cirka 40 Leiharbeiter „abgemeldet“, also nicht weiterbeschäftigt, während rund 50 Fachkräfte werksintern in andere Bereiche wechseln Nun führt das Unternehmen, wie Wolfgang Schoder, Deutschland-chef von Airbus-helicopters, unserer Redaktion sagt, Gespräche mit den Betriebsräten über eine Ausweitung der Kurzarbeit auf den Hubschrauberbereich.
Noch stehe nicht fest, wann und in welchem Umfang die Arbeitszeit verringert werden soll. Auf alle Fälle haben die Beschäftigten schon eiden nen Großteil ihrer auf Arbeitszeitkonten gebuchten Überstunden als Freizeit genommen. In einem nächsten Schritt hat Airbus Helicopters die Zahl der Leiharbeiter in Donauwörth insgesamt um 50 auf 700 heruntergefahren. Schoder versichert: „Das fällt uns sehr schwer, schließlich haben wir die Kräfte gut ausgebildet. Doch wir müssen angesichts des Auftragsrückgangs weiter Kosten senken.“Daher wird in Donauwörth derzeit vieles auf den Prüfstand gestellt.
An der Weiterentwicklung des City Airbus als eines elektrischen und irgendwann auch ohne Pilot auskommenden Flug-taxis will Schoder festhalten. Auch er wendet sich in einem dramatischen Appell an die Politik: „Wir stecken mitten in einer Krise und haben im zivilen Bereich eine Vollbremsung hingelegt.“Wenn die Auftragsflaute andauere, werde das Unternehmen an Grenzen stoßen. Deshalb fordert der Airbus-mann die Politik – ob Bundes- oder Landesregierungen – auf, „die Vergabe ohnehin geplanter Aufträge vorzuziehen“. Dabei geht es um zivile wie militärische Projekte. Seine Strategie lautet: „So bekommen Kunden früher ihre Hubschrauber und wir können in einer schweren Zeit Arbeitsplätze sikonnten. chern, ja sind nicht irgendwann gezwungen, Stellen zu streichen.“
Der Abbau von Jobs ist für Schoder ohnehin nur „das letzte Mittel“, auch wenn er das auf Dauer nicht ausschließen will, falls die Aufträge weiter einbrechen. „Wir brauchen unsere qualifizierten Leute ja, wenn es wieder aufwärtsgeht“, betont der Manager. Wenn der Schoder-appell an die Solidarität der Politik fruchtet, würde etwa das Bayerische Innenministerium für die Hubschrauberstaffel der Polizei früher als geplant die anvisierten neuen Helikopter ordern. Zudem könnte die Bundespolizei vorzeitig ihre 40 in die Jahre gekommenen Hubschrauber von Typ „Super-puma“durch neue Maschinen von Airbus Helicopters ersetzen. Und das Bundesverteidigungsministerium wäre ebenfalls gefordert. Denn die Bundeswehr wartet auf den Ersatz von 31 Mehrzweck-helikoptern des Modells „Sea Lynx“.
Besonders am Herzen liegt Schoder „ein rasches Signal aus Berlin, dass die deutschen Tiger-kampfhubschrauber einen Upgrade erfahren“, also technisch noch einmal in ihrer Leistungsfähigkeit verbessert werden. „Das würde viele hochwertige Ingenieur-arbeitsplätze bei uns absichern“, verspricht er. Seine
Hoffnung ist: Wenn jetzt etwa die Bundesregierung zu einer vorgezogenen Auftragsvergabe bereit ist, verschafft das dem Hubschrauberbauer Gewissheit, dass bei lang laufenden Programmen wie dem „Tiger“auch in einigen Jahren genug Arbeit vorhanden ist. Das wäre in schweren Zeiten ein psychologisch wichtiges Signal.
Schoder appelliert deswegen an die politisch Verantwortlichen: „Vergesst mir die Hubschrauber nicht.“Schließlich sei das eine deutsche Schlüsseltechnologie. Wenn der Staat die Branche unterstützt, glaubt der Manager „aus heutiger Sicht, dass wir die Krise erfolgreich überstehen können“. Doch noch hat er keine Zusagen der Politik in der Tasche, dass Aufträge früher erteilt werden. „Doch wir spüren, dass wir auf offene Ohren stoßen“, lässt der Deutschland-chef der Helikoptersparte durchblicken. Es müsse nun aber schnell gehen. Schoder macht klar: „Wir haben nicht Monate Zeit.“Denn im zivilen Bereich bestellen private Kunden, Unternehmen aus der Tourismus-wirtschaft, Firmen oder Anbieter der Öl- und Gasbranche kaum noch Hubschrauber. Diese Lücke soll der Staat wie derzeit so viele andere in der deutschen Wirtschaft schließen.