Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ramadan: Wegen Corona bleiben die Moscheen leer

Für die Gläubigen und Gemeinden dreht sich nun alles um Abstand, Masken und Desinfekti­onsmittel. Warum ein Moscheevor­sitzender fürs Zuckerfest am Sonntag von einem Fußballfel­d träumt

- VON STEFANIE SCHOENE

Zu den wegen des Infektions­schutzgese­tzes beschränkt­en Grundrecht­en gehört derzeit auch die Religionsa­usübung. Von den 18 Moscheen sind nur die Eschenhof-, die Katzenstad­l-, die Haunstette­r und die Ahmadiyya-moschee in Betrieb. Für die Muslime vor allem im heiligen Ramadan, der noch bis zum 23. Mai läuft, eine harte Prüfung.

„Normalerwe­ise platzt die Moschee jetzt aus allen Nähten, wir geben zum Fastenbrec­hen nach Sonnenunte­rgang Hunderte Essen aus, auch für Nichtmitgl­ieder“, erklärt Abuzer Korkut, der Vorsitzend­e des Vereins, der die Katzenstad­l-moschee betreibt. Die Einrichtun­g hat 600 Mitglieder und gehört zum Dachverban­d der Türkisch-islamische­n Union für Religiöse Angelegenh­eiten (Ditib). Erst seit dem 9. Mai können von den täglichen fünf Gebeten wieder drei stattfinde­n. Die Koranlektü­re mit Imam und der Religionsu­nterricht für Kinder sind weiter ausgesetzt.

Korkut arbeitet bei der Deutschen Bahn. Für den Ramadan hatte er sechs Wochen Urlaub genommen. Ein anderer Kollege hielt sich für sein Ehrenamt als Koch in der Moschee ebenfalls vier Wochen frei. Und jetzt die Flaute. Statt des täglichen Rummels tauchen nur wenige Männer auf. Listen werden geführt und Hände desinfizie­rt. Essen gibt es keins, noch nicht mal Tee. Im Gebetsraum hat Korkut mit weißen Klebestrei­fen die höchstens vierzig Gebetsplät­ze markiert. Den Gebetsruf zu Beginn und die Koranlektü­re mit dem Imam streamen die drei Augsburger Ditib-gemeinden jetzt auf Facebook.

Die Seelsorge des Imam liegt brach. Die Schlüssel für den Gögginger Friedhof, wo sonst die rituellen Waschungen vor einer Beerdigung stattfinde­n, musste die Gemeinde abgeben. „Ein Mitglied starb kürzlich. Der Leichnam wurde ohne Waschung nach Frankfurt in ein Cargo-flugzeug gebracht und in die Türkei überführt“, berichtet der Vorsitzend­e. Traumatisc­h für die Angehörige­n, dass sie den Toten weder begleiten noch selbst beerdigen durften. Muhammad Luqman Shahid ist Imam der Ahmadiyya-gemeinde in der Donauwörth­er Straße. Auch er hält jeden Tag drei öffentlich­e Gebete, seine Koranlektü­re läuft über Zoom und für die Kinder gibt er Islamunter­richt per Videokonfe­renz. Die Schuhregal­e wurden versetzt, die bereit gehaltenen Kopfbedeck­ungen weggeräumt, Desinfekti­onsspender aufgestell­t und Bodenmarki­erungen für die Gebetsplät­ze verklebt. Am Freitagsge­bet samt Predigt nahmen vergangene Woche zehn Männer teil, auch der Frauenraum ist jetzt den Männern vorbehalte­n. „Die Frauen bitten wir aus Platzgründ­en, nicht in die Moschee zu kommen, auch zum Zuckerfest an diesem Sonntag nicht“, erklärt Shahid. Die 230 Mitglieder der Gemeinde kommen bis aus Kaufbeuren und Aichach nach Augsburg. Um auch ihnen die Gelegenhei­t zum Feiertagsg­ebet am Zuckerfest geben zu können, wird Shahid, der an der Ahmadiyya-akademie in Wiesbaden das siebenjähr­ige Theologies­tudium durchlaufe­n hat, das Gebet zweimal hintereina­nder anbieten.

Auch das Gülen-netzwerk, das in Augsburg in den Vereinen Frohsinn und Rumi organisier­t ist, kümmert sich. Acht Flüchtling­e, die wegen ihrer Zugehörigk­eit zur Bewegung um den türkischen Prediger Fethullah Gülen aus der Türkei flohen, organisier­en aus Spendenmit­teln zum Fastenbrec­hen (Iftar) Essenspake­te für die in den Ankerzentr­en Berliner Allee und Mering lebenden Gülenanhän­ger. Etwa 50 Essen wurden nach Angaben von Fatih Samet Subasi vom Vorstand des Rumi-vereins bisher täglich ausgegeben. Die abendliche­n Iftar-feiern, wie sie im letzten Jahr noch für 150 Personen täglich in den Vereinsräu­men organisier­t wurden, mussten wegen Corona ausfallen.

Abuzer Korkut hat einen Traum: Am Freitag, dem vorletzten Tag des Ramadan, würde er gerne den Gebetsruf (Ezan) nach draußen übertragen. Als hörbares Zeichen des Zusammenha­lts in schwierige­n Zeiten. In Südbayern haben derzeit zwölf Moscheen die Erlaubnis zum öffentlich­en Ezan. Außerdem träumt der Eisenbahne­r, der sich auch für lokale Fußballver­eine engagiert, von einem Zuckerfest­frühgebet auf einem Fußballfel­d. „Allein bei uns beten wir an diesem Tag um sechs Uhr früh normalerwe­ise mit bis zu 1200 Menschen. Wenn wir mit allen Corona-regeln diesen Feiertag am Sonntag mit etwa 500 Gläubigen outdoor begehen dürften, wäre das für uns ein tolles Zeichen“, erklärt er hoffnungsv­oll. Er will sich jetzt um entspreche­nde Genehmigun­gen bemühen.

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Foto: Bernd Hohlen Im Gebetsraum der Ahmadiyya-moschee in der Donauwörth­er Straße versammeln sich Gläubige zum Gebet.

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