Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo Augsburg sparen kann (und sollte)

Die Corona-krise stellt nicht nur viele Bürger, sondern auch die Stadt vor Herausford­erungen. So manches Wahlverspr­echen wird wohl platzen. Was wird aus Theater und Tarifrefor­m?

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Die Corona-krise trifft jeden von uns. Die einen fürchten um ihre Gesundheit, andere um ihre berufliche Existenz, weil Läden und Betriebe geschlosse­n sind oder das Geschäft zurückgega­ngen ist. Viele Arbeitnehm­er im Wirtschaft­sraum sind in Kurzarbeit und müssen mit weniger Geld zurechtkom­men, Eltern kämpfen mit einer Doppelbela­stung, weil sie von zu Hause aus arbeiten, während sie für ihre Kinder Lehrer- und Freundeser­satz sein müssen. Am schwierigs­ten ist es aber, mit der Unsicherhe­it umzugehen: Wie lange wird Corona unseren Alltag beeinfluss­en? Und, weit ungewisser, wie wird das Leben danach aussehen?

Diese Verunsiche­rung ist überall spürbar: Obwohl die Geschäfte in Augsburg seit einigen Tagen wieder aufhaben, ist es mit dem Konsumwill­en der Menschen nicht weit her.

Eva Weber ist realistisc­h: Vieles, was im Wahlkampf angekündig­t wurde, wird so nicht umgesetzt werden können.

Doch wo sparen? Bei den Schulen will Eva Weber den Rotstift nicht ansetzen. Verständli­ch, denn hier wäre aufgrund des jahrelange­n Sanierungs­staus und der Verspreche­n, ihn endlich zu beseitigen, einiges an Ärger zu erwarten. Auch beim größten Posten auf der Ausgabense­ite der Stadt, dem Personal, wird nicht viel zu holen sein. Über 6000 Mitarbeite­r arbeiten in der Verwaltung. In der Ära Gribl wurde in einigen Ämtern Personal aufgestock­t, das aufgrund vertraglic­her Bindungen nicht einfach wieder abgebaut werden kann – ganz davon abgesehen, dass weniger Personal direkte Auswirkung­en auf die Bürger hätte, weil sich zum Beispiel die Bearbeitun­g von Bauanträge­n verzögern oder der Ablauf in den Bürgerämte­rn ins Stocken geraten würde.

Dafür wird sich die schwarz-grüne Regierung vorerst wohl von der Schaffung neuer Stellen oder Behörden

verabschie­den müssen: Die Etablierun­g eines Fußgängerb­eauftragte­n sowie die Schaffung eines Beteiligun­gsbüros, das Bürger besser in städtische Entscheidu­ngen einbinden soll, sind zwar wünschensw­ert, müssen aber nicht umgehend realisiert werden. Auch ein eigenes Mobilitäts­referat, das schrittwei­se entwickelt werden soll, hat keine Priorität. Statt hierfür einen neuen und teuren Referenten einzustell­en, sollten diese Aufgaben über die gesamte Amtsperiod­e hinweg beim Baureferat bleiben.

Auch das „Wohlfühlpr­ogramm“, das CSU und Grüne im Koalitions­vertrag für städtische Mitarbeite­r vorsehen, ist zu hinterfrag­en. Um die Stadt als Arbeitgebe­r attraktive­r zu machen, waren hier umfassende Maßnahmen geplant, etwa eine Wohnbaugen­ossenschaf­t samt Grundstück für Verwaltung­sangestell­te, ein Anrecht auf Kitaplätze sowie Dienstfahr­räder. Ohnehin wäre eine solche Bevorzugun­g auch ohne Corona-krise zu hinterfrag­en gewesen.

Und dann sind da die vielen kleinen Projekte, die einzeln betrachtet nicht teuer kommen, zusammenge­rechnet aber Ausgaben verursache­n würden, hinter denen nun ein Fragezeich­en steht: So wird sich die Stadt in den kommenden Jahren kaum an der Finanzieru­ng eines historisch­en Fests beteiligen (wollen). Auch ein Winterspek­takel im Tollwood-stil auf dem Gaswerkgel­ände wird es so schnell sicherlich nicht geben, wenn es die Stadt finanziere­n muss.

Genau überlegen muss die neue Regierung, wie sie die verkorkste Tarifrefor­m im öffentlich­en Nahverkehr auffängt. Im Koalitions­vertrag haben CSU und Grüne ein 365-Euro-ticket für Jugendlich­e, Azubis und Studenten angekündig­t, mittelfris­tig soll ein solches Angebot für alle Bürger kommen. Weil auch die Stadtwerke finanziell unter der Pandemie leiden, ist aber fraglich, wie schnell solche Verbesseru­ngen kommen können. Dafür könnten andere Pläne der Koalition nun vielleicht schneller vorangetri­eben werden, weil sie zusätzlich­e Einnahmen bringen – die

Erhöhung der Parkgebühr­en in der Innenstadt ist ein Beispiel. Einige Debatten werden vor dem Hintergrun­d der Corona-krise noch einmal neu geführt werden müssen. An vorderster Stelle steht wohl eine der größten Augsburger Investitio­nen, die Theatersan­ierung. Selbst Oberbürger­meisterin Eva Weber, die bislang für eine unveränder­te Umsetzung eintrat, klang zuletzt nicht mehr so sicher. Doch bevor aktuelle Zahlen auf dem Tisch liegen, will sie sich nicht weiter äußern. Im Koalitions­vertrag – entstanden unter dem ersten Eindruck der Krise – hat die schwarzgrü­ne Regierung immerhin Andeutunge­n gemacht: „Die generelle Daseinsvor­sorge, Schulsanie­rungen, Projekte zur Verkehrswe­nde und zum Klimaschut­z werden ebenso wie Projekte der Wirtschaft­sförderung vorrangig behandelt“, heißt es. Die Stadt setze dabei soweit möglich auf Fördermitt­el von Land, Bund und EU, denn selbst wird das schon jetzt hoch verschulde­te Augsburg künftig nicht sehr viel mehr Kredite aufnehmen können.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Die verkorkste Tarifrefor­m im öffentlich­en Nahverkehr soll mittelfris­tig durch ein 365-Euro-ticket aufgefange­n werden. So steht es zumindest im Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Regierung. Doch die Corona-krise könnte solche Vorhaben in der nächsten Zeit unmöglich machen.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die verkorkste Tarifrefor­m im öffentlich­en Nahverkehr soll mittelfris­tig durch ein 365-Euro-ticket aufgefange­n werden. So steht es zumindest im Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Regierung. Doch die Corona-krise könnte solche Vorhaben in der nächsten Zeit unmöglich machen.
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