Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Fernziel im Nahverkehr
Große Ankündigungen, zumal wenn sie eine fernere Zukunft betreffen, gehören zum politischen Geschäft. Der frühere bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der just zum Auftakt seiner ersten Amtszeit zehn Milliarden Euro Schulden machen musste, um die Landesbank in der Finanzkrise zu retten, hatte einige Jahre später angekündigt, dass der Freistaat Bayern bis zum Jahr 2030 all seine Schulden getilgt haben soll. Schon lange vor Corona hat sein Nachfolger Markus Söder scheibchenweise einräumen müssen, dass dieses Ziel – vorsichtig formuliert – wohl etwas zu ehrgeizig war. Heute redet niemand mehr darüber. Die Zeit geht halt über solche Ziele oft einfach hinweg. Oder sie scheitern irgendwie, wie zum Beispiel die Maut für Ausländer. Trotzdem gibt es immer wieder Leute – politische Gegner, Journalisten oder sonstige Querulanten – die lästige Nachfragen stellen. Wie war denn das? Warum wird da jetzt doch nix draus?
Die Amtszeit von Markus Söder ist noch zu kurz, um ihn an seinen langfristigen Zielen zu messen. Und doch hat auch er jetzt einen Ärger in dieser Kategorie am Hals. Ausgerechnet sein Parteifreund Marcus König, auf den der CSU-CHEF so stolz ist, weil er der SPD in Nürnberg den Ob-sessel abgejagt hat, ausgerechnet dieser rührige Herr König bringt Söder jetzt in die Bredouille – und zwar, indem er ihn beim Wort nimmt. König hat angekündigt, im öffentlichen Nahverkehr in Nürnberg und Umgebung bis 2023 ein 365-Euro-ticket für alle einzuführen. Er will als erster Oberbürgermeister in die Tat umsetzen, was sein Ministerpräsident als Fernziel ausgegeben hat. In Söders Kabinett löst das allerdings keine Freude aus. Verkehrsministerin Kerstin Schreyer hat König wissen lassen, dass das alles nicht so schnell und so einfach geht, wie er sich das vorstellt. Gut möglich, dass das Projekt 365-Euro-ticket in fernerer Zukunft das Schicksal anderer Csu-projekte teilen wird.