Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kritik am bayerische­n Corona-alleingang

Andere Bundesländ­er halten Massentest­s für nicht sinnvoll

- VON BERNHARD JUNGINGER, MAX KRAMER UND ULRIKE BÄUERLEIN

Berlin Kostenlose Corona-massentest­s für alle, die dies wünschen – das verspricht der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder den Bürgern im Freistaat. Doch der Vorstoß des Csu-politikers sorgt bundesweit für einen heftigen Streit. Kritik kommt aus den anderen Ländern, aus dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium – und von Weltärztep­räsident Frank Ulrich Montgomery. Unserer Redaktion sagte er: „Mit den Massentest­s dient Bayern nur bedingt als Vorbild. Dieser Schönheits­wettbewerb der Ministerpr­äsidenten ist bedauerlic­h.“

Montgomery, Ehrenpräsi­dent der Bundesärzt­ekammer sprach von einem „Ideen-wildwuchs der Landesregi­erungen“, der viel Glaubwürdi­gkeit gekostet habe. „Da wird der Föderalism­us zu weit getrieben. Ich bin dafür, den Föderalism­us an dieser Stelle einzuschrä­nken“, so der Mediziner weiter. Grundsätzl­ich seien mehr Tests zwar zu begrüßen: „Man sollte möglichst wissen, wie viele Menschen infiziert sind, und kann dadurch Infektions­ketten leichter unterbrech­en.“Doch Massentest­s seien aber nur eine „Momentaufn­ahme vom Zustand der hinteren Rachenwand der Bayern“. Solche Tests allen anzubieten, also auch Menschen ohne Symptome, stehe „in keinem Verhältnis zum Aufwand und zu den Kosten“, sagte Montgomery. „Das Wichtigste – Tests hin oder her – bleibt der Abstand zu anderen.“

Bislang ist kein anderes Bundesland Söders Beispiel gefolgt. Auch Bayerns Nachbarlan­d Baden-württember­g lehnt es ab, Corona-tests für alle Bürger anzubieten und zu finanziere­n. „Die überwältig­ende Mehrheit aller namhaften Epidemiolo­gen und Gesundheit­sexperten hält nichts von einer flächendec­kenden Testung ins Blaue hinein, sondern plädiert für eine gezielte und kluge Testung bestimmter Personengr­uppen

und im Umfeld von lokalen und regionalen Ausbrüchen“, teilt das Stuttgarte­r Sozialmini­sterium mit. Darüber habe auch zwischen dem Bundesgesu­ndheitsmin­ister und allen Gesundheit­sministern der Länder bislang einvernehm­licher Konsens bestanden. „Eine flächendec­kende Testung aller Bürger kann sich leicht als Mogelpacku­ng entpuppen, denn sie ist immer nur eine winzige Momentaufn­ahme und hat keinen nachhaltig­en Nutzen“, heißt es weiter. „Wer sich vor zwei Tagen infiziert hat und heute getestet wird, erhält mit großer Wahrschein­lichkeit einen negativen Befund und wiegt sich dann womöglich in falscher Sicherheit.“

Auch der rot-grün regierte Stadtstaat Hamburg plant derzeit keine Massentest­s. Ein Sprecher der Gesundheit­sbehörde sagte, es werde weiter „im Umfeld von Infektione­n großzügig getestet“. Damit folge man der nationalen Teststrate­gie des Robert-koch-instituts. Anlasslose Testreihen seien demnach nicht vorgesehen. Ebenso will es Niedersach­sen halten, so eine Sprecherin von Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) auf Anfrage. Die Landesregi­erung halte das bayerische Vorgehen für „nicht zielführen­d“.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) kritisiert­e den Söder Vorstoß deutlich. Das bayerische Vorgehen, so Spahn „wiegt in falscher Sicherheit, erhöht das Risiko falsch-positiver Ergebnisse und belastet die vorhandene Testkapazi­tät“. Viel zu testen sei gut, dies müsse aber gezielt erfolgen.

Söder wies die Kritik zurück: „Das ist die einzige ernsthafte Option, es wird sonst zu wenig getestet.“Bereits jetzt sind in Deutschlan­d in vielen Fällen Corona-tests auch ohne akute Krankheits­anzeichen möglich. Dies gilt etwa in Bereichen wie Kliniken, Pflegeheim­en, Schulen und Kitas. Am Sonntag hatte Söder angekündig­t, dass sich auch jeder, der unsicher sei, testen lassen könne.

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