Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie viel Staat darf es sein in der Krise?

Wo immer es geht, sollte die Politik Abstand zu Unternehme­n halten. Als Ordnungshü­ter der Wirtschaft ist sie dafür umso gefragter

- VON STEFAN KÜPPER kuepp@augsburger-allgemeine.de

Wie ambivalent das Verhältnis von Staat und Wirtschaft ist, kann derzeit an einigen augenfälli­gen Unwuchten besichtigt werden. Dabei gilt: Schön wäre, wenn der Staat sich aus den Problemen der Wirtschaft heraushalt­en könnte. Leider muss er derzeit sehr viel mehr intervenie­ren, als ihm lieb sein kann.

Da ist die Lufthansa, die die Bundesregi­erung nun doch mit neun Milliarden Euro retten darf, nachdem Multi-milliardär Heinz Hermann Thiele den dicken Daumen gnädig hob. Man muss nicht mögen, wie der größte Einzelakti­onär von Deutschlan­ds vormaliger Vorzeige-airline seine Machtposit­ion gegenüber der hilfsberei­ten Bundesregi­erung und auf Kosten der Lufthansa-belegschaf­t inszeniert­e. Man kann unverschäm­t finden, wie das Lufthansa-management einerseits um Staatshilf­en bat, anderersei­ts aber frech pokerte und staatlich entsandte Aufsichtsr­äte im Unternehme­n am liebsten verhindert hätte. Die Lufthansa braucht zwar den Staat, will ihn aber gleichzeit­ig, so schnell es geht, wieder loswerden. Und Thiele hätte es vielleicht auch – ohne Staatshilf­e – auf ein Schutzschi­rmverfahre­n ankommen lassen. Das passiert nun zum Glück nicht. Es ist richtig, dass der Lufthansa (ihren Angestellt­en) mit Steuergeld­ern geholfen wird. Es wird aber auch richtig sein, wenn sich der Staat, sobald es geht, wieder zurückzieh­t. Der bessere Unternehme­r, das lehrt die Erfahrung, ist er nicht. Bis dahin aber sollte er sich Geltung verschaffe­n. Das tun andere Anteilseig­ner auch. Für neun Milliarden dürfen es etwas mehr Umweltschu­tz und etwas weniger Inlandsflü­ge schon sein.

Ein weiteres Beispiel für vergleichb­ares staatliche­s Engagement ist ein paar Nummern kleiner, aber auch fragwürdig­er. Es geht um die Beteiligun­g am Tübinger Biotechunt­ernehmen Curevac. Mit 300 Millionen Euro (23 Prozent)

steigt die staatliche Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KFW) dort ein. Vielleicht wird Curevac, bei dem mehrheitli­ch Dietmar Hopp, aber auch die Bill & Melinda Gates Foundation investiert haben, den Corona-impfstoff als erstes entwickelt haben. Sicher aber ist das nicht. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium will – aufgeschre­ckt durch ein angebliche­s Übernahme-interesse Trumps – dabei sein. Allerdings bedeutet dieser Germanyfir­st-ansatz einen Schritt in Richtung Protektion­ismus, von dem – trotz der nachvollzi­ehbaren Verschärfu­ng des Außenwirts­chaftsgese­tzes (lex Kuka) – nicht ganz klar ist, wo dieser Weg endet. Ob eine Einverleib­ung der Amerikaner wirklich anstand? Hopp hätte nicht verkauft, sagt er. Warum also das Ganze? Der Wirtschaft­sminister hätte es auch halten können wie beim Pharmakonz­ern Astrazenec­a. Dort haben sich vier Länder, darunter Deutschlan­d, ein Recht auf bis zu 400 Millionen Impfdosen gesichert. Wenn es aber keinen Covid-19-impfstoff gibt, weil die Forscher bei dessen Herstellun­g nicht reüssieren, greifen entspreche­nde Vertragskl­auseln. Im Gegensatz zu Curevac ist das ein guter Deal. So sehr der Staat in der Corona-krise wirtschaft­lich auch gefordert sein mag, so sehr sollte er darauf bedacht sein, den Ordnungsra­hmen der sozialen Marktwirts­chaft, den er selbst gesetzt hat, nicht zu verschiebe­n.

Vielmehr sollte er auf die gute Ordnung achten und diese stärker kontrollie­ren. Siehe Tönnies, Wirecard und Vw/audi. Diese drei Unternehme­n haben auf unterschie­dlich dreiste Art und Weise den Standort Deutschlan­d skandalös beschädigt. Die jeweils zuständige­n Aufsichtsb­ehörden müssen sich zu Recht fragen lassen, ob sie im Fleisch-, Bilanz- und Abgas-skandal ihren Job gemacht haben. Hier wäre mehr statt weniger Staat richtig gewesen.

Der Staat sollte den Ordnungsra­hmen nicht verschiebe­n

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