Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Corona-krise verstärkt Unsicherhe­iten

Heute endet die Frist für eine Verlängeru­ng der Verhandlun­gen für einen Austritt Großbritan­niens aus der EU. Inzwischen rechnet ein Drittel der deutschen Unternehme­n mit einem „No-deal-brexit“

- VON BRIGITTE MELLERT

Augsburg In den vergangene­n Monaten bestimmte ein Thema die Berichters­tattung: die Corona-krise. Im Hintergrun­d weitergela­ufen sind wichtige politische Entscheidu­ngen aber dennoch. So endet am heutigen Dienstag die Frist, um die Brexitverh­andlungen noch verlängern zu können. Die britische Regierung hat sie verstreich­en lassen. Bis zum Ende der Übergangsp­hase am 31. Dezember bleiben nun nicht einmal mehr 180 Tage. Einer Umfrage des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) zufolge gehen inzwischen rund 30 Prozent der deutschen Unternehme­n von einem Nodeal-brexit aus, also einem Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU ohne Abkommen. Auch in Schwaben sind rund 500 Unternehme­n vom Brexit betroffen: Lebensmitt­elbranche, Maschinenb­au, Kfzzuliefe­rer und Logistiker gehören dazu.

Eines davon ist die Molkerei Gropper aus dem Kreis Dillingen. Für sie ist Großbritan­nien ein wichtiger Markt. Gropper beliefert nicht nur die dortigen Filialen von Aldi und Lidl, sondern auch andere britische Händler. Die Corona-krise hat auch bei ihnen zu Problemen ge

Trotzdem sieht Christian Oppitz, Geschäftsf­ührer Marketing und Vertrieb, die Vorbereitu­ngen auf den Austritt Großbritan­niens aber nicht gefährdet. „Die Brexitvorb­ereitungen waren schon vor der Corona-krise abgeschlos­sen.“Auf die Betriebe kämen daher dieselben Probleme dazu wie vor Beginn der Pandemie: Im Falle eines No-deal-brexit rechnet er durch Grenzkontr­ollen und Zöllen mit längeren Transportz­eiten, die dreimal so hoch sein könnten und damit steigende Preisen für britische Kunden. Ob letztlich ein harter Brexit

wird, kann Oppitz derzeit nicht vorhersage­n. „Es hängt davon ab, wie die Pandemie sich entwickelt.“Da England von der Coronakris­e besonders hart getroffen ist, könne dies die Verhandlun­gen beeinfluss­en, sagt Oppitz.

Rund ein Drittel der befragten Unternehme­n gaben bei der Umfrage des BDI an, in den Vorbereitu­ngen auf den Brexit durch die Corona-krise gehemmt worden zu sein. Die Mehrheit aber fühlte sich wie Gropper bereits gewappnet. Dennoch fürchten rund 40 Prozent einen hohen Schaden für ihr Unterführt. nehmen. Besonders die Gefahr vor einem Verfall der EU und einem nachlassen­den Handel mit Großbritan­nien sei hoch. Damit ist dieses Risiko in den Augen der Unternehme­r seit 2019 deutlich gestiegen.

Durch den schleppend­en Verhandlun­gsverlauf sieht Bdi-hauptgesch­äftsführer Joachim Lang Investitio­nsentschei­dungen erschwert. Aus diesem Grund könnten sich Standorte aus Großbritan­nien wegverlage­rn. Das prognostiz­iert auch Axel Sir, Leiter des Bereichs Zoll und Außenwirts­chaftsrech­t an der Industrie- und Hankommen delskammer Schwaben. Durch die Erfahrunge­n in der Pandemie mit unterbroch­enen Lieferkett­en und weggefalle­nen Absatzmärk­ten könnten sich Unternehme­n aus Großbritan­nien in die EU zurückzieh­en. Eine Entwicklun­g, die es zwar schon vor der Pandemie gab, die sich aber seither verstärkt habe, sagt Sir. „Die Corona-krise wirkt als Katalysato­r für schon bestehende Unsicherhe­iten.“So hoch wie noch nie. „Die Planungsle­itplanken der Betriebe werden noch unkonkrete­r.“Neben den wirtschaft­lichen Folgen durch die Corona-krise auch die Brexit-vorbereitu­ngen voranzutre­iben, stelle diese vor eine große Herausford­erung. Auch, weil während des Lockdowns die Kommunikat­ion erschwert gewesen sei.

Sir sagt aber auch: „Die Unternehme­n hatten genug Zeit für die Vorbereitu­ngen.“Zudem ist er optimistis­ch, zumindest ein „partielles Abkommen“zu erreichen. Die Verhandlun­gen seien schon zuvor chaotisch und „in letzter Sekunde“geführt worden, sodass Sir auch jetzt mit einer Regelung für den Warenverke­hr rechnet.

Laut der Bdi-umfrage denken 26 Prozent der Betriebe ebenso und hoffen auf ein Freihandel­sabkommen.

 ?? Foto: Laurent Dubrule, EPA, dpa ?? Die Brexit-vorbereitu­ngen sind durch die Corona-krise erschwert worden, aber nicht unmöglich. Für viele Unternehme­n haben sich bestehende Planungsun­sicherheit­en verstärkt.
Foto: Laurent Dubrule, EPA, dpa Die Brexit-vorbereitu­ngen sind durch die Corona-krise erschwert worden, aber nicht unmöglich. Für viele Unternehme­n haben sich bestehende Planungsun­sicherheit­en verstärkt.

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