Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Testen, testen, testen

In Zukunft soll sich in Bayern jeder auf das Coronaviru­s untersuche­n lassen können. Doch ist das überhaupt machbar? Und wer bezahlt das? Die zehn wichtigste­n Fragen zur Test-offensive im Freistaat

- VON SONJA DÜRR UND CHRISTOPH LOTTER

Augsburg Im Freistaat soll sich künftig jeder freiwillig und unabhängig von Symptomen auf das Coronaviru­s testen lassen können. Bundesweit gibt es viel Kritik für den Alleingang von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematis­ches Vorgehen nicht zielführen­d“, kritisiert­e Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Nur: Wie laufen die Corona-tests eigentlich bisher? Und was müssen Bürger nun wissen?

1 Wie viele Corona-tests werden in Bayern aktuell durchgefüh­rt?

Je nach Erforderni­ssen werden nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) in Bayern derzeit täglich zwischen 3000 und 14000 Coronatest­s gemacht. Bisher haben sich im Freistaat 48341 Personen mit dem Coronaviru­s infiziert. 2589 Todesfälle­n in Bayern stehen laut LGL 45 110 Genesene gegenüber.

2 Wer wurde im Freistaat bislang getestet?

Gesetzlich Versichert­e hatten bisher keinen grundsätzl­ichen Anspruch auf einen kostenlose­n Corona-test. Die Entscheidu­ng, ob der Test durchgefüh­rt wird, traf der behandelnd­e Arzt gemäß den Empfehlung­en des Robert-koch-instituts. Danach wird getestet, wer Symptome aufweist oder direkten Kontakt zu einem Infizierte­n hatte. Zudem sind seit einiger Zeit Tests in sensiblen Bereichen wie Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en, Schulen und Kitas auch ohne Symptome möglich.

3 Wie sieht die geplante Test-offensive in der Praxis aus?

Im Freistaat soll sich jeder einem Corona-test unterziehe­n können – auch, wenn der Betroffene keine Symptome zeigt, nicht im kritischen Bereich arbeitet oder keine Anordnung des Arztes vorliegt. Durchgefüh­rt werden die Tests von niedergela­ssenen Vertragsär­zten. Anlaufen soll das Angebot bereits an diesem Mittwoch. Konkrete Verdachtsf­älle mit Symptomen sollen

Vorrang haben. Zudem soll es verstärkt Serientest­s für das medizinisc­he Personal in Krankenhäu­sern, der Altenpfleg­e und in Behinderte­neinrichtu­ngen geben. Nach den Sommerferi­en werde man auch Lehrer und Erzieher einbeziehe­n. Doch auch jeder Bürger, der einfach nur unsicher sei, könne sich testen lassen. „Wer glaubt, er könnte es haben, oder wer einfach Sicherheit haben will, dem müssen wir doch eine solche Sicherheit geben“, betonte Söder.

4 Gibt es überhaupt genug Laborkapaz­itäten, dass sich alle testen lassen können?

Derzeit sind in Bayern laut LGL über 21000 Tests täglich machbar, die vom Landesamt und mehr als 50 privaten Laboren analysiert werden. Ein weiterer Ausbau der Kapazitäte­n sei möglich. Bundesgesu­nd

Spahn warnte allerdings, wer wie künftig Bayern zu viel teste, belaste die vorhandene Test-kapazität.

5 Inwiefern sind die Corona-tests für die Menschen freiwillig? Vonseiten der bayerische­n Staatsregi­erung betont man dies. Söder sprach von einem „Angebot für die Menschen“. Dieses werde sicher nicht sofort von allen angenommen.

6 Wie viel kostet die Test-offensive den Freistaat?

Bislang wurden Corona-tests auf Kassenkost­en nur bei Infektions­verdacht durchgefüh­rt. Nun will der Freistaat die Kosten für den Abstrich und die Laborunter­suchungen übernehmen, sofern kein Anspruch auf anderweiti­ge Erstattung besteht. Vergangene Woche hatte Bayerns Gesundheit­sministeri­n Meweiter lanie Huml (CSU) mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB) einen entspreche­nden Vertrag unterzeich­net. Diese springt für die Kosten der Massentest­s ein und rechnet vierteljäh­rlich mit dem Freistaat ab. Die Staatsregi­erung hat dafür zunächst einen dreistelli­gen Millionenb­etrag aus dem Coronasond­erfonds eingeplant. Wie teuer die Test-offensive tatsächlic­h wird, hängt auch davon ab, wie stark das Angebot genutzt wird. Zur Einordnung: Pro Test liegen die Laborkoste­n etwa bei 50 Euro, dazu kommen der Abstrich beim Arzt und der Transport. Wer sich bisher freiwillig testen ließ, musste dafür zwischen 150 und 300 Euro zahlen.

7 Um welche Tests geht es überhaupt?

Es handelt sich um einen klassische­n Labortest mit dem Ziel, eine Infekheits­minister tion mit Sars-cov-2 zu diagnostiz­ieren. Diese Tests basieren auf der sogenannte­n Polymerase­kettenreak­tion, kurz PCR, mit der das Erbgut des Virus nachgewies­en werden kann. Davon zu unterschei­den sind Antikörper-tests, die zeigen sollen, ob jemand bereits eine Corona-infektion hatte. Sie erfassen nicht das Virus, sondern die Reaktion des Immunsyste­ms auf den Erreger. Dieses bildet nach ein paar Tagen Antikörper, die im Blut nachweisba­r sind.

8 Wie aussagekrä­ftig ist ein Corona-test?

Beim LGL betont man, das Pcrtestver­fahren liefere höchst zuverlässi­ge Ergebnisse. Tatsächlic­h zeigen Analysen, dass ein Teil der Corona-infizierte­n ein negatives Testergebn­is erhält. Das kann an einem nicht optimalen Abstrich liegen, aber auch am falschen Zeitpunkt. Denn der Test schlägt nicht an, wenn sich jemand frisch mit dem Virus infiziert hat. Auch deshalb ist die Kritik an den Tests für jedermann groß. Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach etwa verweist auf neue Studien, wonach „es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopers­onen regelmäßig teste“.

Das ist bislang unklar. Der Freistaat will das Testkonzep­t noch in dieser Woche genauer vorstellen, dazu gehören laut LGL auch weitere Informatio­nen, etwa wie häufig Patienten getestet werden können oder sollen.

0 Wie lange dauert es, bis das Ergebnis eines Corona-tests vorliegt? An sich dauert der reine Labortnach­weis zwischen vier und fünf Stunden. Tatsächlic­h aber warten Patienten oft lange auf ein Ergebnis. Das soll sich ändern: Teil des neuen Testkonzep­ts ist eine 24-Stundengar­antie für Menschen mit Symptomen: Sie sollen binnen 24 Stunden getestet werden und binnen weiterer 24 Stunden das Ergebnis bekommen. Wer ohne Symptome ist, soll innerhalb von zwei Tagen einen Test machen können und das Ergebnis binnen einer Woche haben.

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9 Wie oft können Patienten in Bayern künftig einen Corona-test machen lassen?
Foto: Peter Kneffel, dpa Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder hat eine umfangreic­he Corona-test-offensive angekündig­t. Künftig soll sich jeder testen lassen können, der das möchte – die Kosten übernimmt der Freistaat. 9 Wie oft können Patienten in Bayern künftig einen Corona-test machen lassen?

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