Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Testen, testen, testen
In Zukunft soll sich in Bayern jeder auf das Coronavirus untersuchen lassen können. Doch ist das überhaupt machbar? Und wer bezahlt das? Die zehn wichtigsten Fragen zur Test-offensive im Freistaat
Augsburg Im Freistaat soll sich künftig jeder freiwillig und unabhängig von Symptomen auf das Coronavirus testen lassen können. Bundesweit gibt es viel Kritik für den Alleingang von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend“, kritisierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Nur: Wie laufen die Corona-tests eigentlich bisher? Und was müssen Bürger nun wissen?
1 Wie viele Corona-tests werden in Bayern aktuell durchgeführt?
Je nach Erfordernissen werden nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Bayern derzeit täglich zwischen 3000 und 14000 Coronatests gemacht. Bisher haben sich im Freistaat 48341 Personen mit dem Coronavirus infiziert. 2589 Todesfällen in Bayern stehen laut LGL 45 110 Genesene gegenüber.
2 Wer wurde im Freistaat bislang getestet?
Gesetzlich Versicherte hatten bisher keinen grundsätzlichen Anspruch auf einen kostenlosen Corona-test. Die Entscheidung, ob der Test durchgeführt wird, traf der behandelnde Arzt gemäß den Empfehlungen des Robert-koch-instituts. Danach wird getestet, wer Symptome aufweist oder direkten Kontakt zu einem Infizierten hatte. Zudem sind seit einiger Zeit Tests in sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen und Kitas auch ohne Symptome möglich.
3 Wie sieht die geplante Test-offensive in der Praxis aus?
Im Freistaat soll sich jeder einem Corona-test unterziehen können – auch, wenn der Betroffene keine Symptome zeigt, nicht im kritischen Bereich arbeitet oder keine Anordnung des Arztes vorliegt. Durchgeführt werden die Tests von niedergelassenen Vertragsärzten. Anlaufen soll das Angebot bereits an diesem Mittwoch. Konkrete Verdachtsfälle mit Symptomen sollen
Vorrang haben. Zudem soll es verstärkt Serientests für das medizinische Personal in Krankenhäusern, der Altenpflege und in Behinderteneinrichtungen geben. Nach den Sommerferien werde man auch Lehrer und Erzieher einbeziehen. Doch auch jeder Bürger, der einfach nur unsicher sei, könne sich testen lassen. „Wer glaubt, er könnte es haben, oder wer einfach Sicherheit haben will, dem müssen wir doch eine solche Sicherheit geben“, betonte Söder.
4 Gibt es überhaupt genug Laborkapazitäten, dass sich alle testen lassen können?
Derzeit sind in Bayern laut LGL über 21000 Tests täglich machbar, die vom Landesamt und mehr als 50 privaten Laboren analysiert werden. Ein weiterer Ausbau der Kapazitäten sei möglich. Bundesgesund
Spahn warnte allerdings, wer wie künftig Bayern zu viel teste, belaste die vorhandene Test-kapazität.
5 Inwiefern sind die Corona-tests für die Menschen freiwillig? Vonseiten der bayerischen Staatsregierung betont man dies. Söder sprach von einem „Angebot für die Menschen“. Dieses werde sicher nicht sofort von allen angenommen.
6 Wie viel kostet die Test-offensive den Freistaat?
Bislang wurden Corona-tests auf Kassenkosten nur bei Infektionsverdacht durchgeführt. Nun will der Freistaat die Kosten für den Abstrich und die Laboruntersuchungen übernehmen, sofern kein Anspruch auf anderweitige Erstattung besteht. Vergangene Woche hatte Bayerns Gesundheitsministerin Meweiter lanie Huml (CSU) mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Diese springt für die Kosten der Massentests ein und rechnet vierteljährlich mit dem Freistaat ab. Die Staatsregierung hat dafür zunächst einen dreistelligen Millionenbetrag aus dem Coronasonderfonds eingeplant. Wie teuer die Test-offensive tatsächlich wird, hängt auch davon ab, wie stark das Angebot genutzt wird. Zur Einordnung: Pro Test liegen die Laborkosten etwa bei 50 Euro, dazu kommen der Abstrich beim Arzt und der Transport. Wer sich bisher freiwillig testen ließ, musste dafür zwischen 150 und 300 Euro zahlen.
7 Um welche Tests geht es überhaupt?
Es handelt sich um einen klassischen Labortest mit dem Ziel, eine Infekheitsminister tion mit Sars-cov-2 zu diagnostizieren. Diese Tests basieren auf der sogenannten Polymerasekettenreaktion, kurz PCR, mit der das Erbgut des Virus nachgewiesen werden kann. Davon zu unterscheiden sind Antikörper-tests, die zeigen sollen, ob jemand bereits eine Corona-infektion hatte. Sie erfassen nicht das Virus, sondern die Reaktion des Immunsystems auf den Erreger. Dieses bildet nach ein paar Tagen Antikörper, die im Blut nachweisbar sind.
8 Wie aussagekräftig ist ein Corona-test?
Beim LGL betont man, das Pcrtestverfahren liefere höchst zuverlässige Ergebnisse. Tatsächlich zeigen Analysen, dass ein Teil der Corona-infizierten ein negatives Testergebnis erhält. Das kann an einem nicht optimalen Abstrich liegen, aber auch am falschen Zeitpunkt. Denn der Test schlägt nicht an, wenn sich jemand frisch mit dem Virus infiziert hat. Auch deshalb ist die Kritik an den Tests für jedermann groß. Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa verweist auf neue Studien, wonach „es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopersonen regelmäßig teste“.
Das ist bislang unklar. Der Freistaat will das Testkonzept noch in dieser Woche genauer vorstellen, dazu gehören laut LGL auch weitere Informationen, etwa wie häufig Patienten getestet werden können oder sollen.
0 Wie lange dauert es, bis das Ergebnis eines Corona-tests vorliegt? An sich dauert der reine Labortnachweis zwischen vier und fünf Stunden. Tatsächlich aber warten Patienten oft lange auf ein Ergebnis. Das soll sich ändern: Teil des neuen Testkonzepts ist eine 24-Stundengarantie für Menschen mit Symptomen: Sie sollen binnen 24 Stunden getestet werden und binnen weiterer 24 Stunden das Ergebnis bekommen. Wer ohne Symptome ist, soll innerhalb von zwei Tagen einen Test machen können und das Ergebnis binnen einer Woche haben.