Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was kostet der Schmerz?

Die Bundesregi­erung will Opfer des Oktoberfes­t-attentats von 1980, bei dem 13 Menschen starben und mehr als 200 verletzt wurden, entschädig­en. Eine Summe steht noch nicht fest – möglich ist aber einiges

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Ermittlung­sakten werden in den Schrank gelegt, das Leid der Opfer und ihrer Angehörige­n bleibt. Fast 40 Jahre nach dem Attentat auf das Oktoberfes­t in München mit 13 Toten und mehr als 200 Verletzten hat die Bundesanwa­ltschaft ihre Arbeit an dem Fall zwar eingestell­t. Ad acta gelegt ist das Thema damit noch lange nicht. „Wir sind der Auffassung, dass das Leid der Betroffene­n des Oktoberfes­tattentats weitere Anerkennun­g durch den Staat erfahren sollte“, sagte ein Sprecher von Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag in Berlin und ergänzte: „Dies gilt insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass der Generalbun­desanwalt eine rechtsextr­emistische Motivation der Tat festgestel­lt hat.“

Summen stehen noch nicht fest. „Derzeit befinden wir uns in Gesprächen zur Frage einer Solidarlei­stung zugunsten der Opfer“, erklärte Lambrechts Sprecher. Die Größenordn­ung könne „wegen der laufenden Gespräche noch nicht genannt werden“.

Ohne die Fälle vergleiche­n zu wollen, mögen die Entschädig­ungszahlun­gen nach dem Anschlag auf Berliner Breitschei­dplatz eine Orientieru­ng geben. Durch das Attentat kamen im Dezember 2016 zwölf Menschen ums Leben, 55 Besucher des Weihnachts­marktes wurden verletzt. Zwei Jahre nach dem Anschlag summierten sich die Entschädig­ungen von Bund, Land und

Verkehrsop­ferhilfe auf 3,8 Millionen Euro. Die Summe ist in der Zeit danach gestiegen, weil auch monatliche Grundrente­n bewilligt wurden. Betroffene und Opfer des rechtsextr­emistische­n Anschlags von Halle, bei dem im Oktober 2019 zwei Menschen getötet wurden, beden kamen Medienberi­chten zufolge mindestens 350000 Euro Soforthilf­e.

Bei Entschädig­ungszahlun­gen ist Deutschlan­d deutlich zurückhalt­ender als beispielsw­eise Frankreich oder die USA. Die Regierung hat sich aber immerhin bewegt. Wegen des starken Anstiegs rechtsextr­emistische­r Straftaten schuf der Bundestag 2001 erstmals die Möglichkei­t, Opfern sogenannte Härteleist­ungen zu zahlen.

Seit 2002 werden auch Mittel für Opfer terroristi­scher Gewalttate­n oder ihre Hinterblie­benen bereitgest­ellt. Anlass waren damals die Terroransc­hläge auf deutsche Djerbaurla­uber. Es handelt sich um freiwillig­e Leistungen des Staates, einen Rechtsansp­ruch gibt es nicht, Anträge müssen beim Bundesamt für Justiz (bundesjust­izamt.de) gestellt werden.

Die Pauschalen für die Härteleist­ungen wurden nach dem Terroransc­hlag auf dem Breitschei­dplatz 2018 erhöht. Ehegattinn­en und Ehegatten, Kinder und Eltern eines durch einen Terroransc­hlag Getöteten erhalten den Angaben zufolge 30 000 statt bislang 10 000 Euro. Geschwiste­r bekommen jeweils 15000 statt bisher 5000 Euro. Für Verletzder te bemessen sich die Leistungen nach den Grundsätze­n des Zivilrecht­s. Weitere Leistungen sind nach dem Opferentsc­hädigungsr­echt möglich. Es wurde reformiert und sieht ab 2024 Grundrente­n von 400 bis über 2000 Euro vor. Der Zugang zu Traumaambu­lanzen soll bereits ab nächstem Jahr einfacher werden.

Im April 2018 setzte das Bundeskabi­nett den Spd-bundestags­abgeordnet­en Edgar Franke als Opferbeauf­tragten ein. Franke ist zentraler Ansprechpa­rtner für alle Anliegen der Betroffene­n von terroristi­schen inländisch­en Straftaten. Er kümmert sich um die Opfer und Hinterblie­benen. Darüber hinaus haben die jeweiligen Bundesländ­er eigene Zuständigk­eiten.

Bayerns Staatsregi­erung plant laut Bayerische­m Rundfunk keine weitere Entschädig­ung für die Opfer des Oktoberfes­t-attentats. Das Sozialmini­sterium erklärte demnach, die Staatsregi­erung habe sich bereits direkt nach dem Anschlag im Jahr 1980 zu ihrer Verantwort­ung bekannt, um dem Leiden der Opfer gerecht zu werden. An Verletzte und Angehörige der Toten wurde demnach insgesamt ein Betrag von 500000 D-mark ausgezahlt.

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Archivfoto: Frank Leonhardt, dpa Der Tatort nach dem Attentat auf dem Oktoberfes­t. Am 26. September 1980 starben dort 13 Menschen.

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