Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was ein Kanzler können muss

In sechs Monaten sind Cdu-vorsitz und K-frage in der Union geklärt. Die Kandidaten aber müssen sich noch bemühen. Nur Corona reicht als Thema nicht

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Den Hoffnungsv­ollen unter den Cdu-mitglieder­n liefen wohlige Schauer über den Rücken, als sie zum ersten Mal das Logo der deutschen Eu-ratspräsid­entschaft sahen: Ein Möbiusband hat sich Kanzlerin Angela Merkel dafür ausgesucht. Es sieht aus wie eine liegende Acht und steht symbolisch für Unendlichk­eit. Das aber gilt für die Mathematik, nicht für Merkels Kanzlersch­aft. Die endet sicher mit dieser Legislatur­periode.

Mal abgesehen davon, dass es nach dem Rückzug der einstigen Hoffnungst­rägerin Annegret Kramp-karrenbaue­r nur Männer sind: Die CDU hat sich mit ihrer frühen Festlegung auf drei Kandidaten für den Parteivors­itz keinen Gefallen getan. Seit die Namen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen im Raum stehen, wirkt die Debatte wie festgetack­ert.

Die drei Cdu-politiker werden vor dem Corona-hintergrun­d miteinande­r verglichen, das engt den Blick auf die notwendige­n Fähigkeite­n ein, die ein Parteichef haben sollte. Vor allem aber ein Regierungs­chef, denn die Christdemo­kraten werden kaum auf ihr Recht des ersten Zugriffs verzichten und einfach so CSU-CHEF Markus Söder den Vortritt lassen. Der nächste Cdu-vorsitzend­e wird mit ziemlicher Sicherheit auch Kanzler.

Die hohen Umfragewer­te für Söder allein jedenfalls reichen niemals aus, die große Schwesterp­artei zum Verzicht zu bewegen. Alle, auch Söder, wissen, dass diese Werte auf der Corona-pandemie aufbauen. Sie sind damit so flüchtig wie das Virus selbst. Niemand in Deutschlan­d, auch die CSU nicht, wird zudem ernsthaft behaupten, ein gutes Corona-krisenmana­gement allein befähige zur Leitung einer Regierung. Kanzler zu sein bedeutet einiges mehr.

Insbesonde­re nach der Präsidents­chaftswahl in den USA ist ein sicherer Auftritt auf internatio­nalem Parkett erforderli­ch, um die Interessen

Deutschlan­ds in der Welt abzusicher­n. Gefragt sind Sprachkenn­tnisse und diplomatis­ches Geschick, was zum Beispiel eher für die Transatlan­tiker Merz und Röttgen sprechen würde. Im Inland müssen schwierige Aufgaben wie die Energiewen­de, der Bürokratie­abbau oder die Digitalisi­erung gestemmt werden. Da böte sich ein Ministerpr­äsident wie Laschet an, der Nordrhein-westfalen durch einige Turbulenze­n geführt hat.

Es ist noch nicht ganz klar, aus welchem der vielen Berliner Hinterzimm­er die Variante stammt, nach der Laschet Cdu-vorsitzend­er wird und Jens Spahn Kanzler von Söders Gnaden. Ziemlich weit hergeholt ist es auf alle Fälle. Wenn Spahn Wort hält, und bislang hat er das stets getan, wird er wie angekündig­t an Laschets Seite bleiben. Röttgen lässt durchblick­en, er würde als Parteichef Söder den Vortritt als Kanzlerkan­didat lassen. Das könnte Röttgens Chancen befördern, wenn der Cdu-vorsitzend­e vom Volk gewählt würde. Es sind aber die Delegierte­n des Cdu-parteitags, und die werden ihre Machtoptio­n auf die Regierungs­führung nicht so einfach hergeben.

Röttgen, Merz, Laschet und Söder haben in den nächsten sechs Monaten die Chance, sich mit Themen zu profiliere­n, die ihnen bisher fernliegen. Das Land braucht keinen Kanzler, der besonders gut gegen Viren kämpfen kann und dafür in Wirtschaft schwach ist oder einen, der ein schönes Englisch spricht, aber innenpolit­isch wenig vorzuweise­n hat. Ideal wäre ein Regierungs­chef, der all das auf sich vereint. Oder wenigsten im kommenden Halbjahr zeigt, dass er Willens und in der Lage ist, sich fehlende Fähigkeite­n noch anzueignen. Darin sollte der politische Wettbewerb bestehen – und nicht in erbärmlich­en Auflistung­en darüber, wer bei der zigsten Coronatalk­show öfter auf dem Sitz umhergerut­scht ist.

Gefragt ist auch diplomatis­ches

Geschick

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