Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kapitän in stürmischer Zeit
Der Ire Paschal Donohoe setzt als neuer Eurogruppen-chef mitten in der Corona-krise auf Fairness und Ausgleich
Brüssel Es ist vielleicht der Brüsseler Top-job, zu dem man – noch dazu mitten in der Coronavirus-krise – weniger gratulieren als vielmehr sein Beileid übermitteln sollte: Chef der Eurogruppe. Doch Paschal (sprich: Pascal) Donohoe, bisher „nur“irischer Finanzminister, twitterte nach seiner Wahl am späten Donnerstagabend, er wolle seine neue Aufgabe „mit Entschlossenheit angehen“und auf eine „faire und alle einschließende Erholung“hinarbeiten. Eu-kommissionsvize Valdis Drombrovskis sicherte ihm schon mal Unterstützung zu: „Sie übernehmen das Eurogruppenschiff als Kapitän unter sehr stürmischen Bedingungen“, erklärte Dombrovskis. Er sei aber sicher, dass Donohoe das Ruder geschickt führen werde.
Der 45-Jährige hatte sich in seiner Bewerbung als „starke irische und europäische Stimme im Zentrum der Eu-wirtschaftspolitik“beschrieben. Dennoch brauchte der Christdemokrat aus den Reihen der Fine Gael-partei zwei Wahlgänge, um die spanische Konkurrentin Nadia Calviño und den Luxemburger Pierre Gramegna aus dem Rennen zu werfen. Er tritt nun am 13. Juli die Nachfolge des Portugiesen Mário Centeno an, der als Finanzminister seines Landes zurückgetreten war und deshalb nicht mehr zur Wahl stand.
Der Vater zweier Kinder hat bisher eine politische Bilderbuch-karriere absolviert. Er studierte in Dublin Politik und Wirtschaft und entschied sich zunächst für eine Karriere bei dem Konsumgüterkonzern Procter & Gamble in Großbritannien, wo er im Verkauf tätig war. 2004 wurde er in den Stadtrat der Hauptstadt Dublin, 2011 in das Dáil Éireann, das irische Parlament, gewählt. Gut zwei Jahre später avancierte er zum ersten Mal auf einen
Ministerposten, in den vergangenen drei Jahren war er für Verkehr und Europa-angelegenheiten zuständig. Donohoe gilt als engagierter Europäer, der Helmut Kohl einmal sein Vorbild nannte. Ob er allerdings viel bewirken kann, ist zweifelhaft.
Denn mit dem Vorsitz der Eurogruppe – dem informellen Gremium der Wirtschafts- und Finanzminister der 19 Eurostaaten – ist keine echte Macht verbunden. Der Vorsitzende, der den Job zusätzlich zu seinem Ministeramt ausübt und zunächst für zweieinhalb Jahre gewählt wird, hat mehr die Funktion eines Wortführers inne.
Zudem gilt Donohoe als Vertreter eines Landes, das sich bei gemeinsamen Steuerentscheidungen gerne querlegt. Das könnte angesichts von Überlegungen für neue Abgaben wie zum Beispiel für eine Digitalsteuer schwierig werden, zumal der Ire wohl alles versuchen dürfte, um die lukrativen Bedingungen für Apple, Microsoft & Co auf der grünen Insel nicht zu verschlechtern.
Andererseits gilt Irland vielen als Beispiel für einen stabilen wirtschaftlichen Aufschwung nach der Finanzkrise. Nachdem Dublin zeitweise die Hilfe des Euro-rettungsschirms in Anspruch nehmen musste, ging die Regierung harte und heftig umstrittene Reformen an, die sich auszahlten. Erst vor wenigen Tagen bescheinigte die Eu-kommission Irland, dass es zwar einen Einbruch von 7,7 Prozent in diesem Jahr erleiden werde (Deutschland: -6,3, EU: - 8,3), aber 2021 könnte die irische Wirtschaft schon wieder ein Plus von 6,2 Prozent einfahren.