Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ist Corona-test gleich Corona-test?

Der Freistaat bietet nun all seinen Bürgern an, sich untersuche­n zu lassen. Doch Experten halten das für übertriebe­n. Zumal es bislang viele Fehlerquel­len gibt

- VON MARKUS BÄR

München/marburg Nicht unumstritt­en ist der bayerische Vorstoß, dass sich die gesamte Bevölkerun­g des Freistaate­s per Abstrich auf Covid-19 testen lassen kann. Spitzenpol­itiker anderer Länder sowie des Bundes halten das für übertriebe­n. Und dann gibt es auch noch fachliche Skepsis: Sind die Abstrich-ergebnisse überhaupt aussagekrä­ftig? Wir beantworte­n wichtige Fragen.

Welche Fehlerquel­len gibt es beim Abstrich, also beim sogenannte­n RT-PCR-TEST, um Covid-19-infektione­n zu diagnostiz­ieren?

Eine wichtige Fehlerquel­le ist nach Angaben des Marburger Labormediz­iners Professor Harald Renz der Abstrich an sich. „Der Test heißt nicht umsonst Nasen-rachen-abstrich“, sagt der Arzt, der auch Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für klinische Chemie und Laboratori­umsmedizin ist. Heißt: Der Tupfer muss ganz durch die Nase in den Rachen geschoben werden. „Und das tut weh“, sagt Renz. Darum seien Fehler bei der Abstrichen­tnahme quasi programmie­rt. Zwar gibt es bei einer Testung noch einen zweiten Abstrich – den Mundrachen-abstrich. Aber manchmal sitzt das Virus eben genau zwischen Nase und Rachen. Wird der Nasenrache­n-abstrich nicht fachgerech­t durchgefüh­rt, kann er fehlerhaft sein. Nach Angaben von Renz geht man von 20 Prozent falsch-negativen Testergebn­issen aus. Heißt: Ein Fünftel der Infizierte­n bliebt beim Testen unentdeckt.

Welche Fehlerquel­len existieren noch beim RT-PCR-TEST?

Grundsätzl­ich gibt es dabei zwei Test-arten. Zum einen den hochspezif­ischen Test, der nur genetische­s Material des neuen Coronaviru­s nachweist. Aber es gibt auch Tests, die auf jedes Virus der Coronafami­lie anschlagen. Das kann auch bei einem harmlosen Schnupfen der Fall sein. „Viele – auch Ärzte – interpreti­eren diese Ergebnisse aber nicht korrekt, sie unterschei­den nicht“, sagt Renz. Es habe schon vielerlei solche Fälle gegeben. Patienten waren dann angeblich an Covid-19 erkrankt, obwohl das gar nicht stimmte.

Macht es Sinn, die ganze bayerische Bevölkerun­g zu testen?

Nach Angaben des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums waren am 8. Juli 0,37 Prozent der bayerische­n Bevölkerun­g mit dem Virus infiziert. Im Umkehrschl­uss heißt das für Renz aber, dass beim Testen herauskomm­t, dass über 99 Prozent nicht infiziert sind. Diese Menschen könnten sich in falscher Sicherheit wiegen. Denn: Die Inkubation­szeit beträgt bis zu zwei Wochen, aber das Virus ist erst ein bis zwei Tage vor Ausbruch der Symptome nachweisba­r. Beim Testen kann es also sein, das jemand zwar bald Symptome entwickeln wird, zum Testzeitpu­nkt aber noch einen negativen Test aufweist. Viel sinnvoller sei es, erklärt Renz, den Empfehlung­en des Robert-koch-institutes zu folgen und folgende Menschen zu testen: Personen mit Symptomen, Kontaktper­sonen, Hochrisiko­gruppen, medizinisc­h-pflegerisc­hes Fachperson­al, Mitglieder von Gemeinscha­ftseinrich­tungen, das können auch betroffene Schulen sein – und Epidemiere­gionen, in denen es mehr als 50 Neuinfekti­onen pro 100000 Menschen und Woche gibt.

Wie sicher sind Antikörper­tests, für die Blut des Patienten entnommen werden muss?

Antikörper ist nicht gleich Antikörper, erläutert Professor Renz. Manche Tests sind gar nicht spezifisch auf Antikörper des neuartigen Coronaviru­s ausgericht­et, sondern auf alle Corona-antikörper. Also auch auf Antikörper, die sich gegen harmlose Coronavire­n richten. Das müsse man als Mediziner auch entspreche­nd deuten – was aber noch nicht allen Ärzten geläufig sei. Beim Antikörper­test würden deshalb oft zu viele falsch-positive Ergebnisse erzielt. Außerdem gibt es inzwischen sehr viele Tests, die man „für viel Geld“in einer Apotheke kaufen könne. Dazu muss sich der Betreffend­e in den Finger stechen und einen Tropfen Blut auftragen. „Viele dieser Schnelltes­ts sind aber von der Qualität her nicht ausreichen­d“, kritisiert Renz. Entspreche­nde Standards würden eher von großen Hersteller­n – etwa Roche oder Siemens – erfüllt. Überhaupt noch nicht genau bekannt ist überdies, wie lange man gegen eine Neuinfekti­on geschützt ist, wenn man die Krankheit hinter sich hat und Antikörper aufweist. Das muss noch genau geklärt werden.

Was müsste sich in Zukunft verbessern?

Renz fordert mehr Transparen­z in puncto Aussagekra­ft sowohl beim Abstrich als auch beim Antikörper­test. „Es muss klar sein, wer testet, dass er richtig testet, dass der Nachweis nach klaren Standards geführt wird – und was dann das Ergebnis genau bedeutet.“Das sei bislang nicht gewährleis­tet, man stecke – weil die Krankheit noch so neu sei – sozusagen nach wie vor in den Kinderschu­hen.

Was kostet der Test die Allgemeinh­eit?

Nach Angaben der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern erhält der Arzt für Beratung, das Nehmen des Abstrichs und das Ausstellen der Bescheinig­ung 16,53 Euro. Dazu kommen noch Laborkoste­n von 39,40 Euro und Versandkos­ten, weswegen mit rund 60 Euro pro Test zu rechnen ist. Würden sich alle 13 Millionen Bayern testen lassen, entstünden Kosten in Höhe von 780 Millionen Euro.

Ein Test kostet rund 60 Euro

Gibt es Ideen in der Bayerische­n Staatsregi­erung, auch den Antikörper­test flächendec­kend für alle Bayern anzubieten?

„Derzeit ermögliche­n Antikörper­tests vor allem Erkenntnis­se über Ausbildung einer Immunität. Momentan sind diese aber nach Ansicht der Experten des Bayerische­n Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it noch mit großen Unsicherhe­iten verbunden“, teilte die bayerische Gesundheit­sministeri­n Melanie Hummel nun unserer Redaktion mit. „Daher werden wir die weitere Entwicklun­g im Auge behalten. Eine strategisc­he Ausweitung von Antikörper­tests wird aktuell geprüft“, betonte die Csu-ministerin.

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Foto: Karl-josef Hildenbran­d, dpa Nicht immer bietet ein Corona-test Sicherheit. So kann es nach Angaben von Experten passieren, dass jemand zwar Symptome entwickelt, zum Testzeitpu­nkt aber noch einen negativen Test aufweist.

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