Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Grollen der Biker
Verkehr Der Bundesrat fordert Fahrverbote für Motorräder, um lärmgeplagte Anwohner zu entlasten. Doch das stößt auf reichlich Kritik
München Aufheulende Motoren, quietschende Reifen, das Blubbern des Auspuffs. Auf kurvenreichen Strecken gehört das laute Motorengeräusch längst zum Wochenende dazu – zum Ärger der Anwohner. Doch wer ist für den Lärm eigentlich verantwortlich? Auto oder Motorrad? Oder beide? Der Bundesrat zumindest macht die Biker für den Motorenlärm verantwortlich und fordert für sie Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen. Diese fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und protestierten vergangenes Wochenende in mehreren Städten mit einem Korso gegen den Vorschlag. Für sie sind Verbote der falsche Weg.
Viel Lärm gibt es nicht nur in bekannten Ausflugszielen wie am Sudelfeld in Bayrischzell oder dem Kesselberg am Walchensee. Auch der Landkreis Augsburg zieht mit seinen engen Kurven und steilen Anstiegen inmitten der Westlichen Wälder Ps-starke Motorradfahrer an – in Horden, wie die Kritik der Anwohner lautet. Die Gemeinde Mickhausen hat deshalb gehandelt. Auf der Kreisstraße zwischen Schwabmünchen und Mickhausen, auch als „Rennstrecke“bekannt, gibt es seit 2018 für Motorradfahrer in einer Richtung ein Fahrverbot. Von Freitag, 18 Uhr, bis Sonntag, 22 Uhr, und an Feiertagen ist die Strecke gesperrt.
Das ist ein voller Erfolg, wie Mickhausens Bürgermeister Mirko Kujath sagt. Keine aufgedrehten Motorräder mehr, keine Gruppen mit Bikern am Wochenende, weniger schlimme Unfälle. Unterstützt wird das Fahrverbot mit stichprobenartigen Kontrollen der Polizei.
In eine ähnliche Richtung zielt die Empfehlung des Bundesrats. Konkret sieht er „dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes“. Und: Lauter als 80 Dezibel dürfe ein Neufahrzeug dann nicht mehr sein. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Motorradfahrer gibt es bundesweit bereits 157 solcher Fahrverbote. Auch Tirol geht inzwischen streng vor gegen Lärm. Dort dürfen Motorräder mit einem Standgeräusch von mehr als 95 Dezibel auf fünf Streckenabschnitten nicht mehr fahren – egal, wie laut sie während der Fahrt wirklich sind.
Für Biker ist diese Forderung nachvollziehbar: Sie fühlen sich als Buhmann für andere Verkehrsteilnehmer, die ebenso für den Lärmpegel verantwortlich sind, sagt Gábor Kovács von der gemeinnützigen Motorradfahrer-organisation, die vergangenes Wochenende eine Demo in München organisiert hatte. Sportwagen etwa mit manipulierten Auspuffanlagen seien sogar lauter als Motorräder. Dennoch sind sie vom Verbot ausgeschlossen. „Wir brauchen ein gesamtheitliches Verkehrskonzept, das Motorradfahrer nicht ausschließt“, fordert er, und plädiert für mehr Rücksicht auf den Straßen. Ein Fahrverbot zu erwirken, sieht er aber als den falschen Weg. Und wenn, dann müsse es für alle Verkehrsteilnehmer gelten. Deshalb fordert Kovács einen Motorradbeauftragten, der zwischen allen Verkehrsteilnehmern vermittelt. Die Staatsregierung aber sieht „keinen Bedarf“und lehnte seine Forderungen am Donnerstag ab. Kovács sucht aber weiterhin das Gespräch mit der Regierung.
Trotz Verständnis für lärmgeplagte Anwohner, ganz möchte Kovács auf die Freude am Fahren aber nicht verzichten. An stark befahrenen Verkehrsstraßen müsse man eben mit einem gewissen Lärmpegel rechnen, sagt er. So etwa am Kesselberg am Kochelsee. Seit kurzem gibt es dort ein einseitiges Fahrverbot für Motorradfahrer: Am Wochenende und an Feiertagen ist die Strecke bergauf gesperrt. Aber hilft es? Anwohner berichten von Ausweichrouten, die Biker seither nutzen. Und ganz sei das Verkehrsproblem nicht verschwunden: Autofahrer und Fahrradfahrer würden weiterhin über die Pässe rasen. Am Lärmpegel habe sich nur wenig geändert.
Auch Victor Weizenegger aus Neufahrn bei Freising bewertet das geforderte Fahrverbot als wenig zielführend. Der passionierte Motorradfahrer sagt: „Das Fahrverbot ist gut gemeint, aber ein Stück weit populistisch.“Wie etwa solle die geforderte Maximallautstärke von 80 Dezibel technisch umsetzbar sein, fragt sich der 25-Jährige. Motorräder müssten grundsätzlich mit leiseren Motoren produziert werden. Das alleine aber löse noch nicht das Problem. Denn: Wie laut ein Motorrad werde, hänge auch vom individuellen Fahrverhalten ab. Aber auch davon, ob jemand den Schallschutz am Auspuff abmontiert habe. Und da gebe es durchaus ein paar wenige schwarze Schafe, räumt Weizenegger ein. Er versteht, dass dieser Lärm für Anwohner „benicht drohlich wirken kann“. Diese Art des Tunings sei aber illegal.
Auch der ADAC spricht sich gegen ein Fahrverbot aus. Verkehrsexperte Alexander Kreipl sieht Alternativen etwa durch sogenannte Lärmdisplays. Übersteigt die Dezibelzahl eine gewisse Schwelle, so Kreipl, weißt eine digitale Tafel den Fahrer darauf hin, langsamer zu fahren. Erste Pilotversuche in Niederbayern hätten mit dieser Art der Aufklärung bereits Erfolge gezeigt. Das allein aber reiche nicht, sagt der Verkehrsexperte. „Die Polizei muss verstärkt kontrollieren.“Etwa mit Schallpegelmessgeräten, die bereits im Einsatz sind, können Lärmverstöße erfasst werden – und damit auch jene Fahrzeuge, deren Schallschutz am Auspuff manipuliert wurde. Durch harte Konsequenzen, die bis zur Beschlagnahmung des Motorrads reichen, könne Rasern Einhalt geboten werden.
Erste Signale aus München gegen das geforderte Fahrverbot des Bundesrats gab es schon zu Beginn der Woche. Neben dem Städte- und Gemeindebund sprach sich auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann – selbst Motorradfahrer – gegen pauschale Fahrverbote für Motorräder an Sonn- und Feiertagen aus. „Alle Motorradfahrer über einen Kamm zu scheren, ist überzogen“, argumentierte er.
Schallschutz am Auspuff abmontiert