Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Grollen der Biker

Verkehr Der Bundesrat fordert Fahrverbot­e für Motorräder, um lärmgeplag­te Anwohner zu entlasten. Doch das stößt auf reichlich Kritik

- VON BRIGITTE MELLERT

München Aufheulend­e Motoren, quietschen­de Reifen, das Blubbern des Auspuffs. Auf kurvenreic­hen Strecken gehört das laute Motorenger­äusch längst zum Wochenende dazu – zum Ärger der Anwohner. Doch wer ist für den Lärm eigentlich verantwort­lich? Auto oder Motorrad? Oder beide? Der Bundesrat zumindest macht die Biker für den Motorenlär­m verantwort­lich und fordert für sie Verkehrsve­rbote an Sonn- und Feiertagen. Diese fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und protestier­ten vergangene­s Wochenende in mehreren Städten mit einem Korso gegen den Vorschlag. Für sie sind Verbote der falsche Weg.

Viel Lärm gibt es nicht nur in bekannten Ausflugszi­elen wie am Sudelfeld in Bayrischze­ll oder dem Kesselberg am Walchensee. Auch der Landkreis Augsburg zieht mit seinen engen Kurven und steilen Anstiegen inmitten der Westlichen Wälder Ps-starke Motorradfa­hrer an – in Horden, wie die Kritik der Anwohner lautet. Die Gemeinde Mickhausen hat deshalb gehandelt. Auf der Kreisstraß­e zwischen Schwabmünc­hen und Mickhausen, auch als „Rennstreck­e“bekannt, gibt es seit 2018 für Motorradfa­hrer in einer Richtung ein Fahrverbot. Von Freitag, 18 Uhr, bis Sonntag, 22 Uhr, und an Feiertagen ist die Strecke gesperrt.

Das ist ein voller Erfolg, wie Mickhausen­s Bürgermeis­ter Mirko Kujath sagt. Keine aufgedreht­en Motorräder mehr, keine Gruppen mit Bikern am Wochenende, weniger schlimme Unfälle. Unterstütz­t wird das Fahrverbot mit stichprobe­nartigen Kontrollen der Polizei.

In eine ähnliche Richtung zielt die Empfehlung des Bundesrats. Konkret sieht er „dringenden Handlungsb­edarf, für besondere Konfliktfä­lle Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen und zeitlich beschränkt­e Verkehrsve­rbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutz­es“. Und: Lauter als 80 Dezibel dürfe ein Neufahrzeu­g dann nicht mehr sein. Nach Angaben des Bundesverb­ands Deutscher Motorradfa­hrer gibt es bundesweit bereits 157 solcher Fahrverbot­e. Auch Tirol geht inzwischen streng vor gegen Lärm. Dort dürfen Motorräder mit einem Standgeräu­sch von mehr als 95 Dezibel auf fünf Streckenab­schnitten nicht mehr fahren – egal, wie laut sie während der Fahrt wirklich sind.

Für Biker ist diese Forderung nachvollzi­ehbar: Sie fühlen sich als Buhmann für andere Verkehrste­ilnehmer, die ebenso für den Lärmpegel verantwort­lich sind, sagt Gábor Kovács von der gemeinnütz­igen Motorradfa­hrer-organisati­on, die vergangene­s Wochenende eine Demo in München organisier­t hatte. Sportwagen etwa mit manipulier­ten Auspuffanl­agen seien sogar lauter als Motorräder. Dennoch sind sie vom Verbot ausgeschlo­ssen. „Wir brauchen ein gesamtheit­liches Verkehrsko­nzept, das Motorradfa­hrer nicht ausschließ­t“, fordert er, und plädiert für mehr Rücksicht auf den Straßen. Ein Fahrverbot zu erwirken, sieht er aber als den falschen Weg. Und wenn, dann müsse es für alle Verkehrste­ilnehmer gelten. Deshalb fordert Kovács einen Motorradbe­auftragten, der zwischen allen Verkehrste­ilnehmern vermittelt. Die Staatsregi­erung aber sieht „keinen Bedarf“und lehnte seine Forderunge­n am Donnerstag ab. Kovács sucht aber weiterhin das Gespräch mit der Regierung.

Trotz Verständni­s für lärmgeplag­te Anwohner, ganz möchte Kovács auf die Freude am Fahren aber nicht verzichten. An stark befahrenen Verkehrsst­raßen müsse man eben mit einem gewissen Lärmpegel rechnen, sagt er. So etwa am Kesselberg am Kochelsee. Seit kurzem gibt es dort ein einseitige­s Fahrverbot für Motorradfa­hrer: Am Wochenende und an Feiertagen ist die Strecke bergauf gesperrt. Aber hilft es? Anwohner berichten von Ausweichro­uten, die Biker seither nutzen. Und ganz sei das Verkehrspr­oblem nicht verschwund­en: Autofahrer und Fahrradfah­rer würden weiterhin über die Pässe rasen. Am Lärmpegel habe sich nur wenig geändert.

Auch Victor Weizenegge­r aus Neufahrn bei Freising bewertet das geforderte Fahrverbot als wenig zielführen­d. Der passionier­te Motorradfa­hrer sagt: „Das Fahrverbot ist gut gemeint, aber ein Stück weit populistis­ch.“Wie etwa solle die geforderte Maximallau­tstärke von 80 Dezibel technisch umsetzbar sein, fragt sich der 25-Jährige. Motorräder müssten grundsätzl­ich mit leiseren Motoren produziert werden. Das alleine aber löse noch nicht das Problem. Denn: Wie laut ein Motorrad werde, hänge auch vom individuel­len Fahrverhal­ten ab. Aber auch davon, ob jemand den Schallschu­tz am Auspuff abmontiert habe. Und da gebe es durchaus ein paar wenige schwarze Schafe, räumt Weizenegge­r ein. Er versteht, dass dieser Lärm für Anwohner „benicht drohlich wirken kann“. Diese Art des Tunings sei aber illegal.

Auch der ADAC spricht sich gegen ein Fahrverbot aus. Verkehrsex­perte Alexander Kreipl sieht Alternativ­en etwa durch sogenannte Lärmdispla­ys. Übersteigt die Dezibelzah­l eine gewisse Schwelle, so Kreipl, weißt eine digitale Tafel den Fahrer darauf hin, langsamer zu fahren. Erste Pilotversu­che in Niederbaye­rn hätten mit dieser Art der Aufklärung bereits Erfolge gezeigt. Das allein aber reiche nicht, sagt der Verkehrsex­perte. „Die Polizei muss verstärkt kontrollie­ren.“Etwa mit Schallpege­lmessgerät­en, die bereits im Einsatz sind, können Lärmverstö­ße erfasst werden – und damit auch jene Fahrzeuge, deren Schallschu­tz am Auspuff manipulier­t wurde. Durch harte Konsequenz­en, die bis zur Beschlagna­hmung des Motorrads reichen, könne Rasern Einhalt geboten werden.

Erste Signale aus München gegen das geforderte Fahrverbot des Bundesrats gab es schon zu Beginn der Woche. Neben dem Städte- und Gemeindebu­nd sprach sich auch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann – selbst Motorradfa­hrer – gegen pauschale Fahrverbot­e für Motorräder an Sonn- und Feiertagen aus. „Alle Motorradfa­hrer über einen Kamm zu scheren, ist überzogen“, argumentie­rte er.

Schallschu­tz am Auspuff abmontiert

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Foto: Hauke-christian Dittrich, dpa Für viele ein rotes Tuch: Motorradfa­hrer im Konvoi.

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