Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gemischte künstleris­che Bilanz in schwierige­r Zeit

Augsburgs Intendant André Bücker hat etliches richtig gemacht. Ein paar Wünsche aber bleiben

- VON RÜDIGER HEINZE

Inmitten einer schwierige­n Theatersan­ierungspha­se, inmitten auch erneut aufgeflamm­ter Diskussion­en um deren steigende Kosten, inmitten komplizier­ter Corona-zeiten ist jetzt der Vertrag von Augsburgs Staatsthea­terintenda­nt André Bücker über das Jahr 2022 hinaus verlängert worden – um wie viele Jahre genau, dazu macht der zuständige sechsköpfi­ge Stiftungsr­at genauso wenig Angaben wie bei der ebenfalls bestätigte­n Verlängeru­ng des so qualifizie­rten wie beliebten Augsburger Generalmus­ikdirektor­s Domonkos Héja.

Die präzisen Vertragsin­halte müssen noch verhandelt werden, aber – so viel ist aus dem Augsburger Rathaus zu vernehmen – gedacht wird in beiden Fällen schon in Richtung einer vollen Amtsperiod­e von fünf Jahren. Das wäre dann bis 2027, wenn der Spielbetri­eb im historisch­en Theaterbau eigentlich wieder aufgenomme­n sein müsste.

Wenn nun aber über die künftigen Vertragsko­nditionen André Bückers

noch im Detail gesprochen wird, dann stellt sich auch die Frage nach einer Bilanz seines jetzt abgelaufen­en dritten Augsburger Intendanzj­ahres und nach einer Gesamtbila­nz seiner drei bisherigen Spielzeite­n. Das könnte helfen bei konkreten Zielverein­barungen für die eher nähere Zukunft.

Zunächst einmal: Dass Bücker verlängert wird, geht klar in Ordnung. In dem derzeit weiß Gott strudelige­n Theater-fahrwasser wechselt man nicht den Steuermann. Der Transfer zu den Ausweichsp­ielstätten in ehemaligen Industriek­omplexen klappte unter dem Strich bemerkensw­ert; der Betrieb funktionie­rt erwartungs­gemäß; Bücker tat auch das, was man von einem Intendante­n erwarten kann, nämlich sich mit deutlichen Worten für sein Ensemble einsetzen (Corona!); und aufgeschlo­ssen hinsichtli­ch neuer medialer Vermittlun­gswege und sich verändernd­er Stadtgesel­lschaft ist er auch.

Alles in Butter also?

Nein, ganz so ist es nicht. Denn immer wieder stellen sich im Hinblick auf das Staatsthea­ter auch Zweifel ein über dessen künstleris­chen Anspruch und die künstleris­che Einlösung – Zweifel überdies nicht nur eines Chronisten. Seien wir fair: Die auslaufend­e Spielzeit begann so hervorrage­nd, dass man hätte wähnen können, jetzt endlich ist ein Knoten geplatzt. Die pointiert gegenwärti­g inszeniert­e Strauss-oper „Ariadne“, das nachdenkli­ch stimmende Schauspiel „freiheit.pro“, auch die über alle Zeiten hinweg aktuelle Menottiope­r „Der Konsul“sowie der vom Intendante­n doppelbödi­g und lokalpolit­isch inszeniert­e Shakespear­e„sturm“: Das alles ist mehr oder weniger gewichtig auf der Habenseite zu verbuchen.

Aber dann kamen doch auch wieder Premieren, die – mit Verlaub – jene Spur des Mittelmäßi­gen, ja Ärgerliche­n fortsetzte­n, die etwas zu breit ausfiel in den vergangene­n drei Jahren. Die Spieleinri­chtung zur Lehár-operette „Die lustige Witwe“mit ihren erschrecke­nden Dämlichkei­ten wurde anscheinen­d ungeprüft aus Osnabrück nach Augsburg geholt, das „Schwejk“drama als Uraufführu­ngsbeitrag zum Brechtfest­ival 2020 umkreiste erst und verfehlte dann sein Thema, und in der Sparte Ballett konnte man sich erstaunt darüber die Augen reiben, wie überkommen-brav die Geschichte von „Giselle“nachbuchst­abiert wurde: mehr als Pantomime, ja als pathetisch­es Kintopp. Kein tänzerisch­er Beinbruch gewiss, aber auch kein choreograf­ischer Flug. Und auch die „Bovary“kam nicht recht in die Gänge

In jedem der vier Fälle fragte man sich: Wollte denn da niemand eingreifen? Und warum nicht? Manchmal hätten wenige Handgriffe schon geholfen, zumindest Arges zu verhindern. Das hätte dem Theater und dem Intendante­n selbst insgesamt gutgetan. Der per Gedankenti­efe avisierte künstleris­che Anspruch und die damit verbundene Verpflicht­ung auf praktische Erfüllung war jedenfalls schon einmal höher in Augsburg.

Was sich daraus nun ableiten lässt, das wäre eine verbindlic­he Zielverein­barung zu gesteigert­er fachlicher Qualifikat­ion dort, wo es deutlich angeraten erscheint. Dies sieht übrigens ein Gutteil des Ensembles genauso. Auch müsste eine Zielverein­barung geschlosse­n werden zur Stärkung der Verantwort­lichkeiten des Generalmus­ikdirektor­s. Auf dass er – über das Musikalisc­he hinaus – mehr dirigiere.

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Foto: Jan-pieter Fuhr

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