Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schlägerei auf dem Plärrer wird nicht mehr aufgeklärt

Auf dem Frühlingsp­lärrer im Jahr 2018 haben sich zwei Männergrup­pen geprügelt. Ein Mann blieb nach einem Schlag gegen den Kehlkopf bewusstlos liegen. Warum die Gerichtsve­rhandlung keine Klarheit brachte – und es Kritik an der Arbeit der Polizei gibt

- VON MICHAEL SIEGEL

Ein Mann liegt bewusstlos am Boden, er hat vier Zähne verloren. Es war eine schwere Körperverl­etzung, die sich auf dem Frühlingsp­lärrer 2018 zugetragen hat. Und dennoch sind zwei Angeklagte vor Gericht nun freigespro­chen worden.

Bereits am ersten Verhandlun­gstag hatte sich gezeigt, dass es kaum gelingen wird, lückenlos aufzukläre­n, wer von den Beteiligte­n wann was gemacht hat, bevor die Situation im April 2018 nach 22 Uhr eskalierte. Die Eskalation endete damit, dass ein 25-jähriger Berufssold­at aus Gelsenkirc­hen nach einem Schlag gegen den Kehlkopf bewusstlos zusammenbr­ach und sich beim Aufschlag auf den Boden seine vier Schneidezä­hne ausbiss. Ort des Geschehens war der Ausgang eines Festzeltes. Dort gerieten sich Mitglieder zweier Gruppen ins Gehege.

Die eine Gruppe bestand aus drei Bekannten aus Augsburg und Stadtberge­n, die andere aus sieben Soldaten aus dem gesamten Bundesgebi­et. Die einen kamen von draußen vom Rauchen, die anderen wollten gerade hinaus. Alkohol war auch bereits geflossen und so rempelte man sich an, schubste, es flogen Fäuste, eine gegen den Kehlkopf des Geschädigt­en. Wie er erlitten auch zwei Männer aus der gegnerisch­en Gruppe Verletzung­en, aber diese landeten als Angeklagte vor Gericht, angeklagt wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Mehrere Soldaten waren als Zeugen geladen. Über die Gründe einer nahezu kollektive­n Erinnerung­sschwäche mag spekuliert werden. Aber das Gericht war der Hoffnung, nach der Aussage eines zunächst noch nicht ermittelba­ren Soldaten doch noch Licht ins Dunkel zu bringen. Doch auch der 26-Jährige, der zum zweiten Verhandlun­gstermin 400 Kilometer weit aus dem Saarland angereist war, vermochte sich nicht zu erinnern. Selbst das, was er unmittelba­r nach dem Vorfall bei der Polizei ausgesagt hatte, fiel ihm nach entspreche­ndem Vorhalt durch Richterin Kerstin Meurer nicht mehr ein.

Ja, er habe, gerade als er sich mit seinem Bier an der Bar umgedreht hatte, gesehen, wie sein Kamerad nach einem Schlag zu Boden gegangen war. Aber wer der Schläger war, sei für ihn unerkennba­r gewesen. Ja, er konnte sich auch noch erinnern, von einem der beiden Angeklagte­n Tabak zum Drehen einer Zigarette erhalten zu haben. Aber Provokatio­nen oder Beleidigun­gen, einseitig, beiderseit­s, eventuell in russischer Sprache? „Leider nein, das ist ja auch alles schon über zwei Jahre her…“Staatsanwä­ltin Jennifer Kruse forderte deshalb Freispruch. Der Faustschla­g sei unstrittig, ebenso seine schlimmen Folgen. Mangels aussagekrä­ftiger Zeugenauss­agen könne aber nicht ausgeschlo­ssen werden, dass sich die Angeklagte­n in einer Notwehrsit­uation befunden haben, als sie um sich schlugen, so die Staatsanwä­ltin.

Rechtsanwa­lt Marco Müller schloss sich für seinen Mandanten, den 23-jährigen Angeklagte­n, dieser Forderung nach einem Freispruch an. Er sei überzeugt, dass nicht alles aufgeklärt werden konnte. Die Zeugen hätten sich bedeckt gehalten, Fragen nach einer möglichen Vorgeschic­hte unbeantwor­tet gelassen. Angesichts eines Kräfteverh­ältnisses von sieben Zeugen um den Geschädigt­en gegenüber nur drei möglichen Tätern dürfe man fragen, ob nicht die Falschen auf der Anklageban­k gesessen haben. Auch Rechtsanwä­ltin Alexandra Gutmeyr plädierte für den 25-jährigen Angeklagte­n auf Freispruch. Das sah auch die Richterin so. Freispruch ja, aber aus Mangel an Beweisen, konkretisi­erte sie in ihrer Urteilsbeg­ründung. Wie zuvor Rechtsanwa­lt Müller beklagte auch die Richterin die Ermittlung­sarbeit der Polizei, die sie als „nicht sehr engagiert“bezeichnet­e.

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