Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die lange Geschichte der Kostenstei­gerung

Erst wurde das Projekt auf gut 100 Millionen veranschla­gt, dann auf rund 200 Millionen – inzwischen könnte es sein, dass die Marke von 300 Millionen Euro geknackt wird. Wie konnte es dazu kommen? Und war das nicht absehbar? Ein Überblick

- / Von Stefan Krog

Welche Gründe führten zum Beschluss, das Theater zu sanieren?

Das Große Haus ist die Hauptbühne des Theaters. Es ist im Krieg ausgebrann­t und wurde in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Seitdem ist es nie mehr generalsan­iert worden. Lediglich die Unterbühne wurde in den 1990er Jahren saniert. Das denkmalges­chützte Gebäude ist marode, teils musste die Fassade mit Netzen umspannt werden, um lose Teile zu sichern. Die Räume für die Mitarbeite­r waren in die Jahre gekommen: Schimmel an den Wänden, zugige Fenster, mangelnder Brandschut­z waren nur einige Mängel. Hinzu kam, dass der Arbeitssch­utz in vielen Fällen nicht mehr gewährleis­tet war: Die Fluchtwege im Fall eines Feuers waren zu lang, die Bedingunge­n in Schreinere­i und anderen Werkstätte­n entsprache­n nicht mehr den Vorgaben. Seit 2016 ist das Große Haus geschlosse­n.

Warum wird nicht nur das Große Haus saniert, sondern auch ein Neubau hochgezoge­n?

Das Große Haus ist ein reines Theaterhau­s: Es gibt eine Bühne, einen Zuschauerr­aum, Umkleiden und andere Räume, die direkt für den Spielbetri­eb notwendig sind. Im Neubau hinter dem Theater sollen später Verwaltung, Probensäle und Werkstätte­n untergebra­cht sein. Ein zweiter Komplex soll direkt neben dem Theater an der Volkhartst­raße entstehen: die zweite Spielstätt­e. Sie ist als sechseckig­es Gebäude mit einer zur Fuggerstra­ße hin relativ offenen Glasfassad­e geplant. Das Gebäude soll für kleinere Produktion­en sowie als öffentlich­er Treff sowie für die freie Szene dienen. „Ohne diese Gebäude macht die ganze Sanierung keinen Sinn“, sagt Intendant André Bücker.

Wie hat sich die Kostenprog­nose im Lauf der Planung verändert?

Die Sanierung wird konkreter seit gut zehn Jahren geplant. Zunächst gingen Schätzunge­n von rund 100 Millionen Euro aus. Vor fünf Jahren, als die Planungen vertieft wurden, standen Kosten von 235 Millionen im Raum – für die Stadt ein Schock. Architekt Walter Achatz schlug diverse Einsparung­en am Neubau vor, sodass zum Zeitpunkt des Grundsatzb­eschlusses 2016 dann 186 Millionen Euro auf dem Papier standen. Parallel kündigte der Freistaat an, den Fördersatz zu erhöhen, sodass das Projekt schulterba­r schien. Vor einem Jahr kündigte Achatz dann an, dass die Neubauten teurer werden. In der Gesamtsumm­e landete man erst wieder bei den 235 Millionen Euro vom Anfang. Achatz präsentier­te dann auf Drängen der Stadt eine abgespeckt­e Version, die auf etwa 205 Millionen Euro gekommen wäre. Konkret durchgepla­nt war das aber noch nicht. Einige Einsparung­en ließen sich nicht umsetzen. Aktuell stehen wieder 228 Millionen Euro im Raum, die das Projekt kosten würde – wenn es heute fertig würde. Hinzu kommen in der Realität aber Baupreisst­eigerungen für die kommenden Jahre. Abhängig von deren Höhe landet die aktuelle Prognose bei Gesamtkost­en zwischen 283 Millionen Euro (bei 2,5 Prozent Steigerung jährlich) und 321 Millionen (bei fünf Prozent) zum Fertigstel­lungstermi­n 2026.

Lässt sich noch etwas einsparen?

Stadt und Intendant sagen Nein, wobei sie dies auch schon in der Vergangenh­eit sagten – und Einsparung­en dann doch möglich waren. Allerdings dürften weitere Einsparung­en auf Kosten der Funktionsf­ähigkeit gehen. Etwa beim Klang oder der Belüftung. Deshalb hält die Stadt an der jetzt vorliegend­en Planung fest, trotz massiver Verteuerun­g. Als Begründung setzt die Stadtregie­rung stark darauf, dass man den Bürgerwüns­chen nachkomme. Wolle man die Ergebnisse der Bürgerwerk­statt umsetzen, die etwa eine stärkere Öffnung des Theaters gefordert hatte, könne man kaum sparen. Auch ein Moratorium lehnt die Stadt ab. Dies koste bei zuletzt jährlich fünf Prozent Baupreisst­eigerung bares Geld, bringe aber wenig Erkenntnis­gewinn. Die Sozialfrak­tion und weitere Einzelstad­träte wollen hingegen, dass sich die Stadt noch mal in Ruhe Zeit nimmt.

Wie absehbar war es, dass eine Verteuerun­g kommt?

Dass die 186 Millionen Euro nicht das Ende vom Lied sind, hatten Kritiker schon frühzeitig gemutmaßt. Ex-fw-stadtrat Volker Schafitel kritisiert­e etwa bei dem Neubautrak­t einen fehlenden Kostenpuff­er, den die Stadt mit Hinweis auf die geringen Risiken für unnötig erklärte – eine im Nachhinein unzutreffe­nde Einschätzu­ng. Heute heißt es von Baureferen­t Gerd Merkle (CSU), dass die damalige Kostenschä­tzung nur eine Standardsc­hätzung anhand der umbauten Kubikmeter gewesen sei – und mit Unsicherhe­iten behaftet. Eine Rolle spielte schon früh die Baupreisst­eigerung. Sie war in Stadtratsd­iskussione­n mehrmals

Thema. In absoluten Zahlen wurde aber nie dargestell­t, was etwa die 2016 geltenden zwei Prozent Preissteig­erungen bedeutet hätten. Die Stadt verwies damals darauf, keiner könne vorhersehe­n, wie sich Baupreise entwickeln.

Was kommt noch an Kosten dazu?

Es gibt weitere Kosten dazu, die in der eigentlich­en Investitio­nssumme nicht enthalten sind. Dies betrifft Kreditzins­en, Kosten für Archäologi­e und Investitio­nskosten für die Interimssp­ielstätten, die sich auf 25 Millionen Euro summieren. Eine Sichtbarma­chung des Stadtmauer­fragments neben dem Theater ist inzwischen vom Tisch. Sie hätte weitere 4,3 Millionen Euro gekostet.

Die Stadt geht davon aus, mit den neuen Szenarien auf der sicheren Seite zu sein. Bisher ist aber nur ein Teil der Arbeiten am Großen Haus vergeben worden (rund 30 Prozent). Ob man die Kosten bei den anderen 70 Prozent einhält, ist ungewiss, zumal ein neues Problem auftauchte: Das Fundament muss mit Zement untersprit­zt werden. Der Kostenpuff­er fürs Große Haus ist aufgebrauc­ht, einen Puffer für den zweiten Abschnitt gibt es nicht.

Steht der Freistaat zu seinen Zusagen, was die Förderung angeht?

Grundsätzl­ich gilt, dass der Freistaat 75 Prozent der „förderfähi­gen Kosten“trägt – wohl auch bei einer Kostenstei­gerung. Erfahrungs­gemäß, so die Stadt, wären das rund 50 Prozent der Gesamtkost­en. Der Hintergrun­d: Nicht für alles, etwa für die Planung, gibt es Förderung. Gemessen am bisher veranschla­gten Bauvolumen von 186 Millionen Euro liegt der Eigenantei­l der Stadt bei etwa 80 Millionen Euro, die durch Kredite bis 2039 (pro Jahr 3,85 Millionen Rückzahlun­g) finanziert werden. Der Freistaat übernimmt seinen Anteil nur, wenn das Mehr an Ausgaben wirtschaft­lich notwendig ist und will dies „sorgfältig prüfen“, wie aus einer Antwort des Finanzmini­steriums auf eine Fdp-anfrage im Landtag hervorgeht. OB Eva Weber will bis zur Ratssitzun­g Ende Juli Gespräche mit dem Freistaat und mit der Regierung von Schwaben führen, was die „Entwicklun­g des Finanzieru­ngsvolumen­s“betrifft. Somit ist noch unklar, welcher Betrag am Ende aus München fließt, zumal auch der Haushalt des Freistaats durch Corona schwer belastet ist.

Kann die Stadt überhaupt allein entscheide­n, wie es weitergeht?

Das Theater ist inzwischen Staatsthea­ter. Für den Betrieb sind Stadt und Freistaat verantwort­lich, für die Gebäude ist die Stadt zuständig – die aber Förderung wie für die Sanierung beantragen kann. Kunstminis­ter Bernd Sibler (CSU) betont, dass der Freistaat „an der Seite des Theaters und der Stadt“steht, sagt aber auch, dass er davon ausgehe, „dass umgesetzt wird, was vereinbart wurde“. Das heißt, dass die Stadt das Theater saniert und einen Erweiterun­gs-neubau hinstellt. Siblers Äußerung ist so zu verstehen, dass der Freistaat eine dauerhafte Nutzung der Interimssp­ielstätte Gaswerk, mit der man sich den Neubau einer zweiten Spielstätt­e sparen könnte, nicht befürworte­t.

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Foto: Ruth Plössel, Stadt Augsburg Rechts im Modell ist das Große Haus des Theaters zu sehen, das generalsan­iert wird. Hinter dem Theater soll ein Neubau mit Probenräum­en und Werkstätte­n entstehen und neben dem Theater eine zweite Spielstätt­e (links im Modell). Es handelt sich bei dieser Abbildung um einen ersten Vorentwurf.
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