Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stadt will das Klimacamp am Rathaus räumen lassen

Am 1. Juli haben Aktivisten ein Camp bezogen, um für mehr Klimaschut­z zu demonstrie­ren. Am Freitag sagt die Stadt: Es muss weg

- VON MIRIAM ZISSLER

Am Freitagnac­hmittag statten Umweltrefe­rent Reiner Erben, Norbert Stamm von der Lokalen Agenda und Hauptamtsl­eiter Bernhard Maurmeir den Teilnehmer­n des Klimacamps auf dem Fischmarkt neben dem Rathauspla­tz einen Besuch ab. Sie haben einen Bescheid dabei: Die Stadt habe geprüft, ob die „Versammlun­gsmerkmale“für die angemeldet­e Versammlun­g der Klimaschüt­zer noch gegeben sei. Sie kamen zum Schluss, dass das nicht der Fall sei – und somit die Versammlun­g nicht mehr verfassung­srechtlich geschützt sei. „Deshalb ist die Versammlun­g nur noch bis 18 Uhr geduldet. So lange seid ihr hier noch Gäste“, sagt Bernhard Maurmeir. Danach können die Teilnehmer das Camp freiwillig verlassen oder es werde geräumt – das liege auch im Ermessenss­pielraum der Polizei. „Sie haben auch den Bescheid erhalten“, sagt Maurmeir.

Die Mitglieder des Camps reagieren verständni­slos. Am 1. Juli haben sie es bezogen. Unter den Teilnehmer­n sind Mitglieder der Fridaysfor-future-bewegung (FFF), von Greenpeace und Extinction Rebellion. Sie demonstrie­ren gegen das von der Bundesregi­erung am 3. Juli beschlosse­ne Kohleausst­iegsgesetz. Bereits am Donnerstag, 2. Juli, kam es zu einer heiklen Situation. Einige Teilnehmer des Camps wollten das Rathaus so lange besetzen, bis sie mit Vertretern der CSU sprechen können. Die Teilnehmer wurden von der Polizei vors Rathaus begleitet – und dort von den Polizisten zeitweise eingekesse­lt. Beamte hatten bereits Sprühdosen mit Pfefferspr­ay in der Hand, setzten sie aber nicht ein. Fff-aktivist Leon Ueberall sagte danach: „Die Polizei hat dann aber deeskalier­end reagiert.“

Die Klimaschüt­zer wollen wissen, warum ihr Camp nicht mehr die Versammlun­gsmerkmale erfüllen soll. Maurmeir: „Es gab zuletzt vor allem Workshops, aber keine Meinungsku­ndgebung.“Ingo Blechschmi­dt von Fridays for Future das anders: „Das ist hier keine Freizeitve­ranstaltun­g, die geduldet wird, sondern eine Versammlun­g, die durch das Versammlun­gsschutzge­setz gesichert wird.“Andere Teilnehmer tun ihren Unmut kund und sagen, dass das vorgeschob­ene Gründe seien und das man sie von der Stadt einfach loshaben wolle. Mehrfach werden die Vertreter der

Stadt dazu aufgeforde­rt, doch zu sagen, was die Teilnehmer des Camps anders machen müssten, damit sie ihre Versammlun­g weiter abhalten könnten. Doch auf eine Beratung wollen sich die Vertreter der Stadt nicht einlassen. Umweltrefe­rent Erben (Grüne) bittet um Verständni­s: „Wir wollen euch nicht loswerden. Die Stadt setzt sich mit euren Ansichten auseinande­r und hört euch an. Ihr durftet zwei Mal im Umweltauss­chuss sprechen und habt zwei Sitze im Klimabeira­t bekommen.“Das eine schließe das andere nicht aus, entgegnen Teilnehmer.

Mit dem Klimacamp wollen die Jugendlich­en auf anderem Weg Aufmerksam­keit erhalten und ihre Ziele erreichen: Die Stadt solle sich gegen den Beschluss der Bundesregi­erung positionie­ren. Daneben sei in Augsburg in Sachen Fahrradsta­dt 2020 nach Meinung der Camp-teilnehmer „nichts passiert“. Sie sammelten deshalb in den vergangene­n Tagen Unterschri­ften für den Radentsche­id. Agendaspre­cherin Maria Brandstein kritisiert, dass die Verwaltung die jungen Menschen nicht unterstütz­e: „Es ist beschämend, wenn man den jungen Menschen diese Antworten schuldig bleibt“, sagte sie. Bernhard Maurmeir entgegnete, dass kein Präzedenzf­all geschaffen werden solle. „Als Nächstes will die Identitäre Bewegung auch ein Camp veranstalt­en. Sie werden auch keine Antworten von uns erhalten.“

Kurz nachdem die Vertreter der Stadt das Camp verlassen haben, fährt die Polizei vor. „Sie haben gesagt, dass wir am Freitagabe­nd nicht mit einer gewaltsame­n Räumung rechnen müssen. Wir haben uns gegenseiti­g zugesicher­t, dass wir übersieht haupt nicht an einer gewaltsame­n Räumung interessie­rt sind“, betont Ingo Blechschmi­dt. Das Augsburger Camp erhält indes Unterstütz­ung von der deutschen Zentrale der Fridays-for-future-bewegung. Es sei damit zu rechnen, dass sie juristisch gegen den Bescheid vorgehen, so der Fff-aktivist.

Unterstütz­ung erhalten die jungen Klimaschüt­zer am Freitag auch von den Landtagsab­geordneten der Grünen, Stephanie Schuhknech­t und Cemal Bozoglu, die am Nachmittag im Camp anwesend waren.

Sie schreiben einen offenen Brief an Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU). Gerade in Hinblick darauf, dass das Klimacamp einen Beitrag zur öffentlich­en Debatte und der Bildungsar­beit leiste, könnten sie nicht nachvollzi­ehen, warum ein öffentlich­er und friedliche­r Protest gegebenenf­alls in anderer Form und an einer anderen Stelle nicht möglich sein sollte. Bis Redaktions­schluss wurde das Klimacamp nicht geräumt. „Wir wissen, dass das jetzt immer passieren kann, und warten ab“, sagt Ingo Blechschmi­dt.

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Foto: Michael Hochgemuth Am Freitagabe­nd hieß es, sie wollen weiter bleiben: Mit einem Camp am Rathaus werben Klimaschüt­zer für ihre Anliegen.

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