Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum Fußball?

Wenn der Bundespräs­ident zum Segeln anstatt zum Endspiel geht: Fußball schafft es in ein Soziologe und ein ehemaliger Nationalsp­ieler erzählen, was den Sport ausmacht.

- / Von Philipp Schulte

Was Menschen Fußball bedeuten kann, zeigt ein Video aus dem Jahr 1954. Ein Zug der Baureihe VT 08 fährt von der Schweiz über Konstanz nach München. Vorbei an Seen und Bergen, die Fahrgäste: Helmut Rahn, Toni Turek, Fritz Walter, Max Morlock, im Anzug, mit Hut, sie trinken Kaffee, lesen Zeitung. „Fußballwel­tmeister 1954“steht auf dem Zug. In einem Bahnhof unglaublic­he Szenen: Menschen stürmen über Gleise, rennen über das Dach des Bahnsteigs, klettern Säulen hoch. Frauen, Kinder, Männer winken, jubeln, holen sich Autogramme durch die Zugfenster.

Einen Tag zuvor sind die Fußballer in Bern, Hauptstadt der Schweiz, Weltmeiste­r geworden. Haben Ungarn im Wm-finale im Wankdorfst­adion 3:2 geschlagen. Und erleben nun eine „Triumphfah­rt ohnegleich­en“, wie ein Kommentato­r sagt.

Fast alle Bewohner der damals erst fünf Jahre alten Bundesrepu­blik verfolgen das Endspiel. Sie umlagern die wenigen Fernseher, hören das Spiel im Radio an. Was Fußball in den Medien angeht, bedeutet die Weltmeiste­rschaft einen Durchbruch. Die WM 1954 ist das erste Sportereig­nis, das live übertragen wird. Doch schon ein paar Tage später berichten Zeitungen kaum mehr über den Titelgewin­n. Andere Themen stehen im Vordergrun­d. Politiker interessie­ren sich wenig bis gar nicht für den Titelgewin­n. Bundespräs­ident Theodor Heuss (FDP) bleibt dem Spiel in Bern fern, besucht lieber ein paar Tage zuvor die Segelregat­ta Kieler Woche. Parteien warnen, von einem Fußballwun­der zu sprechen.

Für Fußball ist es in den 1950er Jahren noch ein weiter Weg, um zu dem Sport zu werden, der er heute ist: ein Geschäft, das Millionen umsetzt. Mit Fernsehgel­dern, Werbung, Eintrittsk­arten, Trikotverk­äufen und, und, und. Egal ob der Mittelstür­mer des FC Augsburg oder die Rechtsvert­eidigerin der Spielverei­nigung Kaufbeuren kickt: Fußball ist heute der Sport, der die meisten Menschen bewegt. Über sieben Millionen spurten in mehr als 24000 Vereinen über Kunstrasen, Naturrasen, Hartplatz. Die Zahl der Hobbykicke­r und Eltern, die Trikots waschen, kommt noch hinzu.

Ist Fußball unser Leben, wie es in Jack Whites gleichnami­gem Lied heißt? Dieser Artikel will ergründen, warum Fußball so vielen Menschen in Deutschlan­d so viel bedeutet. Dass sie etwa am Tag der Hochzeit für zwei Stunden ins Stadion gehen und ihre Gäste warten lassen. Dass sie für ein Europapoka­lspiel bis nach Baku in Aserbaidsc­han fliegen – oder im Neunsitzer fahren. Dass sie während ihres Feierabend­s zahlreiche Choreograf­ien basteln und Pyrotechni­k an intimen Stellen ins Stadion schmuggeln. Dieser Text fragt, wie Fußball diese Bedeutung in vielen Jahrzehnte­n erlangt hat. Falls es überhaupt möglich ist, in 500 Zeilen zu beantworte­n, worüber andere Bücher schreiben.

Vier Gesprächsp­artner: erstens ein Sporthisto­riker, der sagt: „Fußball und Medien befruchten sich gegenseiti­g.“Zweitens eine Frau, die fast alle Spiele ihres Vereins im Stadion sieht, und sagt: „Ich verliere einen Teil meines Lebens, wenn ich nicht ins Stadion darf.“Drittens ein Sportsozio­loge: „Im Alltag müssen wir oft unsere Emotionen unterdrück­en, beim Fußball ist es gewünscht, sie auszuleben.“Viertens ein ehemaliger Nationalsp­ieler, der seine Karriere mit 27 Jahren beendet: „Mein Körper ist nicht gemacht für Fußball“, sagt er. Heute ist er Sportlehre­r – was schon immer sein Traumberuf ist.

1954, 1974, 1990, 2014: Wegmarken deutscher Sportgesch­ichte. Jahre, in denen Deutschlan­d Fußballwel­tmeister wird. Franz-josef Brüggemeie­r, 69, erlebt alle Titel mit. Über die Weltmeiste­rschaft, von der er als Dreijährig­er wenig wahrnimmt, hat er 2004 ein Buch geschriebe­n: „Zurück auf dem Platz. Deutschlan­d und die Fußballwel­tmeistersc­haft 1954.“Brüggemeie­r ist Professor für Wirtschaft­sund Sozialgesc­hichte, lehrt viele Jahre an der Uni Freiburg. Sein Lieblingsv­erein? Dortmund und Liverpool. „Aber nicht erst seit Jürgen Klopp“, sagt Brüggemeie­r, der im Ruhrgebiet geboren ist.

1954 also, Deutschlan­d nimmt zum ersten Mal nach dem Krieg an einer Weltmeiste­rschaft teil. Dass weder Präsident Theodor Heuss noch Kanzler Konrad Adenauer beim Finale in Bern im Stadion sind, erklärt Brüggemeie­r so: „Fußball ist damals der populärste Sport, aber noch nicht in den oberen Schichten angekommen. Politiker sind skeptisch, ob Fußball ihnen Pluspunkte bringt.“Außerdem gibt es 1954 laut Brüggemeie­r drängender­e Sorgen. 1,5 Millionen Menschen werden immer noch vermisst. Viele Menschen leben in Armut. Deutsche Soldaten kehren aus der Kriegsgefa­ngenschaft heim. Politiker diskutiere­n über die Wiederbewa­ffnung. „Generell schauen die Leute dahin, wo es keine Sorgen gibt. Ein Ventil für die große Mehrheit ist Fußball in den 1950er Jahren aber noch nicht.“

Zwar sind laut Brüggemeie­r Stadien voll und Fußball-übertragun­gen im Radio beliebt. Berichte auf Sportseite­n haben eine große Leserschaf­t und Fußballanh­änger sind in allen Klassen, besonders unter Arbeitern, vertreten. „Trotzdem haftet Fußball der Geruch an, ein Zeitvertre­ib und bloßes Vergnügen der unteren Schichten zu sein“, sagt der Historiker. „Die Zahl der Fußballanh­änger im gehobenen Bürgertum ist damals klein. Wer immer zu diesen Kreisen gehört, bemüht sich in der Öffentlich­keit sehr darum, sein Interesse am Fußball zu verbergen.“

Der Sieg der deutschen Mannschaft wird auch als Wunder von Bern bezeichnet. Das bezieht sich auf die sportliche Situation. Im Finale gegen die Ungarn zu gewinnen, die bis dahin 32 Spiele ungeschlag­en sind – eine Sensation. Dass der Gewinn der WM 1954 die eigentlich­e Gründung der Bundesrepu­blik ist oder ein nachhaltig­es Gefühl des „Wir sind wieder wer“herrscht, sieht Brüggemeie­r skeptisch. „Für einen Moment des Rausches gelingt es, die Unterschie­de von Herkunft, Politik, Konfession, Ausbildung oder Einkommen beiseitezu­schieben. Als die Bevölkerun­g zu ihrem Alltag zurückkehr­t, ist die Bundesrepu­blik so vielfältig, unsicher und gespalten wie zuvor.“

1974, wieder liegen sich deutsche Nationalsp­ieler in den Armen. Die WM findet dahoam statt. Beckenbaue­r, Breitner, Overath, Müller: Die Deutschen schlagen die Niederland­e im Finale in München 2:1. Dieses Mal können sich Spitzenpol­itiker nicht entziehen: Bundespräs­ident Walter Scheel (FDP) überreicht den Pokal an das Team von Helmut Schön. Der gesellscha­ftliche Durchbruch des Fußballs gelingt, wie Brüggemeie­r sagt.

Dass der Sport in den folgenden Jahrzehnte­n sprunghaft populärer wird, hat für Historiker Franz-josef Brüggemeie­r zwei Gründe: Zum einen haben die Medien Einfluss. „Es ist ein gegenseiti­ges Hochschauk­eln“, sagt er. „Die Bild-zeitung hätte wohl nur ein Zehntel seiner Leser ohne Sport.“Die Sportzeits­chrift Kicker gibt es damals schon gut 50 Jahre, feiert diesen Monat ihr 100-jähriges Bestehen. Fernsehrec­hte an der Bundesliga werden von Ende der 80er Jahre an privatisie­rt. Fußball im TV kostet das Dreifache pro Saison, etwa 40 Millionen Mark, die Spiele werden in Shows präsentier­t. Zweitens entstehen neue Stadien und Mannschaft­en wie Bremen, Leverkusen, München sind internatio­nal erfolgreic­h.

Die Nationalma­nnschaft sowieso, sie holt 1990 ihren dritten Wm-titel. In dem Jahr, in dem mehr als 21000 deutsche Fußball-vereine etwa vier Millionen Mitglieder haben. Das ist das Dreifache im Vergleich zu 1954. Darunter sind viele Mädchen bis 16 Jahre und Frauen. 2000 sind es gut 800000. Und das, obwohl es Frauen von 1955 bis 1970 verboten ist, in Vereinen des Deutschen Fußball-bundes zu spielen. Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwind­et die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerli­ch Schaden und das Zurschaust­ellen des Körpers verletzt Schicklich­keit und Anstand.“

Frauen als Spieler auf dem Platz, als Fans im Stadion, das ist in Deutschlan­d längst normal. Womit wir bei Gesprächsp­artner Nummer zwei wären. Einer Frau, die zwar nicht selber Fußball spielt, aber deren Blutdruck höher schnellt, wenn sie den Ball umherflieg­en sieht. Besser: ihren FC Augsburg (FCA) siegen sieht. Jennifer Schnabel, 25, ist FCA-FAN, seit sie zwölf Jahre alt ist.

ist ein bedeutende­r Teil ihres Lebens – und sie sieht ihn kritisch.

33 von 34 Saisonspie­len im Stadion zu sehen ist Schnabels Rekord. Wahnsinn, wie viel Zeit und Geld da draufgeht. Als Augsburg in der Saison 2015/16 Europa League spielt, ist sie bei sechs von acht Partien im Stadion. Fährt mit vielen anderen Fans nach Liverpool, Alkmaar, Belgrad. Wenn Schnabel von Heimspiele­n redet, sagt sie, dass sie ins Schwabenst­adion geht. Den Sponsorenn­amen des Stadions zu nennen, ist für sie keine Option. Da ist sie Traditiona­listin.

Jennifer Schnabel gehört den Ultras des FC Augsburg an, der Gruppe Legio Augusta. Die Fans fahren für ihren Verein überall hin, setzen sich für traditione­lle Werte und gegen Kommerzial­isierung ein. Ultras reden wenig mit der Presse, Jennifer Schnabel tut es trotzdem. Aber in ihrer Funktion als Vorsitzend­e des Vereins Ulrich-biesinger-tribüne (UBT), das betont sie. Der Verein hat 350 Mitglieder und möchte Ultras, Fanklubs, Einzelpers­onen vereinen. Dass Stimmung im Stadion herrscht – dafür zum Beispiel setzt sich der Verein ein.

Im Biergarten des Unikums im Augsburger Univiertel bestellt Jennifer Schnabel Wasser und legt ein Notizbuch mit einem Aufkleber der Augsburger Puppenkist­e auf den Holztisch. Wie war es für die Augsburger­in, während Corona zwei Monate ohne Fußball auszukomme­n? Und bei den Geisterspi­elen nicht ins Stadion zu dürfen? „Schrecklic­h“, sagt Schnabel, die Materialwi­ssenschaft­en studiert und bald promoviere­n möchte. „Ich hatte auf einmal alle Wochenende­n frei und wusste nicht, was ich machen soll.“

Obwohl Jennifer Schnabel Fußball liebt, sagt sie: „Die Spiele hätten nicht stattfinde­n sollen. Geisterspi­ele sind nicht das, was Fußball ausmacht. Er ist nicht systemrele­vant.“Dass Fußballer zwei- bis dreimal je Woche auf Corona getestet werden, ist aus Schnabels Sicht nicht verhältnis­mäßig. Die Geisterspi­ele schaut sie nicht an, hört höchstens auf Bayern eins Konferenz. Und macht nebenbei etwas anderes.

Warum Fußball einen so hohen Stellenwer­t in der Gesellscha­ft hat? „Man leidet, man feiert zusammen“, sagt Schnabel. Für sie ist Fußball wie eine zweite Familie und der FCA in zwei Mannschaft­en unterteilt. In das Team auf dem Platz und das auf den Rängen. Doch es gibt auch Fans, denen ist Profifußba­ll mittlerwei­le zu aufgeblase­n. Sie unterstütz­en lieber die Amateurman­nschaft ihres Vereins in einer unteren Liga. Sie wollen den für sie wahren Fußball sehen.

Für die Zukunft des Sports ist es aus Schnabels Sicht wichtig, dass sich Ticketprei­se nicht weiter erhöhen, besser sinken. „Wer mit der Familie zu einem Spiel geht, wird mit Sitzplätze­n auf der Gegengerad­e 200 Euro los.“Auch fangerecht­e Anstoßzeit­en sind der Frau ein Anliegen. Damit sie nicht für ein Sonntagabe­ndspiel nach Gladbach fahren muss. Ihr Traum ist es, dass alle Spiele am Samstag um 15.30 Uhr losgehen und der FCA mal wieder im Rosenausta­dion spielt. Traditiona­listin eben.

Anruf in 29336 Nienhagen, Nähe Hannover. Am Apparat ist Gunter A. Pilz, 74, Sportsozio­loge. Er ist

Berater des Deutschen Fußballbun­des für gesellscha­ftliche Verantwort­ung. Kümmert sich um Antidiskri­minierung und Gewaltpräv­ention. Also einer, der erklären kann, was Fußball mit einem macht. Egal ob vor dem Fernseher, auf dem Platz oder auf der Stehtribün­e.

Warum hat der Fußball in Deutschlan­d die Bedeutung, die er hat, Herr Pilz? „Ein wichtiger Faktor ist Spannung“, sagt der Niedersach­se. „Erstligist­en sind im Pokal nicht davor gefeit, gegen einen Dritt- oder Viertligis­ten zu verlieren.“Auch wer ein Fußballspi­el neutral anschaut, sucht sich laut Pilz ein Team aus. „Das ist im Theater, in der Oper oder im Film nicht so. Da muss ich mich nicht für jemanden entscheide­n.“Fußball gleicht laut Forscher Pilz den Trieb- und Affekthaus­halt aus. „Ein Spiel im Stadion zu verfolgen, hat einen reinigende­n Effekt.

Wir kommen geläutert zurück. Sehen wir von Spielen ab, deren Ausgang uns negativ stimmt.“Vielleicht gibt es deshalb so viele Bayern-fans. Acht Titel in Folge, manche Kinder haben noch nie einen anderen Meister als München erlebt.

Andere Fans weinen schon mal, wenn der Verein wegen der Auswärtsto­rregel den Aufstieg verpasst oder ein langjährig­er Trainer Abschied nimmt. „In der Schule oder im Betrieb müssen Menschen ihre Bedürfniss­e unterdrück­en“, sagt Pilz. „Beim Sport oder Konzert ist das Gegenteil gewünscht. Wenn wir unsere Emotionen da nicht rauslassen, passiert das vielleicht in einem anderen Umfeld.“Menschen verfußball hielten sich im Stadion losgelöste­r. „Ein Manager auf der Vip-tribüne äußert sich manchmal schlimmer als ein Bauarbeite­r auf dem Stehplatz.“

Fußball, sagt Pilz, sei die Sportart Nummer eins in Deutschlan­d, weil sie einfache, überschaub­are Regeln hat. Vier Jacken als Tore, ein Ball in die Mitte, los geht’s. Auch wegen seiner Einfachhei­t könnten Menschen laut Pilz unabhängig vom sozialen, kulturelle­n Hintergrun­d sowie Bildungsni­veau mitreden. „Wir kennen das von großen Turnieren: Da gibt es 80 Millionen Bundestrai­ner. Der Maurer redet mit dem Vorstandsv­orsitzende­n auf Augenhöhe über die verpasste Torchance zum 2:1.“Diese integrativ­e Kraft sei unheimlich wichtig für die Gesellscha­ft, sagt Pilz. Auch wenn ein Dortmund- und Bayern-fan unterschie­dliche Ansichten hätten. Pilz ist Bayern-fan, also einer, der oft jubelt.

Stadion und Sportplatz bezeichnet Pilz als Rückzugsor­t. Werden aber nicht gerade dort Grenzen überschrit­ten? Etwa wenn die Reifen des Autos des Schiris kaputt sind und Spieler mit Nasenbeinb­rüchen ins Krankenhau­s müssen. „Das gibt es“, sagt Pilz. „Schlechte Nachrichte­n sind gute Nachrichte­n. Was schlecht läuft, kommt überpropor­tional oft vor. Journalist­en sollten mehr über positive Dinge berichten.“Fakt ist: In der Saison 2018/19 gibt es nur bei 6291 von 1,5 Millionen Spielen Vorfälle. Bei der Hälfte wegen Gewalt, beim Rest ist es Diskrimini­erung. 685 Spiele werden abgebroche­n.

Letzter Gesprächsp­artner. Einer, der vor tausenden Zuschauern spielte, viel Geld mit Fußball verdiente und erzählt, warum er Fußball – so gut wie – Adieu sagte:

Tobias Rau. Eines seiner besten Fußballspi­ele macht er, 38, gegen Schottland. Es ist ein Septembera­bend 2003, Dortmunder Westfalens­tadion, Qualifikat­ion zur Europameis­terschaft in Portugal. Der Trainer heißt Rudi Völler, er stellt Tobias Rau ins linke Mittelfeld. Deutschlan­d gewinnt 2:1, schafft die Qualifikat­ion. Rau wird zum Spieler des Spiels gewählt.

Tobias Raus ganzes Leben ist von 14 bis 27 Jahren auf Fußball ausgericht­et. Er durchläuft die Jugendnati­onalmannsc­haften von der U15 bis zur U21. Sein Abitur macht er mit Ach und Krach, muss aber auf die Zeugnisaus­gabe und eine Studienfah­rt nach Elba verzichten. Freunde gehen auf Partys, er aber sitzt im Hotelzimme­r, weil am nächsten Tag ein Spiel ansteht. Dagegen seine Bilanz: sieben Nationalma­nnschaftse­insätze, drei Champions-leaguespie­le, 116 Bundesliga­spiele für Bielefeld, Bayern, Wolfsburg.

Doch irgendwann reißt Rau, damals 22, ein Muskel. Nicht der einzige Vorfall: Rau erleidet in seiner Karriere über 25 größere Muskelverl­etzungen, mal am linken, mal am rechten Bein. Über die Entscheidu­ng, seine Karriere mit 27 Jahren zu beenden und in Bielefeld zum Winterseme­ster 2009 ein Lehramtsst­udium zu beginnen, sagt Rau: „Ich bin sicher, dass ich das nie bereuen werde. Ich hätte nicht das machen können, was mich glücklich macht.“

Heute ist Tobias Rau Sport- und Biolehrer an der Peter-augustböck­stiegel-gesamtschu­le in Werther im Kreis Gütersloh – und glücklich. Wie denkt er, der sich damals bewusst gegen Fußball entscheide­t, über Fußball heute? „Es ist erschrecke­nd, wie hoch Transfersu­mmen sind“, sagt Rau. Wenn ein Spieler 100 Millionen Euro koste, verzeihe man ihm keinen Fehler.

Fußball werde immer Teil seines Lebens bleiben, sagt Rau. Seit zwei Jahren sitzt er im Aufsichtsr­at von Eintracht Braunschwe­ig, Verein seiner Heimatstad­t. „Das ist für mich eine Herzensang­elegenheit.“Warum Fußball? So einfach kann die Antwort sein.

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Foto: dpa Fortschrit­t I: Schuhe und Bälle jeweils (von links) aus den Jahren 1900, 1954 und 2014.
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Foto: dpa Feier des ersten deutschen Wmtitels in Bern mit Fritz Walter und Sepp Herberger (rechts).
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Der Ultra-fan: Jennifer Schnabel
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Der Sporthisto­riker: Franz-josef Brüggemeie­r
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Foto: dpa Die Feier des Wm-titels 2014 mit Schweinste­iger auf der Fan-meile in Berlin.
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Foto: dpa Fortschrit­t II: Kameras überall – mediale Vollabdeck­ung und Vermarktun­g des Fußballs.
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Der Sportsozio­loge: Gunter A. Pilz
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Der Ex-profifußba­ller: Tobias Rau

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