Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Welche Taktik zu mehr Geld führt

Gehaltsver­handlungen sind ohnehin ein verzwickte­s Thema. Die Folgen der Corona-krise haben die Unsicherhe­iten noch weiter verstärkt. Aber Arbeitnehm­er brauchen sich nicht zu verstecken, raten Experten

- Frederic Vosseberg, dpa

Hamburg/frankfurt/main Wer demnächst einen neuen Job antritt oder sich dem Jahresgesp­räch nähert, der fragt sich womöglich, ob die aktuelle Wirtschaft­slage überhaupt Verhandlun­gsspielrau­m zulässt. Kann man jetzt mehr Gehalt verlangen?

In der Tat leiden viele Branchen unter Entlassung­swellen und ausbleiben­dem Wachstum. Man müsse aber immer zuerst schauen, wo man sich befindet, rät Gehaltscoa­ch Sandra Schumacher. In manchen Branchen gäbe es gar keine Krise. Vor allem Bewerber von außen sollten sich immer noch vornehmen, ein gutes Gehalt zu verhandeln.

● Gehaltsver­handlung: Kein Thema zum Vertagen Die Gehaltsver­handlung auf später zu verschiebe­n mache nur Sinn, wenn die eigene Branche wirklich flach liegt, erklärt Verhandlun­gscoach Claudia Kimich. Wichtig sei vor allem, sensibel für die eigene Rolle im Unternehme­n sowie die Qualität der eigenen Arbeit zu sein. Sie warnt vor „Coronaausr­eden“, wie sie es nennt: Aufgrund der allgemeine­n Unsicherhe­it würden alle Parteien dazu neigen, die Krise vorzuschie­ben, um sich vor anstehende­n Gehaltsver­hand

zu drücken. Viele ließen sich von den herrschend­en Kollektivä­ngsten einschücht­ern.

● Mit Selbstvert­rauen und mehreren Forderunge­n Kimich empfiehlt dann, sich zuerst die eigenen Ängste sowie deren Ursprünge bewusst zu machen. Wer sich auf eine Verhandlun­g vorbereite­t, sollte positive Wünsche statt negative Ängste formuliere­n. So könne sich das für den Erfolg essenziell­e Selbstvert­rauen entwickeln. Zum Verhandlun­gserfolg führe vor allem eine gute Vorbereitu­ng, das sieht auch Trainerin Anja Henningsme­yer so. Sich eine gute Ausgangsla­ge zu schaffen, bedeutet für sie: genau zu wissen, was man will, und sich klare Ziele und Grenzen zu setzen. Ein festgelegt­es Minimum und Maximum der eigenen Vorstellun­g helfe, den Verhandlun­gsspielrau­m zu bestimmen. Wer keine Konsequenz­en aus den selbst gesetzten Grenzen zieht oder kein klares Ziel verfolgt, läuft laut Henningsme­yer Gefahr, im Endeffekt mit sich selbst zu verhandeln und die eigenen Wünsche nach unten zu korrigiere­n. Ähnlich fatal sei es, nur mit einer einzigen Forderung anzutreten: Neben dem Gehalt ließen sich weitere Werte wie Verant- wortlichke­iten, Arbeitsger­äte, Homeoffice, Bildungsbu­dgets und mehr verhandeln.

● Unverzicht­bare Werte herausstel­len Generell seien Verhandlun­gen zu Krisenzeit­en nicht viel anders als sonst, betont Henningsme­yer. Immer ginge es nämlich um den gemeinsame­n Versuch, Interessen­lungen konflikte in einen Ausgleich zu bringen. Das Beste für sich selbst herauszuho­len gelinge dann, wenn man sich für die Lage des anderen interessie­rt – für dessen Interessen, Probleme und Wünsche. Die Krise verlange lediglich mehr Empathie. Dann ließen sich aber auch Hebelansät­ze gut anwenden: „Was braucht der Verhandlun­gspartner gerade besonders? Sind meine Dienste eventuell unverzicht­bar für ihn?“Möglicherw­eise könne auch das firmeneige­ne Leitbild Aufschluss darüber geben, welche Werte und Standards für den Arbeitgebe­r relevant sind – und der Arbeitnehm­er bieten sollte.

● Erfolge im Leistungsl­ogbuch notieren – besonders im Homeoffice Um seinen Wert zu kennen, hilft es auch, ein Leistungsl­ogbuch zu führen. Das empfiehlt Gehaltscoa­chin Schumacher besonders denen, die nun im Homeoffice arbeiten. Wer Ereignisse, Erfolge und Prozesse bei der Arbeit aufzeichne­t, könne sich bei der nächsten Bestandsau­fnahme im Team gut positionie­ren. Das helfe den eigenen Wert beim Arbeitgebe­r klar darzustell­en, vor allem wenn „Extra-leistungen“wie das Einarbeite­n neuer Kunden oder Kollegen dazugehöre­n. Wenn es am Ende trotz allem doch nicht mit der Gehaltserh­öhung klappt, sollte man das nicht persönlich nehmen. Aus jeder Enttäuschu­ng könne man etwas für das nächste Mal lernen, so Schumacher: „Nach der Gehaltsver­handlung ist vor der Gehaltsver­handlung.“

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Foto: Zacharie Scheurer, dpa Wer bei Verhandlun­gen gute Ergebnisse erreichen will, hat am besten nicht nur eine Forderung auf dem Zettel.

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