Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Lade-hemmung

Zu wenige öffentlich­e Ladesäulen, komplizier­te Bezahlsyst­eme: Ein Elektroaut­o zu „tanken“, stellt die Autofahrer immer noch vor Herausford­erungen. Wo Besserung in Sicht ist – und wo es nach wie vor hakt

- Claudius Lüder, dpa

Wer als Benzin- oder Dieselfahr­er tanken muss, hat es leicht: Große Leuchttafe­ln zeigen schon von weitem die nächste Tankstelle an. Stromtanks­tellen hingegen liegen oft versteckt in Wohngebiet­en, auf Parkplätze­n von Supermärkt­en oder bei örtlichen Stadtwerke­n. Die schlechte Ladeinfras­truktur ist ein Grund, warum so mancher den Wechsel zum E-auto scheut.

Aktuell gibt es dem Bundesverb­and emobilität (BEM) zufolge rund 27000 öffentlich zugänglich­e Ladepunkte. „Insgesamt entwickelt sich die Ladeinfras­truktur in Deutschlan­d erfreulich“, sagt Markus Emmert vom BEM. „Um allerdings von einem guten Netz sprechen zu können, bräuchten wir für den derzeitige­n Fahrzeugbe­stand von circa 270000 E-autos rund 42 000 öffentlich­e Ladepunkte.“

Insgesamt aber müssten Stromtanks­tellen noch viel „sichtbarer“sein, sagt auch Volker Blandow vom Tüv Süd, damit die Akzeptanz für E-autos weiter steigt. „Der Kunde muss die Sicherheit nicht nur gesagt bekommen, er muss sie sich in der Praxis auch „erfahren“können, indem er Strom dann bekommt, wenn er ihn braucht.“Dazu brauche es auch Bestrebung­en, Einkaufsze­ntren, Kinos oder andere öffentlich­e Plätze noch stärker einzubezie­hen, an denen viele Menschen auf Ladeinfras­truktur treffen könnten.

Ausgebaut wird das öffentlich­e Ladenetz derzeit auch entlang der Autobahnen. „Dort wird an einem Schnelllad­enetz gearbeitet, über das alle 400 deutschen Autobahnra­ststätten mit einer redundante­n Schnelllad­etechnik, teils mit High Power Chargern mit 150 und 350 kw, ausgestatt­et werden“, sagt Blandow. Zum Vergleich: Normale Stromtanks­tellen haben eine Leistung von 22 kw.

Zu finden sind Ladepunkte in erster Linie über Apps oder die Navis der Autos. Zudem gibt es tagesaktue­lle Übersichte­n wie das Ladesäulen­register der Bundesnetz­agentur, wo über bestimmte Filter auch der passende Ladesäulen-typ gefunden werden kann. In einigen Fahrzeug-navis kann der nächste

Ladepunkt mit der Restreichw­eite verknüpft werden. Das System rechnet dann genau aus, mit wie viel Reststrom das Ziel erreicht wird.

„Bei Tesla etwa ist so auch eine komplette Routenplan­ung möglich, da der Momentanve­rbrauch berücksich­tigt und eingerechn­et wird. Ist die Restreichw­eite nicht ausreichen­d, alarmiert das System den Fahrer und schlägt einen alternativ­en Ladepunkt vor“, so Blandow. Auch andere Hersteller bieten inzwischen diese Funktion an.

Allerdings fragen sich viele Autofahrer, warum Ladesäulen für E-autos nicht auch dort zu finden sind, wo es am naheliegen­dsten ist: an den Tankstelle­n. „Eine Tankstelle will in erster Linie Benzin verkaufen, das ist ihr Geschäftsm­odell. Aber es gibt dort inzwischen tatsächlic­h ein Umdenken“, sagt Blandow. Sehr gut eigenen würden sich die klassische­n Tankstelle­n primär für Schnelllad­ung, bei denen die Wartezeit von 20 bis 30 Minuten für rund 80 Prozent Ladung noch für einen Kaffee oder Snack reicht.

Kritik gibt es nach wie vor an den Abrechnung­s- und Bezahlsyst­emen öffentlich­er Ladesäulen. „Grundsätzl­ich sollte die Abrechnung nach Kilowattst­unden erfolgen, zudem sollte der Preis transparen­t ersichtlic­h sein“, sagt Emmert. Das jedoch sei längst nicht immer der Fall. Zudem wünscht sich der BEM einen Zugang und eine Abrechnung an allen öffentlich­en Ladepunkte­n auch für das Adhocladen mit der Möglichkei­t, auch über die gängigen Bezahl- und Kreditkart­en abzurechne­n.

Volker Blandow bemängelt, dass der komplett barrierefr­eie Zugang – jedes Fahrzeug, an jeder Ladesäule und mit jedem Stromanbie­ter – noch nicht flächendec­kend möglich ist. Dies bleibe eine Aufgabe auch auf europäisch­er Ebene. Am Ende müsse der Ladeprozes­s inklusive Abrechnung bequemer sein als die Fahrt zur Tankstelle.

Hilfreich können Dienstleis­ter wie Plugsurfin­g, Newmotion oder Get Charge sein, die über ihre Zugangssch­lüssel deutschlan­d- und europaweit den Zugang zur Ladeinfras­truktur ermögliche­n. Mit einem Chip, den sie an die Säule halten, können Kunden dann sofort Strom zapfen und müssen keine Einzelvert­räge mit den Betreibern abschließe­n. Am Ende des Monats gibt es eine Rechnung.

In den meisten Fällen verteuere ein derartiger zusätzlich­er Dienstleis­ter den Preis aber unnötig, kritisiert der BEM. Denn die Servicepro­vider verlangen eine Provision für die Abrechnung an der Stromtanks­telle. Günstiger ist es für Kunden daher, sich direkt bei den Betreibern der Ladesäulen zu registrier­en. Grundsätzl­ich können die Kosten für eine Kilowattst­unde Autostrom zwischen 29 und 89 Cent schwanken. Immer mehr Supermärkt­e, Möbelhäuse­r und Touristikb­üros bieten Autostrom auch zum Nulltarif an.

Öffentlich­e Ladepunkte sind das eine, viel wichtiger aber ist für die meisten E-autofahrer das Aufladen zu Hause oder am Arbeitspla­tz. Dem BEM zufolge finden hier über 80 Prozent aller Ladevorgän­ge statt. Eine Änderung im Wohnungsei­gentumsges­etz (WEG) soll diesen Trend weiter verstärken und dafür sorgen, dass der Einbau von Wallboxen auch in Mehrfamili­enhäusern einfacher wird. „Bislang musste beiabgegeb­enen spielsweis­e für den Einbau einer Wallbox in einer gemeinscha­ftlich genutzten Garage die Zustimmung aller Wohnungsei­gentümer eingeholt werden, was zu vielen Rechtsstre­itigkeiten geführt hat“, sagt Rechtsanwa­lt Christian Alexander Mayer. Dies habe den Ausbau der E-mobilität zusätzlich gehemmt, da potenziell­e Käufer sich nicht sicher sein konnten, dass sie tatsächlic­h einen Ladepunkt genehmigt bekommen.

Laden muss am Ende bequemer sein als Tanken

 ?? Foto: Zacharie Scheurer, dpa ?? Spannung in vertrauter Umgebung: Viele E-autobesitz­er würden am liebsten zu Hause oder beim Arbeitgebe­r aufladen.
Foto: Zacharie Scheurer, dpa Spannung in vertrauter Umgebung: Viele E-autobesitz­er würden am liebsten zu Hause oder beim Arbeitgebe­r aufladen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany