Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Lade-hemmung
Zu wenige öffentliche Ladesäulen, komplizierte Bezahlsysteme: Ein Elektroauto zu „tanken“, stellt die Autofahrer immer noch vor Herausforderungen. Wo Besserung in Sicht ist – und wo es nach wie vor hakt
Wer als Benzin- oder Dieselfahrer tanken muss, hat es leicht: Große Leuchttafeln zeigen schon von weitem die nächste Tankstelle an. Stromtankstellen hingegen liegen oft versteckt in Wohngebieten, auf Parkplätzen von Supermärkten oder bei örtlichen Stadtwerken. Die schlechte Ladeinfrastruktur ist ein Grund, warum so mancher den Wechsel zum E-auto scheut.
Aktuell gibt es dem Bundesverband emobilität (BEM) zufolge rund 27000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. „Insgesamt entwickelt sich die Ladeinfrastruktur in Deutschland erfreulich“, sagt Markus Emmert vom BEM. „Um allerdings von einem guten Netz sprechen zu können, bräuchten wir für den derzeitigen Fahrzeugbestand von circa 270000 E-autos rund 42 000 öffentliche Ladepunkte.“
Insgesamt aber müssten Stromtankstellen noch viel „sichtbarer“sein, sagt auch Volker Blandow vom Tüv Süd, damit die Akzeptanz für E-autos weiter steigt. „Der Kunde muss die Sicherheit nicht nur gesagt bekommen, er muss sie sich in der Praxis auch „erfahren“können, indem er Strom dann bekommt, wenn er ihn braucht.“Dazu brauche es auch Bestrebungen, Einkaufszentren, Kinos oder andere öffentliche Plätze noch stärker einzubeziehen, an denen viele Menschen auf Ladeinfrastruktur treffen könnten.
Ausgebaut wird das öffentliche Ladenetz derzeit auch entlang der Autobahnen. „Dort wird an einem Schnellladenetz gearbeitet, über das alle 400 deutschen Autobahnraststätten mit einer redundanten Schnellladetechnik, teils mit High Power Chargern mit 150 und 350 kw, ausgestattet werden“, sagt Blandow. Zum Vergleich: Normale Stromtankstellen haben eine Leistung von 22 kw.
Zu finden sind Ladepunkte in erster Linie über Apps oder die Navis der Autos. Zudem gibt es tagesaktuelle Übersichten wie das Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur, wo über bestimmte Filter auch der passende Ladesäulen-typ gefunden werden kann. In einigen Fahrzeug-navis kann der nächste
Ladepunkt mit der Restreichweite verknüpft werden. Das System rechnet dann genau aus, mit wie viel Reststrom das Ziel erreicht wird.
„Bei Tesla etwa ist so auch eine komplette Routenplanung möglich, da der Momentanverbrauch berücksichtigt und eingerechnet wird. Ist die Restreichweite nicht ausreichend, alarmiert das System den Fahrer und schlägt einen alternativen Ladepunkt vor“, so Blandow. Auch andere Hersteller bieten inzwischen diese Funktion an.
Allerdings fragen sich viele Autofahrer, warum Ladesäulen für E-autos nicht auch dort zu finden sind, wo es am naheliegendsten ist: an den Tankstellen. „Eine Tankstelle will in erster Linie Benzin verkaufen, das ist ihr Geschäftsmodell. Aber es gibt dort inzwischen tatsächlich ein Umdenken“, sagt Blandow. Sehr gut eigenen würden sich die klassischen Tankstellen primär für Schnellladung, bei denen die Wartezeit von 20 bis 30 Minuten für rund 80 Prozent Ladung noch für einen Kaffee oder Snack reicht.
Kritik gibt es nach wie vor an den Abrechnungs- und Bezahlsystemen öffentlicher Ladesäulen. „Grundsätzlich sollte die Abrechnung nach Kilowattstunden erfolgen, zudem sollte der Preis transparent ersichtlich sein“, sagt Emmert. Das jedoch sei längst nicht immer der Fall. Zudem wünscht sich der BEM einen Zugang und eine Abrechnung an allen öffentlichen Ladepunkten auch für das Adhocladen mit der Möglichkeit, auch über die gängigen Bezahl- und Kreditkarten abzurechnen.
Volker Blandow bemängelt, dass der komplett barrierefreie Zugang – jedes Fahrzeug, an jeder Ladesäule und mit jedem Stromanbieter – noch nicht flächendeckend möglich ist. Dies bleibe eine Aufgabe auch auf europäischer Ebene. Am Ende müsse der Ladeprozess inklusive Abrechnung bequemer sein als die Fahrt zur Tankstelle.
Hilfreich können Dienstleister wie Plugsurfing, Newmotion oder Get Charge sein, die über ihre Zugangsschlüssel deutschland- und europaweit den Zugang zur Ladeinfrastruktur ermöglichen. Mit einem Chip, den sie an die Säule halten, können Kunden dann sofort Strom zapfen und müssen keine Einzelverträge mit den Betreibern abschließen. Am Ende des Monats gibt es eine Rechnung.
In den meisten Fällen verteuere ein derartiger zusätzlicher Dienstleister den Preis aber unnötig, kritisiert der BEM. Denn die Serviceprovider verlangen eine Provision für die Abrechnung an der Stromtankstelle. Günstiger ist es für Kunden daher, sich direkt bei den Betreibern der Ladesäulen zu registrieren. Grundsätzlich können die Kosten für eine Kilowattstunde Autostrom zwischen 29 und 89 Cent schwanken. Immer mehr Supermärkte, Möbelhäuser und Touristikbüros bieten Autostrom auch zum Nulltarif an.
Öffentliche Ladepunkte sind das eine, viel wichtiger aber ist für die meisten E-autofahrer das Aufladen zu Hause oder am Arbeitsplatz. Dem BEM zufolge finden hier über 80 Prozent aller Ladevorgänge statt. Eine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) soll diesen Trend weiter verstärken und dafür sorgen, dass der Einbau von Wallboxen auch in Mehrfamilienhäusern einfacher wird. „Bislang musste beiabgegebenen spielsweise für den Einbau einer Wallbox in einer gemeinschaftlich genutzten Garage die Zustimmung aller Wohnungseigentümer eingeholt werden, was zu vielen Rechtsstreitigkeiten geführt hat“, sagt Rechtsanwalt Christian Alexander Mayer. Dies habe den Ausbau der E-mobilität zusätzlich gehemmt, da potenzielle Käufer sich nicht sicher sein konnten, dass sie tatsächlich einen Ladepunkt genehmigt bekommen.
Laden muss am Ende bequemer sein als Tanken