Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Rettet Tönnies!

Lange kein Schwein gehabt – Großschläc­hter will Geld vom Staat

- VON MICHAEL STIFTER

Stellen Sie sich vor, ein millionens­chwerer Fleischfab­rikant nimmt es mit dem Infektions­schutz in seinem Betrieb nicht ganz so genau. Hunderte Mitarbeite­r stecken sich mit dem Coronaviru­s an. Eine ganze Region, Kitas, Schulen – alles wird herunterge­fahren. Da könnte selbst ein Großschläc­hter kleinlaut werden. Aber den Fehler bei sich selbst zu suchen, gehört eher nicht zu den prägenden Eigenschaf­ten des Clemens Tönnies. Stattdesse­n will er jetzt Geld vom Steuerzahl­er.

Der Unternehme­r hat messerscha­rf analysiert, dass Firmen, die das Gesundheit­samt dichtmacht, sich Lohnkosten erstatten lassen können. Und weil Rheda-wiedenbrüc­k bekanntlic­h seit Wochen kein Schwein gehabt hat, sieht sich Tönnies irgendwie auch als Opfer und stellt einen Antrag auf Staatsknet­e. Das kann man nun als seine unternehme­rische Pflicht empfinden – oder eben als Riesensaue­rei. Wir haben da so eine vage Ahnung, wie die Deutschen darüber denken.

Das wäre ja beinahe so, als würden Banken mit wüster Zockerei Millionen Menschen um ihre

Ersparniss­e bringen und dann fordern, dass die Politik sie unbedingt retten muss. Als würden populistis­che Hetzer behaupten, man dürfe ja in Deutschlan­d seine Meinung nicht sagen, um dann Leute vor Gericht zu zerren, die ihnen die Meinung sagen. Als würden Börsenkonz­erne ihre Belegschaf­t in Kurzarbeit schicken und gleichzeit­ig Millionen an Aktionäre ausschütte­n. Als würden Autobauer ihre Kunden betrügen und dann staatliche Kaufprämie­n für ihre Karren verlangen.

Wie bitte? Ach, Sie meinen, das sei doch alles ganz genau so passiert? Na dann: Gerechtigk­eit für Rhedawiede­nbrück! Schlachtpl­atte für alle! Rettet Tönnies! Jetzt ist doch eh schon alles wurscht.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany