Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rettet Tönnies!
Lange kein Schwein gehabt – Großschlächter will Geld vom Staat
Stellen Sie sich vor, ein millionenschwerer Fleischfabrikant nimmt es mit dem Infektionsschutz in seinem Betrieb nicht ganz so genau. Hunderte Mitarbeiter stecken sich mit dem Coronavirus an. Eine ganze Region, Kitas, Schulen – alles wird heruntergefahren. Da könnte selbst ein Großschlächter kleinlaut werden. Aber den Fehler bei sich selbst zu suchen, gehört eher nicht zu den prägenden Eigenschaften des Clemens Tönnies. Stattdessen will er jetzt Geld vom Steuerzahler.
Der Unternehmer hat messerscharf analysiert, dass Firmen, die das Gesundheitsamt dichtmacht, sich Lohnkosten erstatten lassen können. Und weil Rheda-wiedenbrück bekanntlich seit Wochen kein Schwein gehabt hat, sieht sich Tönnies irgendwie auch als Opfer und stellt einen Antrag auf Staatsknete. Das kann man nun als seine unternehmerische Pflicht empfinden – oder eben als Riesensauerei. Wir haben da so eine vage Ahnung, wie die Deutschen darüber denken.
Das wäre ja beinahe so, als würden Banken mit wüster Zockerei Millionen Menschen um ihre
Ersparnisse bringen und dann fordern, dass die Politik sie unbedingt retten muss. Als würden populistische Hetzer behaupten, man dürfe ja in Deutschland seine Meinung nicht sagen, um dann Leute vor Gericht zu zerren, die ihnen die Meinung sagen. Als würden Börsenkonzerne ihre Belegschaft in Kurzarbeit schicken und gleichzeitig Millionen an Aktionäre ausschütten. Als würden Autobauer ihre Kunden betrügen und dann staatliche Kaufprämien für ihre Karren verlangen.
Wie bitte? Ach, Sie meinen, das sei doch alles ganz genau so passiert? Na dann: Gerechtigkeit für Rhedawiedenbrück! Schlachtplatte für alle! Rettet Tönnies! Jetzt ist doch eh schon alles wurscht.