Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Ton bei Daimler wird rauer
Personalchef Wilfried Porth kündigt an, dass beim schwäbischen Auto-riesen noch mehr Arbeitsplätze wegfallen sollen als geplant. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind nun kein Tabu mehr. Der Betriebsrat kündigt Widerstand an
Stuttgart Der Autobauer Daimler muss wegen der Corona-krise noch stärker sparen und will deutlich mehr Stellen streichen als bisher bekannt. Zudem schließt der Konzern betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr aus. Personalvorstand Wilfried Porth nennt zwar weiter keine konkrete Zahl an Arbeitsplätzen, die wegfallen sollen. Die bisher in der Öffentlichkeit diskutierten 10000 oder 15000 seien aber nicht genug. Dem Betriebsrat warf er mangelndes Entgegenkommen vor.
Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht wiederum warnte davor, die Transformation der Branche gegen die Beschäftigten durchzudrücken. „Auch dem Vorstand muss klar sein, dass der Wandel mit der Belegschaft gelingen muss, nicht gegen sie“, sagte er. Die Corona-krise setzt den zuletzt ohnehin schwächelnden Konzern mit seinen weltweit rund 300000 Mitarbeitern unter Druck. Vorstandschef Ola Källenius hatte schon bei der Hauptversammlung am Mittwoch betont, dass das im vergangenen Herbst aufgelegte Sparprogramm verschärft werden müsse. Darin waren, neben einer Vielzahl weiterer Maßnahmen, Einsparungen im Personalbereich in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vorgesehen. Aber auch die reichen nun nicht. „Wir haben das Thema der Elektromobilität, und wir haben das Thema der wettbewerbsfähigen Kostenpositionierung. Zwei der Themen gab es schon vorher, Corona kommt nun noch dazu“, sagte Porth. Nun gehe es nicht darum, neue Maßnahmen zu erfinden. Stattdessen müsse man die vorhandenen Stellhebel noch stärker in Anspruch nehmen. Bisher setzt Daimler vor allem auf Fluktuation, Altersteilzeit oder Abfindungsangebote. Die zielen bisher ausschließlich auf die Verwaltung. Es könne aber sein, sagte Porth, dass sie nun auch auf einzelne Produktionsbereiche ausgeweitet würden, in denen es Überkapazitäten gebe.
Etwa 700 Mitarbeiter hätten das Angebot bisher angenommen. Zudem gebe es Gespräche darüber, den It-service an eine externe Firma auszulagern, wovon etwa 2000 Stellen betroffen wären. Dass es bis zum Ende des Jahrzehnts keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll, hatten Konzern und Betriebsrat im Zusammenhang mit dem Konzernumbau in der „Zukunftssicherung 2030“vereinbart. Darin stehe aber auch, sagte Porth, dass neu verhandelt werde, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen signifikant verändern.
Brecht betonte, der Ernst der Lage sei dem Gesamtbetriebsrat durchaus bewusst. „Der Ton in den Gesprächen wird rauer und stellt die Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung auf eine Bewährungsprobe“, sagte er. „Aber wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir Krisen bewältigen können und stark daraus hervorgehen. Wir haben nicht vor, dass es dieses Mal anders sein wird.“
Personalchef Porth dagegen betont, man befinde sich nicht wie 2008/09 in einer ausschließlichen Wirtschaftskrise, sondern in einer Restrukturierung der Autoindustrie. Sprich: Am Ende würden weniger Arbeitskräfte gebraucht. „Es nützt nichts, wenn die Gewerkschaft allgemeine Arbeitszeitverkürzungen und die 30-Stunden-woche fordert“, sagte er. „Das verzögert unser Problem.“