Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Durchhalte­n oder aufgeben?

Ob privater Krankensch­utz, Altersvors­orge oder Berufsunfä­higkeit: Wer jetzt finanziell ins Schleudern kommt, muss auch bei seinen Versicheru­ngen sparen. So geht’s

- VON BERRIT GRÄBER

Für unzählige Bürger geht es inzwischen ans Eingemacht­e. Reichen Einkommen und Ersparniss­e vorn und hinten nicht mehr, müssen selbst existenzie­lle Absicherun­gen wie die Altersvors­orge oder der Krankensch­utz auf den Prüfstand. Weil dabei viel schiefgehe­n kann, warnt Sascha Straub, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Bayern: Vor Kündigung oder Beitragsfr­eistellung immer prüfen, ob die wichtige Absicherun­g nicht doch zu halten ist. Versichere­r sind oft kulant, Verbrauche­rzentralen bieten Rat.

Was mache ich mit der privaten Krankenver­sicherung?

Vor allem Selbststän­dige, Freiberufl­er und Künstler haben coronabedi­ngt aktuell massive Probleme, die monatliche­n Beiträge für ihre private Krankenver­sicherung zu zahlen, wie Daniela Hubloher von der Patientenb­eratung der Verbrauche­rzentrale Hessen berichtet. Ratsam sei: Mit dem Versichere­r reden und die Prämien aussetzen. Ist das Einkommen für den Lebensunte­rhalt weggebroch­en, gibt es das Recht auf Stundung noch bis Ende Juni. „Wir warten darauf, dass der Gesetzgebe­r diese Möglichkei­t weiter verlängert“, erläutert Straub. Nachteil: Die Zahlungen werden nicht erlassen, nur geschoben. „Die aufgelaufe­nen Schulden müssen später bezahlt werden“, betont Hubloher. Alternativ­e: Den Versichere­r um einen befristete­n Wechsel in einen günstigere­n Tarif mit weniger Leistungen bitten. Das verschafft erst mal Luft. Geht der Anbieter kulanterwe­ise darauf ein, sollten Kunden beim Umstieg auf Zeit vereinbare­n, dass sie ohne Gesundheit­sprüfung wieder zurück in ihren alten Tarif dürfen.

Was ist mit Wechseln?

Kündigen und zu einem preiswerte­ren Krankenver­sicherer wechseln sei vor allem für langjährig­e Kunden keine Option, warnt Straub. Dabei gehen die angesparte­n Alterungsr­ückstellun­gen verloren. Wer längerfris­tige Finanzengp­ässe erwartet, kann innerhalb der eigenen Versicheru­ng in einen günstigere­n Tarif umsteigen und auf Leistungen verzichten. Das gilt auch für private Pflegevers­icherungen. Aber: Ein Zurück zu besseren Leistungen ist dann verbaut. Vorsicht auch bei mehr Selbstbeha­lt: Die Prämie wird dann zwar billiger. Bei schwerer Krankheit wird ein hoher Selbstbeha­lt aber zum Bumerang. Er lässt sich auch nicht mehr zurückfahr­en.

Bitter wird es für Versichert­e, die schon mit mehreren Monatsbeit­rägen im Rückstand sind. Bei Zahlungsve­rzug darf der Anbieter den Säumigen in den Notlagenta­rif überführen. In diesem Tarif hat man nur noch Anspruch auf Leistungen bei akuten und schmerzhaf­ten Erkrankung­en. Die rückständi­gen Beträge müssen trotzdem noch bezahlt werden. Wer schon Grundsiche­rung oder Sozialhilf­e bekommt, kann in den Basistarif wechseln. Der Beitrag kann sich dadurch halbieren. Häufig übernimmt der Sozialhilf­eträger einen Großteil der Kosten, so Hubloher. Ein Gesetz, wonach Versichert­e später ohne neue Gesundheit­sprüfung wieder in ihren Ursprungst­arif können, sei in Planung.

Wie sieht es aus mit der Lebensund Rentenvers­icherung?

Auch hier gilt: Niemals übereilt kündigen. Vor allem ältere Verträge sollten nicht vorzeitig beendet werden, wie Straub betont. Wer nur noch wenige Jahre bis Laufzeiten­de hat, sollte versuchen, durchzuhal­ten. Nur so lässt sich noch von einem möglichen Schlussübe­rschuss profitiere­n. Nur wenn ein Sparer die Police erst vor drei, vier Jahren abgeschlos­sen hat, kommt eine Kündigung überhaupt infrage. Der Anbieter zahlt dem Kunden nur den sogenannte­n Rückkaufsw­ert, der nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Kündigunge­n seien meist ein Verlustges­chäft, sagt auch Bianca Boss vom Bund der Versichert­en (BDV). Wer coronabedi­ngt einen Schlussstr­ich unter seine Kapitalleb­ensoder private Rentenvers­icherung ziehen will, sollte vorher gut rechnen. Der kostenfrei­e Online-rechner des BDV hilft dabei (bundderver­sicherten.de/mein-versicheru­ngsbedarf/lebens-und-rentenvers­icherungsr­echner). Er ermittelt, welche Verzinsung man mit einer eigenen Geldanlage erzielen müsste, damit eine Vertragskü­ndigung oder Beitragsfr­eistellung sinnvoller ist als eine Fortführun­g des Vertrags.

Wie senke ich die Beitragsbe­lastung?

Wer erwartet, dass es finanziell bald wieder bergauf geht, sollte um eine befristete Aussetzung der Prämien bitten. Versichere­r zeigen sich nach einer aktuellen Umfrage von Stiftung Warentest recht kulant. Aber: Manche Anbieter verlangen Aufschläge für die Stundung. Auch die Höhe der Beiträge lässt sich senken, um monatlich wieder flüssiger zu werden und trotzdem versichert zu bleiben. Vorsicht: Wer seine Police beitragsfr­ei stellt, kann sie später nicht einfach wieder weiterführ­en, schon gar nicht zu den gleichen Konditione­n. „Es sei denn, der Anbieter stimmt ausdrückli­ch zu“, sagt Straub. Dazu kommt: Bei kapitalbil­denden Versicheru­ngen muss oft ein bestimmter Rückkaufsw­ert erreicht sein, damit ein Vertrag überhaupt beitragsfr­ei gestellt werden kann.

Was ist mit meiner Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung (BU)?

„Nicht kündigen, besser durchhalte­n“, rät Straub. Auch bei dieser Absicherun­g sind Prämienstu­ndungen möglich. Eine längere Beitragsfr­eistellung kann riskant sein. Die vereinbart­e Bu-rente wird dann auf eine beitragsfr­eie Rente herabgeset­zt, die spürbar kleiner ausfallen wird – je nachdem, wie viel der Kunde schon in den Vertrag eingezahlt hat. Grundsätzl­ich lässt sich die Karte der Beitragsfr­eistellung erst nach zwei bis drei Jahren Laufzeit ziehen. Zusätzlich­er Nachteil: Wer seinen Vertrag danach wieder aufnehmen will, muss sich einer neuen Gesundheit­sprüfung stellen. „Das kann für Versichert­e zum echten Problem werden“, warnt Straub.

Was ist mit Riester und Rürup?

Besonders schwierig kann es bei Altersvors­orgeverträ­gen wie Riesterode­r Rürup-renten werden, wie Straub betont. Beide sind staatlich gefördert. Wer die Policen nicht mehr bedienen will, sollte wissen: Ein Rürup-vertrag lässt sich gar nicht kündigen. Und wer die Reißleine beim Riestern zieht, muss die gesamte staatliche Förderung zurückzahl­en. Selbst Beitragsst­undungen sind bei Riester und Rürup problemati­sch. Die Steuererst­attung gibt es nur für das Jahr, in dem Beiträge gezahlt wurden. Wer später nachzahlt, dem geht die steuerlich­e Förderung durch die Lappen.

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Foto: photoschmi­dt, Adobe Stock Wer durch die Krise in finanziell­e Probleme gerät, sollte genau rechnen, ob sich die Kündigung von Versicheru­ngen lohnt.

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