Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Polizei in der Kritik
Beamte in Stuttgart wollen Familien der Randalierer näher beleuchten
Stuttgart Bei ihren Ermittlungen zur Stuttgarter Krawallnacht will die Polizei auch das Umfeld der Verdächtigen und deren familiären Hintergrund beleuchten. Die Ausschreitungen in der Nacht zum 21. Juni hätten ein bisher ungekanntes Aggressions- und Gewaltpotenzial offenbart, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Da gehöre es selbstverständlich zur Aufarbeitung dazu, herauszufinden, mit wem man es zu tun habe, und das Umfeld der Verdächtigen und in unklaren Fällen auch einen möglichen Migrationshintergrund zu ermitteln.
Kurzzeitig hieß es in Stuttgarter Medien, Polizeipräsident Franz Lutz habe gesagt, man wolle „Stammbaumrecherche“betreiben. Ein Sprecher der Stadt dementierte das auf Twitter: Der Mitschnitt der entsprechenden Gemeinderatssitzung habe gezeigt, dass Lutz das Wort nicht verwendete.
Die Pläne der Polizei lösten breite Kritik aus. Stephan Thomae, Fdpfraktionsvize
im Bundestag, sagte gegenüber unserer Redaktion: „Anstatt öffentlich über den Familienhintergrund von Verdächtigen zu spekulieren, sollte die Stuttgarter Polizei die Ermittlungsverfahren schnell zum Abschluss bringen. Der öffentlichen Diskussion und dem gesellschaftlichen Klima ist nicht damit gedient, über die Herkunft von Verdächtigen zu spekulieren. Da erwarte ich von unseren Sicherheitskräften mehr Distanz.“Grünen-politiker Cem Özdemir sagte der Funke-mediengruppe: „Mir fehlen immer noch die Worte.“
In Stuttgart war es in der Nacht zum 21. Juni zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Randalierer hatten Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert. Nach Angaben der Polizei waren 400 bis 500 Menschen an den Randalen beteiligt oder hatten dabei zugeschaut. In der Nacht zum Samstag kam es in Stuttgart erneut zu Auseinandersetzungen und zu elf Festnahmen.