Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ärger um Räumung des Klimacamps

Die Stadt will das Zeltlager der Klimaaktiv­isten neben dem Rathaus auflösen, notfalls mit Hilfe der Polizei. Das sorgt für Diskussion­en. Für die Grünen als Koalitions­partner ist die Situation offenbar nicht einfach

- VON INA MARKS

Der Regen konnte ihnen in der Nacht auf Samstag nichts anhaben. Die Mitglieder des Klimacamps, die seit dem 1. Juli auf dem Fischmarkt neben dem Rathaus campieren, hatten sich in ihr großes Zelt zurückgezo­gen. Ohne Konsequenz­en blieb bislang auch der Bescheid der Stadt Augsburg, der den jungen Protestier­enden am Freitag überbracht wurde. Sie sollen das Camp abbauen, andernfall­s werde es geräumt. Auf das Vorgehen der Stadt reagierten manche Politiker am Wochenende mit Kritik. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) meldete sich daraufhin zu Wort.

Die Stadt hatte den Klimaaktiv­isten eigentlich Freitag 18 Uhr als Ultimatum genannt. „Wir haben schon damit gerechnet, dass die Polizei am frühen Samstagmor­gen kommt, aber bislang ist nichts passiert“, sagt Teilnehmer­in Sarah Bauer. Die Stadt begründet ihr Vorgehen damit, dass das Camp nicht mehr die Merkmale einer Versammlun­g erfülle. Es sei damit nicht mehr verfassung­srechtlich geschützt. Die jungen Aktivisten haben noch am Freitag Klage am Verwaltung­sgericht gegen den Bescheid eingereich­t, berichtet Ingo Blechschmi­dt von Fridays for Future (FFF). Unterstütz­ung erhielten sie hier von der Fff-bundeseben­e.

Die Klimaschüt­zer demonstrie­ren gegen das von der Bundesregi­erung am 3. Juli beschlosse­ne Kohleausst­iegsgesetz, wonach Deutschlan­d erst im Jahr 2038 endgültig aus der Kohleverst­romung aussteigen wird. Sie fordern, dass sich die Stadt gegen den Beschluss der Bundesregi­erung positionie­rt. Dort will man sich freilich nicht unter Druck setzen lassen. Das Vorgehen der Stadt gegen die Aktivisten löst unter Politikern eine Diskussion aus. Es gibt Kritik. Ausgerechn­et auch vom Koalitions­partner, den Grünen.

Die beiden Landtagsab­geordneten Stephanie Schuhknech­t und Cemal Bozoglu wandten sich in einem offenen Brief an Augsburgs Oberbürger­meisterin. „Gerade in Hinblick darauf, dass das Klimacamp ei

Beitrag zur öffentlich­en Debatte und der Bildungsar­beit leistet, können wir nicht nachvollzi­ehen, warum ein öffentlich­er friedliche­r Protest gegebenenf­alls in anderer Form und an einer anderen Stelle nicht möglich sein soll“, heißt es darin. Beide appelliere­n an Eva Weber, den Dialog weiter zu führen und eine einvernehm­liche Lösung zu finden, damit sich die jungen Menschen weiter engagieren können.

„Ich glaube nicht, dass die Grünen die treibende Kraft sind, dass das Camp geräumt wird“, sagt Schuhknech­t gegenüber unserer Redaktion. Ein Problem innerhalb der Grünen sieht sie nicht aufkommen. „Ich glaube, es ist eine gute Praxis, dass wir ein offenes Wort pflegen und offen mit unseren Standpunkt­en umgehen.“Die Grünen scheinen dennoch in einer schwierige­n Lage zu sein.

Das Thema Klimaschut­z ist bei ihnen hoch angesiedel­t, sie sind in Augsburg aber auch Regierungs­partner der CSU. Der Fraktionsv­order Grünen-stadtratsf­raktion teilte am Sonntag mit, dass man das Klimacamp und die damit verbundene­n Ziele begrüße. Man sei dankbar für den eindrückli­chen Protest, müsse aber die rechtliche­n Begebenhei­ten akzeptiere­n. „Auch um einen Präzedenzf­all für andere Demonstrat­ionen zu vermeiden. Eine rechtliche Bewertung muss jedoch tagesaktue­ll stattfinde­n“, so Fraktionsv­orsitzende Verena von Mutiusbart­holy. Ähnlich äußert sich Bürgermeis­terin Martina Wild (Grüne). Auch wenn sie den Protest begrüße, könne man am Fischmarkt keinen Präzedenzf­all schaffen, den andere Gruppen ausnutzen. Sie plädiert für ein Klimacamp an anderer Stelle.

Sticheleie­n kann sich Linkestadt­rat Frederik Hintermayr gegenüber den Grünen nicht verkneifen. Er bezeichnet den offenen Brief der Grünen-landtagsab­geordneten als „scheinheil­ig“. „Offenbar haben sie vergessen, dass ihre Partei gemeinsam mit Weber regiert.“Die nächsten Stunden würden zum Ofnen fenbarungs­eid für den Kurs der neuen Stadtregie­rung, glaubt er. Hintermayr selbst halte den Bescheid der Stadt, das Camp aufzulösen, für eine unnötige Eskalation. Die Protestier­enden setzten ein eindrucksv­olles Zeichen für den Klimaschut­z. „Es gibt keinerlei Anlass zu einer Räumung durch die Polizei, denn von den Aktivisten geht keine Störung oder gar Aggression aus.“

Bei den Freien Wählern wird das Vorgehen der Stadt im sozialen Netzwerk Facebook diskutiert. Stadtrat Peter Hummel halte eine Räumungsab­sicht in einer Stadt, in der die Grünen mitregiere­n, für geradezu absurd, schreibt er. „Die jungen Menschen haben einen bemerkensw­ert langen Atem, um auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen.“Das müsse man honorieren. Eva Weber bezog auf Facebook Stellung zur Diskussion.

In einem längeren Eintrag betont sie die Wichtigkei­t des Klimaschut­zes und ihr Verständni­s für die Aktivisten. Sie sei offen mit ihnen umstand gegangen. Es habe mehrere Gespräche mit der Stadtregie­rung gegeben, Vertreter des Camps durften im Umweltauss­chuss sprechen, FFF sei mit zwei Sitzen im Klimabeira­t vertreten. Nicht zuletzt habe Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) ein Angebot unterbreit­et, ein gemeinsame­s Konzept zu erarbeiten, wie das Anliegen nach dem Camp wirksam in die Stadtgesel­lschaft transporti­ert werden könne. Laut Eva Weber dürfen zwei Dinge nicht aus dem Blick geraten.

„Die von der Verfassung geschützte Versammlun­gsfreiheit ist in einer demokratis­chen Gesellscha­ft ein hohes Gut.“Doch wenn die von Gesetz definierte­n Anforderun­gen nicht mehr vorlägen, müsse eine an das Recht gebundene Behörde wie die Stadt Augsburg reagieren. Zudem erfolgten in der Demokratie Entscheidu­ngsprozess­e gewissen Regeln. „Entscheidu­ngen können und dürfen in einer Gesellscha­ft wie der unseren nicht erzwungen werden“, sagt Weber.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Seit dem 1. Juli campieren die Mitglieder das Klimacamps auf dem Fischmarkt neben dem Augsburger Rathaus. Die Stadt hat sie aufgeforde­rt, das Camp abzubauen – sonst werde es geräumt. An diesem Vorgehen gibt es nun Kritik.
Foto: Michael Hochgemuth Seit dem 1. Juli campieren die Mitglieder das Klimacamps auf dem Fischmarkt neben dem Augsburger Rathaus. Die Stadt hat sie aufgeforde­rt, das Camp abzubauen – sonst werde es geräumt. An diesem Vorgehen gibt es nun Kritik.

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