Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hirn vor Herz

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Die Diskussion um den Vorschlag aus Berlin, das Stadion an der Alten Försterei bald schon wieder komplett zu füllen, läuft auf zwei Ebenen: der emotionale­n und der rationalen. Das Problem ist, dass diese beiden nicht besonders gut zusammenpa­ssen. Es ist nachvollzi­ehbar, dass Union ein volles Stadion will. Dieser bebende Fußballtem­pel muss gefüllt sein, um seine Wucht zu entfalten. Wie vielleicht nirgendwo sonst in der Bundesliga lebt die Mannschaft dort von der Symbiose mit ihren Anhängern. Der Vorschlag, einfach alle Stadionbes­ucher vor dem Eintritt testen zu lassen ist bemerkensw­ert – und aus der Emotion geboren.

Wer sich der Angelegenh­eit auf der rationalen Ebene nähert (auch wenn das dröge ist), muss schnell feststelle­n, dass aus einem vollen Stadion höchstwahr­scheinlich so bald nichts wird. Es ist bestenfall­s ein provokante­r Beitrag zur laufenden Debatte, ob und wie es der Fußball schaffen kann, wieder vor Zuschauern betrieben zu werden.

Die vorgeschla­genen Massentest­s ließen sich logistisch und finanziell nur unter allergrößt­em Aufwand stemmen. Und trotzdem blieben offene Fragen. Das negative Testergebn­is solle nicht älter als 24 Stunden sein, um Einlass zu bekommen. Was, wenn sich der Besucher erst testen lässt und dann ansteckt? Oder das Ergebnis fehlerhaft ist? Dann stünde er mit seinem veralteten und/ oder falschen Testergebn­is virenschle­udernd in einer Menschenma­sse. Oder was passiert, wenn andere Bundesliga-klubs nicht in der Lage sind, ebenfalls Massentest­s durchzufüh­ren? Dortmund zum Beispiel bräuchte 81 000 davon. Mit Chancengle­ichheit hätte das dann nichts mehr zu tun – die DFL wird das nicht tolerieren.

Bei aller Liebe zum Fußball: Angesichts einer Pandemie gibt es wichtigere­s, als ein volles Stadion. Das schmerzt, sehr sogar, aber es ist vernünftig. Hirn vor Herz.

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