Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Iran: Dreimal so viele Corona-tote?

Vorwurf: Regierung unterdrück­t Zahlen

- VON THOMAS SEIBERT

Teheran Das Coronaviru­s wütet im Iran offenbar viel schlimmer als offiziell zugegeben. Der britischen BBC zufolge zeigen Regierungs­unterlagen, dass bis Ende Juli rund 42 000 Menschen an Covid-19 starben – fast dreimal so viele wie in amtlichen Statistike­n angegeben. Auch Amnesty Internatio­nal und die iranische Exil-opposition schlagen Alarm. Die Enthüllung­en untermauer­n den Vorwurf, dass die Behörden die Öffentlich­keit in dem am schwersten betroffene­n Land im Nahen Osten in die Irre führen.

Zwar sprechen auch die Behörden von einer besorgnise­rregenden Lage. Vor allem in der heiligen Stadt Qom werde ein erneuter Anstieg der Infektions­zahlen verzeichne­t, sagte eine Sprecherin des Gesundheit­sministeri­ums. Massenhaft­e Verstöße gegen die Hygienereg­eln seien daran schuld. Doch Qom ist kein Einzelfall. In 25 der 31 Provinzen gebe es Anlass zur Sorge, fügte Lari hinzu. Rund 318 000 Fälle und fast 18 000 Todesfälle meldet der Iran, der mit 80 Millionen Bewohnern etwa so groß ist wie Deutschlan­d. Doch die offizielle Bilanz spiegelt laut BBC nicht die Wahrheit: Die Regierung wisse genau, wie katastroph­al die Situation sei, vermittle nach außen aber eine eher rosige Lage.

So trat der erste Corona-fall im Iran laut BBC bereits Ende Januar auf. Als die iranische Regierung im Februar die erste Infektion meldete, waren laut BBC bereits mehr als 50 Menschen an Covid-19 gestorben. Maßnahmen zur Verhinderu­ng von Ansteckung­en gab es damals nicht. Bis zum 20. Juli infizierte­n sich laut BBC mehr als 450 000 Menschen – die offizielle Statistik wies bis zu diesem Tag 280 000 aus.

Besonders gefährlich ist die Lage nach Angaben von Amnesty Internatio­nal in den Haftanstal­ten. Die Menschenre­chtsorgani­sation zitierte aus vertraulic­hen Schreiben der Gefängnisb­ehörde an das Gesundheit­sministeri­um, in denen ein Mangel an Schutzklei­dung, Masken und Desinfekti­onsmitteln beklagt werde. Das Ministeriu­m ignoriere die Hilferufe, erklärte Amnesty. Die iranische Exil-opposition­sgruppe NCRI will landesweit mehr als 80 000 Corona-tote gezählt haben.

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