Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wohin mit all den Menschen an Seen und auf Bergen?

Vor allem in Südbayern fühlen sich Einheimisc­he vielerorts von Touristens­trömen überrannt. Höhere Parkgebühr­en allein lösen das Problem nicht

- VON MICHAEL MUNKLER redaktion@augsburger-allgemeine.de

Wie unter einem Brennglas führt uns die Coronapand­emie Probleme vor Augen, mit denen wir uns schon seit Jahren herumschla­gen. Die wir aber vielleicht verdrängt haben, deren Lösung wir aber auf jeden Fall nicht beherzt angegangen sind.

Hier ist jetzt nicht von Schwächen im Gesundheit­ssystem die Rede, sondern von überfüllte­n Stränden, von langen Autoschlan­gen in die Berge und zugeparkte­n Privatgrun­dstücken in Bergdörfer­n. All das gehört zu dem, was neudeutsch gerne als Overtouris­m bezeichnet wird. Salopp formuliert: Die vielen Touristen gehen den Einheimisc­hen zunehmend auf die Nerven.

Wo aber sollen all die Urlauber und Tagesausfl­ügler hin, die in Corona-zeiten in Deutschlan­ds Erholungsg­ebiete drängen? Und: Wo sollen die ihr Auto abstellen? Brauchen wir fünfstöcki­ge Parkhäuser an Bergen und Seen für die ohnehin immer größeren SUVS?

Dass es mit dem grenzenlos­en Individual­verkehr nicht einfach so weitergeht, war schon lange vor dem Corona-lockdown klar. Beispielsw­eise wurden im Allgäu schon vor der Pandemie die Stimmen derjenigen immer lauter, die eine deutliche Anhebung der Parkgebühr­en forderten. Und mehr Besucherle­nkung, notfalls auch das Sperren von Seitentäle­rn und Wegen für Mountainbi­ker.

Dann war es in den Urlaubsort­en gut zwei Monate lang gespenstis­ch still. Doch seit Mai scheinen die Touristens­tröme an Bayerns Bergen und Seen alles zu überlaufen. Das ist ganz einfach damit zu erklären, dass viel mehr Menschen als sonst zu Hause oder aber irgendwo im Inland Urlaub machen.

Können wir uns also zurücklehn­en und darauf hoffen, dass das uns alle ungeheuerl­ich nervende Thema Corona irgendwann einmal beendet sein wird und sich die Situation in den Urlaubsort­en wieder halbwegs normalisie­rt? Nein. Niemand weiß, wann Deutschlan­d und Europa Corona überwunden haben werden. Und kaum jemand glaubt, dass Fernreisen in absehbarer Zeit wieder weitgehend uneingesch­ränkt möglich sein werden. Also bleibt der Besucherdr­uck auf deutsche Urlaubszie­le groß.

Wer den Ansturm der Tagesausfl­ügler und Urlauber in Bahnen lenken will, der muss den Menschen Alternativ­en aufzeigen. Allein mit einer Erhöhung oder Verdoppelu­ng der Parkgebühr­en ist es nicht getan. Dem öffentlich­en Nahverkehr kommt dabei eine Schlüsselr­olle zu. Aber nur wenn das Angebot gut ist und die Preise akzeptabel sind, werden öffentlich­e Verkehrsmi­ttel auch angenommen. In Kempten und im Oberallgäu war im vergangene­n Jahr oft von einem gemeinsame­n 100-Euro-jahrestick­et für

Bus und Bahn die Rede. Bürger sammelten sogar Unterschri­ften dafür. Der Oberallgäu­er Kreistag beschloss, dieses Ticket noch in der ersten Hälfte dieses Jahres einzuführe­n. Die Stadt Kempten aber machte nicht mit. Erst einmal ist das Projekt damit vom Tisch. Auch deshalb, weil sich die Deutsche Bahn – wieder einmal – als schwerfäll­iger Verhandlun­gspartner erwies. Der Oberallgäu­er Kreistag hat jetzt eine Grundlagen­studie für ein Nahverkehr­skonzept in Auftrag gegeben. Ein Trauerspie­l: Die Untersuchu­ng kostet sage und schreibe fast 2,5 Millionen Euro – und mit einem Ergebnis ist nicht vor Ende 2023 zu rechnen.

Digitale Tourismus-leitsystem­e sollen in Zukunft dabei helfen, Besucherst­röme zu lenken. Doch bis es so weit ist, wird es wohl noch lange dauern. Eine Chance könnte die derzeitige Situation für Regionen sein, die bisher nicht so im Rampenlich­t stehen. Es muss nicht immer Oberstdorf oder Füssen sein. Gut wandern lässt es sich beispielsw­eise auch in den Westlichen Wäldern bei Augsburg oder im Unterallgä­u.

Bus und Bahn müssen zu einer Alternativ­e werden

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