Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Harte Schale, harter Kern
Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko regiert seit 25 Jahren im Geiste der alten Sowjetmacht. Eine Tradition, die nun zum Problem werden könnte
Es gibt Despoten, die ihre Macht nonchalant hinter einer freundlichen Maske oder eleganten Gesten verstecken. Diesen Vorwurf kann man dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko beim besten Willen nicht machen. Mit dem trockenen Statement „Lieber Diktator als schwul“konterte der heute 65-Jährige einst Kritik des bekennenden homosexuellen Grünen-politikers Guido Westerwelle. Trocken immerhin müssen seine „Untertanen“keineswegs leben: Der passionierte Eishockeyspieler empfahl Wodka als Wundermittel gegen die Corona-epidemie.
25 Jahre regiert Alexander Grigorjewitsch die Ex-sowjetrepublik – als letzter lupenreiner Diktator des europäischen Kulturkreises. Kein Zweifel, für diesen Job kann Lukaschenko eine klassische Ausbildung vorweisen: Damit ist weniger gemeint, dass sich der Sohn eines Textilarbeiters in Sowjetzeiten zum Lehrer für Geschichte und Agrarökonomie ausbilden ließ. Prägender dürfte seine Tätigkeit als Funktionär des Jugendwerkes Komsomol und vor allem als Instrukteur des sowjetischen KGB gewesen sein.
Dass Lukaschenko die Zeit des berüchtigten Geheimdienstes in Ehren hält, symbolisiert nicht nur, dass der Dienst in Weißrussland auch heute noch KGB heißt. Ausdruck einer fatalen Kontinuität ist, dass politische Gegner aus nichtigen Anlässen in den Kerkern des Regimes verschwinden. Im persönlichen Umgang, so konstatieren Politiker, die ihn getroffen haben, gibt sich Lukaschenko gerne kumpelhaft.
Opfer seiner Herrschaft bekommen allerdings seine dunkle, rachsüchtige Seite zu spüren.
Warum nur, so mag man sich fragen, kann sich so ein Mann derart lange an der Spitze eines Staates mit 9,5 Millionen Einwohnern halten? An einem überbordenden Wohlstand kann es nicht liegen, denn Weißrussland befindet sich mit seiner aufgehübschten Planwirtschaft in einer selbst verschuldeten Dauerwirtschaftskrise. Zwei Tatsachen begründen eine gewisse Popularität des Mannes mit den schütteren Haaren. Einmal hat ihm geholfen, dass er mit seiner direkten Art Punkte bei der ländlichen Bevölkerung sammeln konnte, zum Zweiten wurde ihm angerechnet, dass es ihm mit der ihm eigenen Bauernschläue gelungen ist, sich den Machtansprüchen des großen Bruders Russland ein Stück weit zu entziehen.
Doch die aktuelle Herausforderung lässt ihn als tumben Tor erscheinen. Mit Blick auf den erfrischenden Wahlkampf eines Frauentrios um die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja sieht der Vater zweier Söhne – Sohn Viktor ist bereits Chef des Sicherheitsapperates – fast noch älter aus als er politisch und biologisch letztlich ist. Eine freie Wahl würde er wohl klar verlieren.
Kein Wunder, dass Lukaschenko unabhängige Wahlbeobachter abgelehnt hat. Doch nichts ist unendlich: „Wir sind nicht ewig, wir gehen irgendwann“, sagte Lukaschenko mit Blick auf seine Familie einst.
Simon Kaminski