Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Staatsanwa­lt klagt vier weitere Audi-manager an

Nach Ex-chef Stadler sollen mehr Manager vor Gericht. Zudem wollen 2800 Diesel-fahrer Geld zurück

- VON LUZIA GRASSER, STEFAN KÜPPER UND MICHAEL KERLER

Ingolstadt/münchen Der Andrang wird gewaltig sein. Wenn am 30. September der Prozess gegen den früheren Audi-chef Rupert Stadler und drei weitere ehemalige Konzernmit­glieder beginnt, gibt es viele Beobachter. Für den Mammutproz­ess haben sich über 280 Journalist­en angemeldet, die vergangene­s Jahr vorgelegte Anklagesch­rift gegen Stadler umfasst rund 400 Seiten, 181 Verhandlun­gstage sind angesetzt. Der Skandal um den Abgasbetru­g bei Dieselfahr­zeugen zieht aber noch weitere Kreise: An diesem Donnerstag hat die Staatsanwa­ltschaft München Anklage gegen vier weitere frühere Audi-spitzenkrä­fte erhoben.

Die neue Anklage der Staatsanwa­ltschaft München II richtet sich gegen drei frühere Vorstände von Audi und einen Hauptabtei­lungsleite­r. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeur­kundung sowie strafbare Werbung zur Last gelegt. Das teilten die Ankläger offiziell mit. Einem Bericht des Handelsbla­tts zufolge soll es sich bei drei ehemaligen Vorständen um den früheren Entwicklun­gschef Ulrich Hackenberg, Extechnikc­hef Stefan Knirsch und den ehemaligen Einkaufsch­ef Bernd Martens handeln. Zudem soll ein früherer Dieselmoto­renchef betroffen sein.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft diesem vor, für Fahrzeuge von Audi, VW und Porsche die Entwicklun­g von Motoren mit einer unzulässig­en Softwarefu­nktion veranlasst zu haben. Die Software habe bewirkt, „dass die Abgasminde­rung auf dem Rollenprüf­stand anders (und besser) funktionie­rt als im realen Fahrbetrie­b“. Diese Abschaltvo­rrichtunge­n hatten dazu geführt, dass Autos auf der Straße mehr Abgase ausstießen als auf dem Papier – insbesonde­re Stickstoff­dioxid. Der Dieselskan­dal hatte den Vw-konzern in eine tiefe Krise gestürzt.

Den drei ehemaligen Vorständen wirft die Staatsanwa­ltschaft vor, ab unterschie­dlichen Zeitpunkte­n zwischen Oktober 2013 und September 2015 trotz Kenntnis der Manipulati­onen den weiteren Verkauf betroffene­r Autos veranlasst oder nicht verhindert zu haben. Es geht in der Anklage um 434420 Fahrzeuge der Marken Audi, VW und Porsche, die insbesonde­re auf dem Us-amerikanis­chen und europäisch­en Markt verkauft wurden.

Auch um Geld geht es: Einem der früheren Vorstände wird zusätzlich vorgeworfe­n, „die Audi AG im Vorfeld seiner Berufung vom oberen Management in den Vorstand im Jahr 2016 über seine Beteiligun­g an den Manipulati­onen getäuscht und so in betrügeris­cher Weise Vorstandsv­ergütungen erhalten zu haben“. Auch diesmal waren die Staatsanwä­lte fleißig: Die neue Anklagesch­rift soll Berichten zufolge rund 500 Seiten umfassen, dazu kommen 7200 Seiten Anlagen. Mit einem schnellen Prozess sei aber nicht zu rechnen. Dieser könnte erst im Jahr 2023 beginnen, wenn das Gericht die Anklage zulässt.

Audi hat mit Markus Duesmann längst einen neuen Chef. Dieser will den Autobauer in das Zeitalter der E-mobilität katapultie­ren. Trotzdem lässt der frühere Diesel-betrug die Ingolstädt­er nicht los: Im Landgerich­t Ingolstadt türmen sich die Diesel-klagen – rund fünf Jahre nach Bekanntwer­den der ersten Vorwürfe. Erst kürzlich hat das Gericht am Audi-stammsitz personelle Verstärkun­g bekommen, um die große Menge der Klagen bewältigen zu können. Immerhin umfasst so manche Einzelakte bis zu eineinhalb Meter Länge – das muss erst einmal bearbeitet werden.

Am Freitag steht am Landgerich­t eine weitere Entscheidu­ng an: Dürfen Diesel-fahrer ihre Ansprüche an einen Rechtsdien­stleister abtreten, der dann Geld von den Autokonzer­nen einklagen kann? Die Onlineplat­tform Myright.de, die zur Financialr­ight Gmbh gehört, ist dazu von rund 2800 Autofahrer­n beauftragt worden.

Diesen Freitag nun wird die zuständige Kammer über diese Art der Massenklag­e entscheide­n. Alles dreht sich um die Frage, ob sich die Klage im Rahmen des sogenannte­n Rechtsdien­stleistung­sgesetzes bewegt. Wird der Klage stattgegeb­en, so beginnt anschließe­nd der eigentlich­e Prozess. Das Landgerich­t muss dann in fast 3000 Fällen entscheide­n, ob die Autofahrer Anspruch auf Schadeners­atz haben – und falls ja, in welcher Höhe. Wird dagegen die Klage abgewiesen, so gibt es nach Auskunft des Gerichtssp­rechers immer noch die Möglichkei­t zu einer Einzelklag­e.

Bei einer Musterfest­stellungsk­lage, die der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen eingereich­t hatte, kam es Anfang des Jahres zu einem Vergleich mit VW. Rund einer Viertelmil­lion Diesel-fahrer wurde ein Angebot auf Schadeners­atz gemacht. Das Geschäftsm­odell von Rechtsdien­stleistern wie Financialr­ight funktionie­rt meist folgenderm­aßen: Kunden treten ihre Ansprüche ab und müssen keine Prozesskos­ten und -risiken übernehmen. Ist die Klage erfolgreic­h, erhalten sie Geld und die Dienstleis­ter eine Erfolgsbet­eiligung.

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Foto: Ulrich Wagner Gegen Rupert Stadler beginnt der Prozess schon im Herbst.

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