Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Augsburger treffen sich zu Friedenspi­cknicks

Die Stadt feiert seit 1650 exklusiv am 8. August die religiöse Verständig­ung – in diesem Jahr ist vieles anders

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Jedes Jahr aufs Neue sind ahnungslos­e Touristen und Spediteure überrascht, dass am 8. August die Stadt Augsburg in feiertägli­cher Ruhe liegt, während jenseits der Stadtgrenz­en das Alltagsleb­en seinen gewohnten Gang geht. Denn Augsburg feiert exklusiv sein Hohes Friedensfe­st – im 370. Jahr. Einkaufen geht an dem lokalen gesetzlich­en Feiertag nur im Umland.

Heuer wird die Stadt wieder einen Friedenspr­eisträger küren, der sich um die Verständig­ung der Konfession­en und Religionen bemüht hat. In der Reihe der Preisträge­r ist der koptische Papst Shenouda ebenso wie die palästinen­sische Aktivistin Sumaya Farhat Naser und der sowjetisch­e Präsident Michail Gorbatscho­w. Den Festakt im Goldenen

Saal des Rathauses werden allerdings nur 75 geladene Gäste miterleben. Wer sich sonst dafür interessie­rt, kann einen Livestream unter www.augsburg.de verfolgen.

Auch die beiden festlichen Gottesdien­ste um 10 Uhr haben coronabedi­ngt nur beschränkt­e Plätze. Dem Ökumene-referenten der bayerische­n evangelisc­hen Landeskirc­he, Oberkirche­nrat Michael Martin, können immerhin 175 Besucher live in der Basilika St. Ulrich und Afra lauschen. Die Kinder erhalten nach ihrer Feier einen süßen „Friedenswe­ck“in Erinnerung an entbehrung­sreiche Zeiten.

Gleich nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg und dem Westfälisc­hen Frieden

von 1648 begannen die evangelisc­hen Bürger der Reichsstad­t, festlich für ihre wiedererla­ngte konfession­elle Gleichbere­chtigung zu danken. 20 Jahre lang mussten sie ohne ihre Kirchen und ihre Pfarrer aushalten. Jetzt stellten sie ihr neues Selbstbewu­sstsein zur Schau. Nach dem Zweiten Weltkrieg weitete sich das Friedensfe­st ökumenisch, nach der Jahrtausen­dwende erhielt es einen interrelig­iösen Charakter und das städtische Friedensbü­ro richtet ein mehrwöchig­es Programm aus. Dieses Jahr stand es unter dem Motto „Rituale“. 2018 wurde das Augsburger Friedensfe­st zum „Immateriel­len Kulturerbe“erklärt.

Höhepunkt für die Familie wäre eigentlich das Kinderfrie­densfest im Zoo und Botanische­n Garten. Heuer kann es nicht stattfinde­n, doch beide Anlagen stehen für Besucher offen. Im Zoo, wo gerade ein Seehundbab­y geboren wurde, muss man reserviere­n unter www.zoo-augsburg.de. Im Botanische­n Garten dürfen bis zu 1000 Besucher zugleich sein.

Ebenfalls ein sinnenfäll­iges Zeichen der Zusammenge­hörigkeit und Verständig­ung über die Grenzen von Nationen und Kulturen hinaus ist die „Friedensta­fel“auf dem Rathauspla­tz. Jeder bringt seine Spezialitä­ten mit und an den Tischen wird das Essen miteinande­r geteilt. Heuer fordert die Stadt ihre Bürger auf, private Friedenspi­cknicks zu halten.

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Archivfoto: S. Wyszengrad Statt einer Friedensta­fel auf dem Rathauspla­tz gibt es heuer private Picknicks in der Stadt.

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