Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Von Null auf Tempo 310
Stefan Bradl springt für den verletzten Weltmeister Marc Márquez ein. Der 30-Jährige mag den Kurs in Brünn, doch ein Umstand bereitet ihm Bauchschmerzen
Augsburg Natürlich ist Stefan Bradl in den vergangenen Wochen Motorrad gefahren. „Aber wenn, dann zum Eisessen nach Augsburg oder zum Baden an den See und da zähle ich zu den gemütlichsten Fahrern der Welt“, erzählt der Mann aus Zahling im Landkreis Aichachfriedberg. Doch jetzt ist Schluss mit lustig durch die Gegend zu brausen. Es geht praktisch aus dem Stand in der Königsklasse Motogp gegen die Besten der Welt – von Null auf 310 Sachen, die auf dem Kurs in Brünn in der Spitze gefahren werden.
Zu Wochenbeginn kam die Nachricht von Honda, dass der 30-Jährige seinen Kommentatorenposten bei Servustv verlassen und in den Rennoverall schlüpfen soll. Der Grund: Weltmeister Marc Márquez ist am Montag ein zweites Mal an seinem rechten Oberarm operiert worden. Die Titanplatte, die bei dem ersten Eingriff eingesetzt worden war, um den Bruch zu fixieren, hat der offenbar überehrgeizige Márquez durch Belastung beschädigt. Der Spanier hatte zu viel gewollt und versucht, in Jerez wieder auf seine Maschine zu steigen. Doch die Platte verschob sich und der Spanier musste ein zweites Mal innerhalb von 14 Tagen unters Messer. Das eröffnet Bradl, der ansonsten als Testfahrer für die Japaner arbeitet, seine Chance. Am Wochenende in Brünn wird der Moto2-weltmeister von 2011 mit bestem Material unterwegs sein. „Ich bekomme die Maschine von Marc Márquez, da müssen nur Kleinigkeiten auf mich eingestellt werden, da wir fast gleich groß sind“, berichtet Bradl aus Brünn.
Die Situation, als Ersatzmann innerhalb von wenigen Tagen einzuspringen, kennt Bradl. Bereits in der Saison 2018 fuhr er drei Rennen auf dem Sachsenring, in Malaysia und Valencia. In der vergangenen Wm-saison ersetzte der Motorrad-pilot den verletzten Spanier Jorge Lorenzo in vier Wm-läufen (Jerez, Sachsenring, Brünn und Spielberg). Und doch ist die Situation im Jahr 2020 schwieriger. Sein letzter Renneinsatz liegt inzwischen ein Jahr zurück. Normalerweise ist der Einwechselspieler Bradl topfit, auch weil er während der Saison neue Teile für das Werks-motorrad von Márquez testet. Wegen der Coronapandemie fuhren die Japaner das
Programm in den vergangenen Monaten allerdings auf Null herunter. Deshalb verließ sich Bradl nicht auf die Genusstouren in den Wäldern rund um Zahling. „Ich habe auf einer aufgemotzten Straßenmaschine je zwei Renntage auf dem Hockenheimring und dem Sachsenring gehabt.“Den Ernstfall im tschechischen Brünn geht Bradl deshalb mit Respekt an: „Ich sehe es als große Herausforderung, aus dem Stand in der Motogp mit den Besten der
Welt zu fahren. Ich muss schauen, dass ich möglichst schnell in den Renn-rhythmus komme.“Es wäre ein Riesenerfolg, auf Anhieb in die Punkte, also unter die ersten 15 zu kommen. In 2019 gelang ihm das Kunststück mit den Rängen zehn auf dem Sachsenring, 15 in Brünn und 13 in Spielberg.
Auch in 2020 soll es nicht bei einem Wm-einsatz bleiben. Da die Ärzte Márquez nach der zweiten Operation nun wirklich Ruhe verordneten, setzt Honda auch in den folgenden Läufen in Spielberg auf den eigenen Testfahrer. „Mein Plan ist, in Österreich anzugreifen. Brünn sehe ich als Testeinsatz unter
Rennbedingungen“, sagt Bradl. Gehandicapt geht Landsmann Marcel Schrötter eine Klasse tiefer in das Brünn-wochenende. Nachdem der 27-Jährige in der Vergangenheit immer wieder über Schmerzen im rechten Unterarm geklagt hatte – in Rennfahrerkreisen als Arm-pumpproblem oder Kompartment-syndrom bekannt – , ließ sich der Fahrer aus Pflugdorf bei Landsberg Ende Juli in Barcelona am Universitätskrankenhaus Dexeus von Doktor Xavier Mir am Arm operieren. Stefan Bradl kennt den Eingriff: „Das ist eine typische Rennfahrerkrankheit. Habe ich auch schon machen lassen.“
Die Genesung macht Fortschritte, aber es brauche Zeit, bis die Schwellung abgeklungen ist. „Zu hundert Prozent fit werde ich in Brünn sicherlich nicht sein, aber es wird mir möglich sein zu fahren“, sagt Schrötter, der für das Memminger Intact Gp-team startet. Einen Vorteil hat der Pflugdorfer gegenüber Bradl: Er ist nach zwei Wmläufen mit 15 Punkten (Rang zwölf) im Rennmodus.
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Rennsonntag
Moto3: 11 Uhr
Moto2: 12.20 Uhr
Motogp: 14 Uhr Fernsehen: Servustv überträgt live
Marcel Schrötter am rechten Arm operiert