Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Das wird kein Spaß“
Panther-trainer Tray Tuomie steht mit seiner Mannschaft vor einer völlig neuen Situation. Corona hat viele Pläne über den Haufen geworfen. Ein Gespräch über unsichere Zeiten, neue Spieler und künftige Duelle mit seinem Sohn
Die neue Saison in der Deutschen Eishockeyliga (DEL) soll mit zwei Monaten Verspätung Mitte November losgehen. Corona hat also auch im Eishockey die Pläne über den Haufen geworfen. Wie normal kann in diesem Durcheinander eine Vorbereitung auf die sportlichen Aufgaben sein?
Tray Tuomie: Sie wird nicht normal. Das haben wir auch den Jungs gesagt. Alleine schon das Mehr an Hygienemaßnahmen im Trainings- und Spielbetrieb wird täglich Auswirkungen auf uns haben. Es ändert sich inhaltlich aber nichts an dem, was wir zu tun haben. Wir müssen trainieren, wir müssen fit und bereit sein, wenn es losgeht. Das haben die Spieler bisher hervorragend gemacht. Sie sind bereit und könnten jetzt eigentlich schon starten. Jetzt ist die Kunst, die Spannung hochzuhalten, denn wir müssen ja noch zweieinhalb Monate warten. Das werden wir aber hinkriegen.
Immerhin gibt es mit dem 13. November jetzt zumindest ein Datum, an dem es losgehen soll. Bisher haben die Spieler komplett ins Blaue hinein trainiert. Tuomie: Das stimmt. Das ist extrem wichtig, denn diese Ungewissheit ist schlecht. Jetzt haben wir einen Punkt, den die Jungs anpeilen können. Bisher war das in diesem Sommer schwierig, weil keiner wusste, wann es losgehen soll. Auch wenn der 13. November als Ligastart natürlich weiter abhängig von der Politik und der Wirtschaftlichkeit des Spielbetriebs ist – für uns ist das der Tag X.
Der Spielplan wird enger gestaffelt sein, sehr kräftezehrend mit vielen englischen Wochen. Ist da eine gute Vorbereitung noch wichtiger? Tuomie: Man muss so oder so fit sein für eine Saison. Aber natürlich ist die kommende eine besondere. Wir werden den ein oder anderen Spieler mehr brauchen, damit wir rotieren können. Jeder Einzelne wird wichtig sein, jeder muss fit und bereit sein. Das gibt mir die Möglichkeit, dem ein oder anderen auch mal eine Pause zu gönnen. Insgesamt müssen wir in der Vorbereitung ab Oktober wahrscheinlich sehr flexibel sein.
Die großen Klubs aus Mannheim oder München haben Kader, die auch in der vierten Reihe noch sehr stark besetzt sind. Ist es für diese Mannschaften ein Vorteil, dass innerhalb kurzer Zeit sehr viele Spiele stattfinden, da sie Ausfälle besser kompensieren können? Tuomie: Das denke ich schon. Man muss die Belastung möglichst gut verteilen. Da kann es schon ein Vorteil sein, wenn man viele starke Spieler zur Verfügung hat. Andererseits ist es auch eine Kunst, dafür zu sorgen, dass diese Spieler auch alle zufrieden sind.
Der Kader der Augsburger Panther ist noch nicht komplett, drei Ausländerlizenzen sind zu vergeben. Was Spielertypen suchen Sie noch? Tuomie: Vor allem brauchen wir noch einen guten Mittelstürmer. In einer perfekten Welt ist der ein guter Bullyspieler, ein Leader, kann Pucks verteilen und schießt ab und zu auch selbst ein Tor. Und ein Rechtsschütze wäre auch nicht schlecht. Vor allem aber muss er zu uns passen. Das gilt natürlich immer, aber es gilt ganz besonders jetzt in dieser Ausnahmesituation. Dazu brauchen wir noch zwei Außenstürmer. Das würde uns mehr Variabilität geben. Unser Neuzugang Michael Clarke ist zum Beispiel so ein Spieler, der sehr flexibel einsetzbar ist.
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Gibt es weitere Kandidaten?
Tuomie: Natürlich gibt es eine Liste, die müssen wir jetzt noch ein bisschen eindampfen. Aber wir haben keine Eile. In einem Monat kann eine ganze Welle neuer Spieler auf dem Markt sein. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie sich die Situation in Nordamerika entwickelt. Ob und wann die AHL spielen kann.
Ist es in dieser Situation vielleicht sogar wichtiger, dass ein Neuzugang die DEL und das Eishockey in Europa schon kennt?
Tuomie: Sicherlich ist das ein Faktor. Mir ist eventuell ein Spieler lieber, der sich in Europa schon auskennt. Das heißt nicht, dass wir nicht drei
Leute aus Nordamerika holen. Aber weil die Saison so verkürzt ist, bleibt eben keine lange Eingewöhnungsphase. Wichtig wird sein, dass wir versuchen, immer den bestmöglichen Spieler für die offenen Stellen zu verpflichten. Wie immer gibt es aber keine Garantie, dass ein Spieler, der vorher sehr gut gewesen ist, das dann auch hier zeigt.
Wie stehen die Chancen von Matt Fraser, auch in der kommenden Saison in Augsburg zu spielen?
Tuomie: Matt Fraser bleibt ein Thema. Er steht auf der Liste und ist ein Kandidat, der schon hier war und sich auskennt.
Der Kader bleibt in seiner Grundstruktur zusammen. Was sind die Lehren aus der vergangenen Saison? Tuomie: Vielleicht brauchen wir ein bisschen frischen Wind, den die Neuzugänge bringen können. Wir haben jetzt sechs U23-spieler im Kader, die auch ihre Einsatzzeit und ihre Chance bekommen werden. Und ich will die Rollen klarer verteilen. Letzte Saison haben zu viele Spieler Über- und Unterzahl spielen müssen. Das will ich von vornherein besser verteilen und für mehr Balance sorgen.
Außer Drew Leblanc, der wahrscheinlich weiterhin beides spielen wird ...?
Tuomie: Er wird natürlich auch in Unterzahl spielen, aber idealerweise nicht mehr so oft. Er ist durch seine Qualität natürlich immer eine Option. Und Drew ist auch ein Spieler, der gerne viel auf dem Eis steht.
Die Personalie Leblanc hat sich lange hingezogen. Jetzt steht fest, dass der Topscorer der Panther zwei weitere Jahre bleibt. Wie wichtig ist er für die Mannschaft?
Tuomie: Er ist eine riesige Bereicherung für jede Mannschaft. Ihn will jeder Trainer bei sich haben.
Ihr Sohn Parker ist aus Nordamerika zurückgekehrt und steht kommende Saison beim Del-konkurrenten Eisbären Berlin unter Vertrag. Wie wird es sein, gegen ein Familienmitglied zu spielen?
Tuomie: Dann werde ich ihn endlich mal wieder live spielen sehen. Das letzte Mal ist jetzt schon vier Jahre her. Für mich ist es schön, dass er wieder in Deutschland ist. Aber da herrscht schon ein Wettkampf zwischen uns, das wird kein Spaß (lacht). Das hat schon begonnen. Wenn ich ihn zum Beispiel frage, wie es in Berlin so läuft, sagt er, dass mich das überhaupt nichts angeht. Normalerweise haben wir immer darüber geredet, wie es sportlich gerade bei ihm läuft. Das ist jetzt vorbei. Wir wollen beide mit unseren Teams gewinnen.
Nachdem Ihr Vertrag in Augsburg am Ende der vergangenen Saison ausgelaufen war, standen Sie drei Monate ohne Anstellung da, ehe Sie neue Arbeitspapiere bekamen. Ist das eine Situation, die zum Job des Trainers dazugehört?
Tuomie: Wenn man diesen Weg eingeschlagen hat, muss man sich damit abfinden, dass so etwas passiert. Das ist nicht jedermanns Sache. Es gibt Leute, die einen sicheren Weg gehen. Und dann gibt es Leute, die es anders machen. Beides hat Vor- und Nachteile. Man muss immer positiv bleiben. Außerdem sind durch die Corona-pandemie zunächst auch andere Dinge wichtiger als Personalien gewesen.
Die Trainer-personalie wurde unter den Fans kontrovers diskutiert. Wie haben Sie das mitbekommen? Tuomie: Natürlich habe ich das mitbekommen. Und es beschäftigt mich auch, aber man muss es ausblenden können. Ich werde lieber von den Rängen ausgepfiffen, als in meiner eigenen Kabine von den Jungs. Es wäre viel schlimmer, wenn ich die Mannschaft verlieren würde. Und dieses Gefühl hatte ich nie. Was außerhalb der Kabine passiert, das kann ich nicht beeinflussen.
Mit Ulf Wallisch haben Sie künftig wieder einen Mental-coach an der Seite, der zu Mike Stewarts Zeiten auch schon einmal in Augsburg tätig war. Was hat Sie dazu bewogen, ihn zurückzuholen?
Tuomie: Ich kenne ihn und ich habe gemerkt, dass so eine Person wirklich wichtig ist. Die Spieler können ihn nutzen – und ich auch. Als Trainer stehst du oft ganz alleine da und es stellt sich die Frage: Wer kann auch mal den Coach von etwas außerhalb anschauen und ihm ein paar Tipps geben?
Akzeptieren Eishockey-profis, die ja eher als „harte Hunde“gelten, einen Trainer für den Kopf und vielleicht sogar für die Seele?
Tuomie: Wir werden natürlich keinen zwingen, zu ihm zu gehen. Es ist ein Angebot. Wenn ein Spieler sagt, er braucht das nicht, dann ist das so. Die gibt es mit Sicherheit. Aber es gibt eben auch Spieler, die versuchen alles aus sich herauszuholen und dieses Angebot intensiv nutzen. Interview: Andreas Kornes
und Milan Sako
● Tray Tuomie, 52, stammt aus Minneapolis (USA). 1991 wechselte der Stürmer zum ERC Haßfurt. Seine Trainerkarriere begann Tuomie 2009 bei den Weser Stars in Bremen, wechselte aber schon ein Jahr später als Assistent nach Düsseldorf in die DEL. Als Cheftrainer war er in der ersten Liga bisher in Nürnberg und seit der vergangenen Saison in Augsburg tätig. (ako)