Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Für 20.15 Uhr ist mein Buch untypisch“

Die Verfilmung eines Krimis des Augsburger Schriftste­llers Franz Dobler läuft am Montag im ZDF. Die Hauptrolle spielt Starschaus­pielerin Iris Berben. Deshalb ist einiges anders als im Roman

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Am Montag ist im ZDF die Verfilmung Ihres Romans „Schlag ins Gesicht“zu sehen. Haben Sie den Film, der den Titel „Nicht tot zu kriegen“trägt, schon sehen können? Oft sind ja Autoren nicht so begeistert, wenn sie ihre Bücher im Film erleben.

Franz Dobler: Stimmt. Bei mir war das aber ein Spezialfal­l. Die Regisseuri­n Nina Grosse ist eine alte Freundin von mir. Ich kenne fast alle ihrer Filme und habe sie schon immer sehr geschätzt. Ich wusste also, dass ich ihr vertrauen kann.

Von Nina Grosse stammt auch das Drehbuch. Wie ist das, wenn man seinen Stoff so aus der Hand gibt? Dobler: Ich habe ihr gleich gesagt: „Du kannst machen damit, was du willst.“Aber sie hat mir von Anfang an die Drehbuchfa­ssungen gezeigt und wollte wissen, wie ich es finde und ob mir noch etwas einfällt.

Sie konnten am Drehbuch mitwirken? Dobler: Nicht wirklich. Ich habe nur manchmal Kleinigkei­ten vorgeschla­gen. Es lief alles total gut und ich bin mit dem Ergebnis wirklich zufrieden. Ich wusste ja auch, was mich von Nina Grosses Stil her erwartet. Und sie hat ein paar Dinge eingebaut, die es bei mir gar nicht gibt. Die hätte ich mir in meinem Buch auch gut vorstellen können.

Wie kam es zu der Verfilmung? Dobler: Es ging darum, ein spezielles Filmgesche­nk zum 70. Geburtstag von Iris Berben zu machen. Nina Grosse war in einem Pool von Leuten, die dazu Ideen einbringen konnten, weil sie für die Serie „Die Protokolla­ntin“schon sehr viel mit Iris Berben gearbeitet hatte. Mein Roman hat sehr gut dafür gepasst, weil er in dieser Film- und Halbweltsz­ene im München der 70er Jahre spielt, aus der Iris Berben kommt. Sie wird sogar in meinem Buch einmal erwähnt.

An Iris Berben haben Sie aber nicht gedacht, als Sie die Figur der Schauspiel­erin Simone Thomas entwickelt haben?

Dobler: Nein, gar nicht, ich hatte keine einzelne Person im Blick, es waren verschiede­ne Personen, zu denen die Geschichte passen sollte, auch zu dem, was ich damit ausdrücken wollte, dass eine Frau durch ihr hübsches Aussehen von Männern ausgebeute­t wird. Meine Figur kommt von wesentlich schlechter­en Filmen her als Iris Berben. Da spielen die Schulmädch­en-reports eine Rolle. Im ZDF-FILM ist das näher auf Iris Berben hingeschri­eben, es ist eher glamourös als trashig. Man sieht auch einige Ausschnitt­e aus ihren Filmen von damals.

Also ist die Figur der Schauspiel­erin, die von einem Stalker verfolgt wird, im Mittelpunk­t des Films?

Dobler: Nina Grosse hat den Plot auf Person von Iris Berben hin verschoben, als Schauspiel­erin mit einer schillernd­en Vergangenh­eit. In meinem Buch steht mehr die männliche Hauptfigur des Privatdete­ktivs Robert Fallner mit seinen psychische­n Problemen im Vordergrun­d. Der ist im Film etwas weggerückt.

Aber Fallner ist doch in seiner Zerrissenh­eit, in seiner Härte und gleichzeit­igen Verletzlic­hkeit Dreh- und Angelpunkt Ihres Romans. Bedauern Sie es nicht, dass er im Film ins Hintertref­fen gerät?

Dobler: Nein, er ist ja trotzdem noch eine wichtige Figur. Ich war auch sofort begeistert, dass Murathan Muslu die Hauptrolle spielt. Er ist noch nicht so bekannt, hat aber in der Rolle eine irrsinnige Präsenz. Es gibt eine Szene am Anfang des Films, in der er sehr lange gar nichts sagt, gefühlt dauert das eine Viertelstu­nde, aber er ist trotzdem klasse.

Fallner ist ein Ex-polizist, der einen jungen Drogendeal­er erschossen hat, damit nicht klarkommt und seinen Beruf aufgibt. Im ersten Buch „Ein Bulle im Zug“beschreibe­n Sie, wie er sich eine Bahncard 100 kauft und in Zügen durch Deutschlan­d fährt. Im zweiten Teil, „Ein Schlag ins Gesicht“, arbeitet er in der Sicherheit­sagentur seines Bruders und soll eine

Schauspiel­erin vor einem Stalker beschützen. Wie sind Sie auf die Figur gekommen?

Dobler: Ich weiß es nicht mehr genau. Die Figur war eher thematisch begründet. Am Anfang stand die Idee eines Roadmovies, aber nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug. Eine andere Idee war die, etwas über die psychische Problemati­k von Leuten zu schreiben, die bei der Polizei oder dem Militär arbeiten und traumatisi­ert sind. Das spielte eine Rolle bei der Überlegung, wer fährt mit diesem Zug. Dazu habe ich viel recherchie­rt über Polizisten, die jemanden erschossen haben. Was da abläuft, wenn man legitimier­t dazu ist, jemanden zu erschießen und was das mit einem macht, interessie­rte mich. Denn dass es legal ist, das bewahrt einen ja nicht davor, traumatisi­ert davon zu sein, jemanden getötet zu haben. So kam das Profil dieser Figur zustande.

Mögen Sie diesen Fallner eigentlich? Dobler: Nicht immer. So einfach kann man das aber nicht sagen.

Trotzdem haben Sie mittlerwei­le drei Bücher geschriebe­n, in denen diese Figur im Mittelpunk­t steht. War das so geplant?

Dobler: Ich wollte eigentlich nur das erste schreiben, aber schon bevor ich damit fertig war, stellte sich heraus, dass da noch mehr drinsteckt. Doch ich wollte kein Buch mit 600 Seiten machen, deshalb musste ich dann ein zweites schreiben. Mir hat auch die Idee gefaldie len, dass es weitergeht mit diesem Polizisten, der so gravierend­e Probleme hat.

In dem jetzt verfilmten zweiten Band geht es um Stalking. Was hat Sie an diesem Thema interessie­rt?

Dobler: Stalking ist hauptsächl­ich ein Männerdeli­kt, sieht man einmal von den wenigen Fällen ab, in denen Frauen berühmte Filmschaus­pieler stalken. Aber diese üble Variante, in der einem das Leben wirklich schwer gemacht wird, dieses Verbrechen begehen fast nur Männer. Dieser Aspekt hat mich interessie­rt.

Gibt es irgendwo in den Faller-krimis noch eine Spur, die Sie in einem vierten Band weiterverf­olgen wollen? Dobler: Bis jetzt habe ich weder beschlosse­n, dass es weitergeht, noch dass es aufhört. Nicht ganz so schnell jedenfalls. Im Moment mache ich erst einmal einen neuen Gedichtban­d fertig, den muss ich in den nächsten Wochen abschließe­n.

Sie sind bekannt dafür, sich abseits des Mainstream­s zu bewegen. Wie kommen Sie denn damit zurecht, dass Sie nun bei der 20.15-Uhr-zdf-unterhaltu­ng gelandet sind?

Dobler: Gemeine Frage! Ja, ja, 20.15 Uhr ist kein gutes Zeichen, 22.15 Uhr würde mich eher beruhigen. Aber mein Buch ist sehr unblutig, da passiert einfach nichts sehr Schlimmes, außer man denkt die psychische­n Probleme der Figuren weiter. Für die reine 20.15-Uhr-unterhaltu­ng finde ich es trotzdem eher untypisch.

Und was ist mit der Sprache, oft derb und direkt – also eher nicht jugendfrei? Dobler: Ich verwende das ja nie sinnlos, sondern an die Situation angepasst. In den Filmdialog­en ist das weitgehend übernommen worden, vielleicht fallen weniger Schimpfwör­ter. Filmsprach­e funktionie­rt aber ganz anders als Literaturs­prache. Durch die Bilder bekommt die Sprache eine andere Wirkung. Um eine Szenerie aufzubauen, benötige ich im Buch mehrere Seiten, im Film reicht dafür eine Einstellun­g von 20 Sekunden. Eine Szene zum Beispiel, in der ich übrigens als Statist mitwirken durfte, spielt im Münchner Bahnhofsvi­ertel, im Schillerca­fé in der Schillerst­raße. Das zu beschreibe­n ist etwas anderes als es zu zeigen.

Wenn Sie nun schon bei 20.15 Uhr angekommen sind: Würde es Sie auch reizen, das Drehbuch zu einem Fernseh-„tatort“zu schreiben?

Dobler: Es käme darauf an, wie viel Freiheit man hat. Ich habe da aber eher negative Dinge gehört. Ich glaube, dieses Korsett ist wahnsinnig eng. Aber ich schreibe seit letztem Jahr für den Bayerische­n Rundfunk Radio-„tatorte“. Das hat vorher ein anderer Autor gemacht und der Sender wollte einen Neubeginn. Ich konnte absolut bei Null anfangen, ein neues Set entwerfen, ein neues Team. Diese Freiheit zu haben ist toll. Interview:

Birgit Müller-bardorff

Termin „Nicht tot zu kriegen“läuft am Montag, 10. August, um 20.15 Uhr im ZDF. Doblers Vorlage „Ein Schlag ins Gesicht“gibt es als Heyne-taschenbuc­h.

„Durch die Bilder bekommt die Sprache eine andere Wirkung“

 ?? Foto: Alexander Fischerkoe­sen, ZDF ?? Iris Berben in der Dobler-adaption: Nächste Woche wird sie 70. Am Montag lesen Sie dazu bei uns das große Geburtstag­sinterview.
Foto: Alexander Fischerkoe­sen, ZDF Iris Berben in der Dobler-adaption: Nächste Woche wird sie 70. Am Montag lesen Sie dazu bei uns das große Geburtstag­sinterview.
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Foto: Marijan Murat

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