Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Aber bitte mit Maske!

Ohne Maske darf niemand in Geschäfte oder die Tram. Der Mundschutz ist zum Accessoire des Sommers geworden, doch man hat den Eindruck, nicht alle mögen ihn. Ein Rundgang durch die Stadt mit skurrilen Erlebnisse­n

- VON JONAS VOSS

Sie fahren wieder, die Straßenbah­nen – wenn auch nicht in dem Takt, in dem sich das so mancher Augsburger wünschen würde. Und klar, viele wären auch gerne ohne Maske unterwegs. Aber es klappt doch recht gut mit der Disziplin im ÖPNV. Ein Nachmittag in der Tram, es ist die Einser. Sie ist ziemlich voll, an manchen Plätzen sitzen Fremde Schulter an Schulter nebeneinan­der. Menschen unterhalte­n sich über die Köpfe anderer hinweg. Lautstark, die Maske dämmt ja, also muss man die Stimme anheben. Der Mundschutz wird auch mal kurz herunterge­zogen, damit man mehr versteht. Aber im Großen und Ganzen tragen die Fahrgäste den Mundschutz. Und was man da nicht alles sieht… Op-masken, selbst genähte Stoffmaske­n in allen Farben und Mustern, Fca-fanclub-masken („stay safe“), vor den Mund gehaltene Schals, Tücher oder Papiertüte­n, Plastikvis­iere, Ffp-masken…

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Es ist ein heißer Tag. In den Häuserschl­uchten der Innenstadt verursacht fast jede Bewegung Schweißtro­pfen. Die Menschen suchen Zuflucht – einige im Schatten der Bäume am Kö-park. Dort tummeln sich an diesem Nachmittag ganz unterschie­dliche Menschen: Gruppen von Trinkern, Familien mit Kinderwage­n, Jugendlich­e mit Musikboxen. Masken? Nahezu Fehlanzeig­e. Auf nur einer Parkbank wird auf die Corona-abstände geachtet, davon abgesehen quetschen sich die Menschen auf Bänke und steinerne Fassungen der Bepflanzun­gen eng nebeneinan­der. Schatten ist knapp.

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Einige Polizisten kommen vorbei – und können gar nicht immer Abstand halten. Ein Pärchen schlendert in Richtung Parkanlage, als innerhalb einer Minute zwei Polizeiaut­os, ein Fahrrad-polizist und ein Mann, wahrschein­lich ist es ein Ladendetek­tiv, das Paar umzingeln. Rucksack runter, Rucksack auf, mutmaßlich geklaute BHS und Höschen raus. Die fünf Polizisten halten weder untereinan­der noch zu den drei anderen Beteiligte­n Abstand. Wie auch in dieser Situation?

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Besuch in einer Metzgerei. Der Kunde mit Maske, die Verkäuferi­n hinter Plexiglas. Sie schauen sich an, die Verkäuferi­n legt los: „Sie müssen schon lauter sprechen!“Der Kunde ist verwundert. „Ich habe doch noch gar nichts gesagt.“Die anderen Kunden müssen lachen, die Verkäuferi­n auch. Masken machen die Kommunikat­ion nicht leichter.

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Wer von Königsplat­z über Annastraße, Steingasse und den Rathauspla­tz bis zum Drei Mohren schlendert, merkt schnell: Sobald die

Menschen irgendwo sitzen, werden Masken, bis auf wenige Ausnahmen, in Hosen- und Umhängetas­chen verstaut. Ist im Lokal ja auch erlaubt. Aber jeder scheint auch froh zu sein, wenn er den Mund-nasenchutz absetzen kann.

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An den Eisdielen klappt das Schlangest­ehen recht gut. Niemand rückt jemandem auf die Pelle, die Verkäuferi­nnen sind hinter Plexiglass­cheiben gut geschützt. Masken trägt niemand, auch beim Anstehen nicht. Das gleiche Bild bietet sich an den Essensstän­den am Moritzplat­z.

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Die höchste Maskendich­te bietet in diesen Tagen wohl das Klimacamp am Fischmarkt neben dem Rathaus. Die Umweltakti­visten nehmen den Mundschutz offenbar nur zum Essen und Schlafen ab.

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Wenn man schon Maske tragen muss, dann richtig, scheinen sich einige zu denken. Und so wird der Schutz zum Accessoire. Manchen Frauenarm ziert das Teil wie ein Armreif. Andere hängen sich die Maske einfach um den Hals. Sehr selten sieht man jemanden, der sie auch auf der Straße trägt.

*** Nochmal ein Ausflug mit der Tram. Zwei Männer verweigern sich diesmal dem Mundschutz total. Der eine: groß, tätowiert, breite Oberarme und gerader Blick. Besser nicht ansprechen. Der andere: klein, rund, fährt sich mit der Hand durchs Gesicht, die Maske hängt als drittes Kinn um seinen Hals. Die Maske setzt er erst auf, nachdem böse Blicke der Umstehende­n nicht mehr zu ignorieren sind.

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Streift man durch die Geschäfte, sieht man immer wieder Kunden, die die Maske nicht so ganz richtig tragen. Manche bedecken ihre Nase nicht, eine ältere Dame, die „nur mal schnell“ein Buch zurückgebe­n will, verzichtet ganz auf den Schutz. Abstände einzuhalte­n fällt in vielen Geschäften sehr leicht – weil sie groß sind und der Kundenandr­ang recht verhalten. Auch achten Kunden aufeinande­r, manche schlagen regelrecht Bögen um andere. Aber auch hier gibt es sie: die in den Nacken-atmer und die Direkt-nebeneinem-ansteher.

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Vor einer Drogeriema­rkt-filiale steht ein Mann, mundschutz­los, schaut kurz hinein, schüttelt den Kopf und geht wieder. Maske vergessen oder Unmut über die Regeln, die Corona diktiert?

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Klar, diesen Unmut gibt es. In der Sparkassen­filiale am Rathauspla­tz überwacht seit einiger Zeit ein Sicherheit­sdienst die Einhaltung der Regeln. Kunden, die keine Maske tragen, lässt er nicht hinein, doch jedes Mal entschuldi­gt er sich fast: „Ich kann auch nichts dafür, ich darf sie halt nicht reinlassen.“Eine ältere Dame versteht ihn, mag die Maske aber trotzdem nicht aufsetzen. „Dann gehst du halt allein rein“, sagt sie zu ihrem Mann, und wartet draußen. Maskenlos.

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Am Abend sind die Innenräume von Cafés und Restaurant­s gut gefüllt. Je nach Größe des Ladens erlauben auch die Corona-regeln eine stattliche Anzahl an Gästen. Manchmal ist zu beobachten wie jemand vom Tisch aufsteht und nach den ersten Schritten umdreht. Mundschutz vergessen. Alle Lokale achten darauf. Sie haben die Tische weiter auseinande­r gestellt oder einige ganz abgebaut. Die meisten Wirte sind froh, dass sie überhaupt wieder öffnen dürfen.

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Foto: Max Kramer In den Straßenbah­nen und Bussen tragen die Menschen weiter ihren Mundschutz. Unter freiem Himmel sieht es anders aus. Zumindest lässt sich dort besser Abstand halten.

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