Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Anwohner klagen gegen Neubau in Pfersee
Die Wohnbaugruppe Augsburg will auf dem Areal der ehemaligen Spicherer-schule 74 Wohnungen errichten. Die Nachbarn nehmen an geringen Abstandsflächen Anstoß. Auch Baumfällungen sorgen für Ärger
Das Grundstück von Gernot Braun grenzt direkt an das Areal der Spicherer-schule in Pfersee-nord. Der dreifache Vater kann sich noch an die Zeit erinnern, als in dem alten Gebäude Kinder ein- und ausgingen, er hat seinen Leerstand und die Zwischennutzungen erlebt – und seit Beginn des Jahres die vorbereitenden Arbeiten sowie den Abbruch der Schule.
Von ihr sind mittlerweile fast nur noch Steinhaufen übrig. Die Wohnbaugruppe Augsburg (WBG) will auf dem rund 7500 Quadratmeter großen Gelände zwischen der Metzstraße im Norden, der Koboldstraße im Westen, der Stadtberger Straße im Süden und der Spicherer Straße im Osten eine Wohnanlage in Holzhybrid-bauweise errichten. Die 74 Wohnungen, die der einkommensorientierten Förderung unterliegen, verteilen sich auf sieben Gebäude. Außen stehen jeweils zwei Häuser hintereinander, in der Mitte reihen sich drei Gebäude aneinander.
Das ist der Grund, warum Braun gegen das Vorhaben klagt. Sein Kritikpunkt: „Dieser Riesenkomplex fügt sich nicht in das Straßenbild der Umgebung ein, das überwiegend aus Siedlerhäusern besteht.“Dabei sei die Höhe der insgesamt dreigeschossigen Neubauten nicht das Problem, sondern die Ausmaße des mittleren Traktes. Denn die drei Häuser würden mit so geringem Abstand gebaut, dass der Eindruck entstehe, es handle sich um einen Komplex, sagt der Diplom-kaufmann.
Braun wirft hier der Stadt vor, die Wohnbaugruppe als ihre Tochter zu bevorzugen. „Die WBG darf Dinge, die kein privater Bauherr darf.“Er hingegen habe als Bauträger, der aktuell in Kriegshaber Studentenapartments errichtet, die Abstandsflächen „auf den Zentimeter“einhalten müssen. Noch steht nicht fest, wann die Klagen – neben Braun ziehen noch einige andere Anlieger vor Gericht – verhandelt werden. Wichtig ist dem Endvierziger jedoch der Hinweis, dass es ihm dabei nicht um die Bebauung an sich geht: „Ich habe auch nichts gegen sozialen Wohnungsbau.“
Nach Auskunft von Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe hat die Wohnbaugruppe mittlerweile den Bauantrag für das 24-Millionen-euro-projekt in Pfersee eingereicht. Wann genau mit dem Bau begonnen wird, weiß er zum jetzigen Zeitpunkt nicht: „Nach Vorliegen der Baugenehmigung werden wir – bis dahin sollten wir alle Argumente der Kläger kennen – über das weitere Vorgehen entscheiden.“ Hoppe weiter ausführt, sei das städtebauliche Konzept für das Spicherer-areal, das im Rahmen eines Architektenwettbewerbes gefunden wurde, so mit allen Dienststellen der Stadt Augsburg abgestimmt worden. „Die Situation der geringeren Abstandsflächen ergibt sich aus der Lage, die im Quartier derzeit vorzu
ist.“Im Übrigen habe ein Nachbar nur dann Abwehrrechte, wenn die Abstandsflächen zu seinem Grundstück nicht eingehalten würden, also eine individuelle Betroffenheit vorliege.
Die Behauptung Brauns, die Stadt behandle ihre Tochter WBG und private Bauherren unterschiedwie lich, ist nach Angaben des Baureferates nicht zutreffend. „Die Stadt Augsburg als Bauaufsichtsbehörde beurteilt sämtliche Bauanträge nach denselben Maßstäben.“Beim Grundstück der ehemaligen Spicherer-schule sei eine Abweichung von der Abstandsflächenregelung von der Bauherrin beantragt worden und – da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt waren – auch erteilt worden. Die verbleibenden Abstandsflächen bewegten sich in einem zulässigen Rahmen. Laut Baureferat kommt es des Öfteren vor, dass im Rahmen von Baugenehmigungsbeziehungsweise Bauvorbescheidsverfahren Abweichungen genehmigt würden.
Nicht Gegenstand der Klage, aber nach wie vor ein Streitpunkt sind Baumfällungen, die im Februar auf dem Schulgelände erfolgten. Insgesamt 19 Bäume – zehn davon geschützt – wurden damals mit der Begründung entfernt, vorgeschriebene Sicherheitsabstände müssten eingehalten und Platz für das Abrissfahrzeug geschaffen werden. „Es ist für jeden Laien ersichtlich, dass die Bäume nicht dem Abbruch im Wege standen, sondern bereits im Vorgriff auf eine erhoffte Baugenehfinden migung gefällt wurden“, sagt Braun. Auch hier kritisiert er die Stadt, dass sie die Fällarbeiten gestattete. „Kein privater Bauherr hätte eine vergleichbare Aktion genehmigt bekommen.“Hoppe entgegnet, dass die Situation der Bäume mit den zuständigen Behörden ausgiebig abgestimmt worden sei. „Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Frage der Genehmigungsfähigkeit von Fällungen, die für jeden Baum einzeln geprüft wurde.“
Umweltreferent Reiner Erben bestätigt – wie schon im Februar – die Notwendigkeit der Baumfällungen. „Die Schleppkurve des Tiefladers zum Transport des Abbruchgeräts, die Nähe einiger Bäume zum Schulgebäude sowie der erforderliche Mindestabstand des Abrissbaggers erforderten die Fällung von insgesamt zehn der Baumschutzverordnung unterliegenden Bäumen.“Der ursprünglich geplante Abbruch von Ost nach West sei zwar aus Sicherheitsgründen – wegen der Sonnenblendung – geändert worden. Diese Abweichung von den ursprünglichen Planungen habe jedoch keine Auswirkungen auf den Baumbestand, sagt Erben.