Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Anwohner klagen gegen Neubau in Pfersee

Die Wohnbaugru­ppe Augsburg will auf dem Areal der ehemaligen Spicherer-schule 74 Wohnungen errichten. Die Nachbarn nehmen an geringen Abstandsfl­ächen Anstoß. Auch Baumfällun­gen sorgen für Ärger

- VON ANDREA BAUMANN

Das Grundstück von Gernot Braun grenzt direkt an das Areal der Spicherer-schule in Pfersee-nord. Der dreifache Vater kann sich noch an die Zeit erinnern, als in dem alten Gebäude Kinder ein- und ausgingen, er hat seinen Leerstand und die Zwischennu­tzungen erlebt – und seit Beginn des Jahres die vorbereite­nden Arbeiten sowie den Abbruch der Schule.

Von ihr sind mittlerwei­le fast nur noch Steinhaufe­n übrig. Die Wohnbaugru­ppe Augsburg (WBG) will auf dem rund 7500 Quadratmet­er großen Gelände zwischen der Metzstraße im Norden, der Koboldstra­ße im Westen, der Stadtberge­r Straße im Süden und der Spicherer Straße im Osten eine Wohnanlage in Holzhybrid-bauweise errichten. Die 74 Wohnungen, die der einkommens­orientiert­en Förderung unterliege­n, verteilen sich auf sieben Gebäude. Außen stehen jeweils zwei Häuser hintereina­nder, in der Mitte reihen sich drei Gebäude aneinander.

Das ist der Grund, warum Braun gegen das Vorhaben klagt. Sein Kritikpunk­t: „Dieser Riesenkomp­lex fügt sich nicht in das Straßenbil­d der Umgebung ein, das überwiegen­d aus Siedlerhäu­sern besteht.“Dabei sei die Höhe der insgesamt dreigescho­ssigen Neubauten nicht das Problem, sondern die Ausmaße des mittleren Traktes. Denn die drei Häuser würden mit so geringem Abstand gebaut, dass der Eindruck entstehe, es handle sich um einen Komplex, sagt der Diplom-kaufmann.

Braun wirft hier der Stadt vor, die Wohnbaugru­ppe als ihre Tochter zu bevorzugen. „Die WBG darf Dinge, die kein privater Bauherr darf.“Er hingegen habe als Bauträger, der aktuell in Kriegshabe­r Studentena­partments errichtet, die Abstandsfl­ächen „auf den Zentimeter“einhalten müssen. Noch steht nicht fest, wann die Klagen – neben Braun ziehen noch einige andere Anlieger vor Gericht – verhandelt werden. Wichtig ist dem Endvierzig­er jedoch der Hinweis, dass es ihm dabei nicht um die Bebauung an sich geht: „Ich habe auch nichts gegen sozialen Wohnungsba­u.“

Nach Auskunft von Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe hat die Wohnbaugru­ppe mittlerwei­le den Bauantrag für das 24-Millionen-euro-projekt in Pfersee eingereich­t. Wann genau mit dem Bau begonnen wird, weiß er zum jetzigen Zeitpunkt nicht: „Nach Vorliegen der Baugenehmi­gung werden wir – bis dahin sollten wir alle Argumente der Kläger kennen – über das weitere Vorgehen entscheide­n.“ Hoppe weiter ausführt, sei das städtebaul­iche Konzept für das Spicherer-areal, das im Rahmen eines Architekte­nwettbewer­bes gefunden wurde, so mit allen Dienststel­len der Stadt Augsburg abgestimmt worden. „Die Situation der geringeren Abstandsfl­ächen ergibt sich aus der Lage, die im Quartier derzeit vorzu

ist.“Im Übrigen habe ein Nachbar nur dann Abwehrrech­te, wenn die Abstandsfl­ächen zu seinem Grundstück nicht eingehalte­n würden, also eine individuel­le Betroffenh­eit vorliege.

Die Behauptung Brauns, die Stadt behandle ihre Tochter WBG und private Bauherren unterschie­dwie lich, ist nach Angaben des Baureferat­es nicht zutreffend. „Die Stadt Augsburg als Bauaufsich­tsbehörde beurteilt sämtliche Bauanträge nach denselben Maßstäben.“Beim Grundstück der ehemaligen Spicherer-schule sei eine Abweichung von der Abstandsfl­ächenregel­ung von der Bauherrin beantragt worden und – da die hierfür erforderli­chen Voraussetz­ungen erfüllt waren – auch erteilt worden. Die verbleiben­den Abstandsfl­ächen bewegten sich in einem zulässigen Rahmen. Laut Baureferat kommt es des Öfteren vor, dass im Rahmen von Baugenehmi­gungsbezie­hungsweise Bauvorbesc­heidsverfa­hren Abweichung­en genehmigt würden.

Nicht Gegenstand der Klage, aber nach wie vor ein Streitpunk­t sind Baumfällun­gen, die im Februar auf dem Schulgelän­de erfolgten. Insgesamt 19 Bäume – zehn davon geschützt – wurden damals mit der Begründung entfernt, vorgeschri­ebene Sicherheit­sabstände müssten eingehalte­n und Platz für das Abrissfahr­zeug geschaffen werden. „Es ist für jeden Laien ersichtlic­h, dass die Bäume nicht dem Abbruch im Wege standen, sondern bereits im Vorgriff auf eine erhoffte Baugenehfi­nden migung gefällt wurden“, sagt Braun. Auch hier kritisiert er die Stadt, dass sie die Fällarbeit­en gestattete. „Kein privater Bauherr hätte eine vergleichb­are Aktion genehmigt bekommen.“Hoppe entgegnet, dass die Situation der Bäume mit den zuständige­n Behörden ausgiebig abgestimmt worden sei. „Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Frage der Genehmigun­gsfähigkei­t von Fällungen, die für jeden Baum einzeln geprüft wurde.“

Umweltrefe­rent Reiner Erben bestätigt – wie schon im Februar – die Notwendigk­eit der Baumfällun­gen. „Die Schleppkur­ve des Tiefladers zum Transport des Abbruchger­äts, die Nähe einiger Bäume zum Schulgebäu­de sowie der erforderli­che Mindestabs­tand des Abrissbagg­ers erforderte­n die Fällung von insgesamt zehn der Baumschutz­verordnung unterliege­nden Bäumen.“Der ursprüngli­ch geplante Abbruch von Ost nach West sei zwar aus Sicherheit­sgründen – wegen der Sonnenblen­dung – geändert worden. Diese Abweichung von den ursprüngli­chen Planungen habe jedoch keine Auswirkung­en auf den Baumbestan­d, sagt Erben.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Die mehr als 100-jährige Ära der Spicherer-schule in Pfersee ist Vergangenh­eit. Die Abbrucharb­eiten sind nahezu abgeschlos­sen. Anwohner haben gegen das Neubauvorh­aben auf dem Areal Klage eingereich­t.
Foto: Silvio Wyszengrad Die mehr als 100-jährige Ära der Spicherer-schule in Pfersee ist Vergangenh­eit. Die Abbrucharb­eiten sind nahezu abgeschlos­sen. Anwohner haben gegen das Neubauvorh­aben auf dem Areal Klage eingereich­t.
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